10.11.2010 - 11:59 Uhr

Profumo
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Profumo
Top Rezension
56
Einer der am wenigsten beachteten und am meisten unterschätzten Düfte!
Dieser Duft ist ein Phänomen: jene, die ihn kennen und tragen, beschreiben ihn mit hymnischen Worten und wählen – zumeist in englischsprachigen Blogs - Begriffe wie: sophisticated, distinguished, complex, rich and sparkling.
Nur: so gut wie keiner kennt ihn. Das stellen auch die mit Verwunderung fest, die ihn kennen. Wie kommt es also, dass dieser Duft so unbekannt ist, dass er permanent und zuverlässig übersehen wird, dass er in den Internet-Foren so gut wie nie diskutiert wird, und wenn doch, dann zumeist mit der an alle Diskutanten gestellte Frage: Warum wird dieser Duft so wenig geschätzt? So z.B. einer meiner Lieblings-Reviewer (Off-Scenter) von Basenotes, der schreibt: “What ultimately puzzles me about Lauder for Men is how such a fine fragrance can be so little known or discussed. Frankly, it’s a hidden treasure, and probably one of the most underrated and underappreciated scents I know of.“
Schon vom Zeitpunkt seiner Einführung an, es wurde 1985 lanciert, war dieses Phänomen zu beobachten: Lauder for men war auf einmal da, ohne großes Aufhebens und ohne dass es besonders beworben wurde. Bis dato waren sämtliche Herrendüfte aus dem Hause Lauder unter dem Label Aramis erschienen, dieser nicht. Warum auch immer.
Und während Häuser wie Chanel, Dior und Yves-Saint Laurent ihre Produkte mit immer größer werdenden Etats bewarben, und sich die Werbespots an Kreativität und Aufwand gegenseitig zu übertrumpfen suchten, blieb man bei Lauder seltsam untätig. So landete Lauder for Men irgendwo in den unteren Regalen, in den meisten Fällen leider nicht neben seinen Halbbrüdern aus der Aramis-Reihe, und neben seinen Schwestern schon gar nicht. In der Regel wurde es zwischen diverse Ladenhüter eingereiht, denn einen erfolgreichen Vorgänger-Duft, von dessen Aura er hätte profitieren können, und sei es nur dadurch, dass er neben ihm an prominenterer Stelle im Regal Platz gefunden hätte, gab es nicht. Hätte es zwar mit den Aramis-Düften gegeben, aber wie gesagt: die Wenigsten sahen hier eine Zusammengehörigkeit, und so behandelte man Lauder for Men ein bisschen so, wie das berühmte ‚schwarze Schaf’ einer Familie: man versucht sich von ihm abzugrenzen.
Ich bin mir sicher, wäre der Duft in die Aramis-Familie eingegliedert worden, es wäre ihm weitaus mehr Aufmerksamkeit und vermutlich auch größere Wertschätzung zuteil geworden.
Aller Missachtung zum Trotz, allein dass er noch da ist (keine Selbstverständlichkeit nach nunmehr einem Viertel Jahrhundert), ist schon ein kleines Wunder, und zeigt, dass er im Hause Lauder bis heute offenbar Annerkennung findet. Zu Recht, wie ich finde.
Lauder for Men zählt zu der seit Mitte der siebziger Jahren so beliebten wie erfolgreichen Gruppe der aromatischen Fougères, der so berühmte Vertreter wie Azzaro pour Homme und Paco Rabanne pour Homme angehören. Zu einer Gruppe von Düften also, die den klassischen, pudrig-seifigen Barbershop-Akkord mit einer aromatischen Facette kombinieren, beispielsweise mit Anis, mit Rosmarin, Lorbeer oder Salbei. Dieser aromatischen Facette fügen einige noch eine animalische bei, wie z.B. Azzaro pour Homme, Kouros oder eben Lauder for Men, die manchmal so deutlich zu Tage tritt, dass man im Falle der beiden letztgenannten schon eher von animalischen Fougères sprechen kann, als von aromatischen.
Kouros zelebriert diese animalische Seite geradezu, und treibt sie ins fast nicht mehr erträgliche Extrem. Lauder for Men tut das nicht. Es ist bescheidener, bei weitem nicht so offensiv, darüber hinaus frischer, strahlender und transparenter. Dennoch, manche nehmen diese animalische Seite des Duftes als sehr unangenehm war. So beschrieb einmal jemand diesen Duft als einen ungehobelten Gesellen, der, wenn er nach Hause kommt zwar die Schuhe auszieht, aber nur um es sich anschließend auf der Couch bequem zu machen und seine Füße samt stinkigen Socken auf den Tisch zu legen.
Dieses Bild hat sich mir eingeprägt, komischerweise nicht weil ich es teile, sondern weil ich es überhaupt nicht teile. Diese so selbstverständliche Zurschaustellung der eigenen Ausdünstungen, mit der so mancher Duft aus jener Zeit zu flirten scheint, kann ich in Lauder for men partout nicht entdecken. Ganz im Gegenteil: für mich verkörpert der Duft gepflegte Eleganz, gepaart mit den Verheißungen maskulin-erotischer Vibes. Kein ungewaschener Exhibitionist, der ungeniert seine Genitalien zur Schau stellt, nein: ein kultivierter Mann im Bewusstsein seiner ungebrochenen Attraktivität und sexuellen Anziehungskraft, ausgestattet mit entwaffnender Selbstsicherheit und natürlicher Autorität – das ist Lauder for Men!
Dieses Bild verstärkt sich für mich durch ein feines Tabakaroma, das die mittlere und letzte Phase dieses Duftes durchzieht und auf mich eine fast magische Wirkung ausübt. Schon als Kind habe ich gerne am feuchten Pfeifentabak meines Vaters gerochen – ich liebte diesen süßlich-herben Duft. In Lauder for Men finde ich ihn wieder, sehr dezent und leise, aber deutlich erkennbar.
Ein Duft, der wunderbar einem Mann wie Richard Gere stehen würde, den ich mir aber auch gut an einer Frau vorstellen könnte: an einer herben, eher kühlen Schönheit im Stile einer Gena Rowlands vielleicht. Würde sicher enormen Eindruck machen!
Für ein Cologne hat dieser Duft übrigens eine erstaunlich gute Haltbarkeit und eine dezente, aber deutliche Abstrahlung. Alle Stadien der Duftentwicklung, der frisch-aromatische Start, das würzig-florale Herz und die dezent animalische, holzig-pudrige Basis gleiten sanft und geräuschlos ineinander und sind perfekt ausbalanciert.
Eigentlich immer wenn ich Lauder for Men trage werde ich gefragt, was denn das für ein Duft sei, der da so gut riechen würde. Und jedes Mal wenn ich dann den Namen nenne, bekomme ich ein ‚Aha’ zurück, und ich spüre, dass er sich wieder einmal nicht eingebrannt hat.
Das Phänomen finden seine Fortsetzung....
PS: Ich wüsste zu gerne wer diesen Duft kreiert hat, und kann mir zugleich keinen anderen als Bernard Chant vorstellen. Sein Stil, die ausgeklügelte Vielschichtigkeit, die sanfte, niemals aufdringliche, delikate animalische Durchdringung, die fein austarierte Komposition, die fast kühle Nüchternheit die seine anderen Werke auszeichnet, all das findet sich auch hier - Lauder for Men trägt seinen Stempel. Aber war er es wirklich? Er, der große Chyprier? Hat er auch dieses wunderbare Fougère komponiert, nach all den anderen Großtaten für das Haus Estée Lauder?
Nur: so gut wie keiner kennt ihn. Das stellen auch die mit Verwunderung fest, die ihn kennen. Wie kommt es also, dass dieser Duft so unbekannt ist, dass er permanent und zuverlässig übersehen wird, dass er in den Internet-Foren so gut wie nie diskutiert wird, und wenn doch, dann zumeist mit der an alle Diskutanten gestellte Frage: Warum wird dieser Duft so wenig geschätzt? So z.B. einer meiner Lieblings-Reviewer (Off-Scenter) von Basenotes, der schreibt: “What ultimately puzzles me about Lauder for Men is how such a fine fragrance can be so little known or discussed. Frankly, it’s a hidden treasure, and probably one of the most underrated and underappreciated scents I know of.“
Schon vom Zeitpunkt seiner Einführung an, es wurde 1985 lanciert, war dieses Phänomen zu beobachten: Lauder for men war auf einmal da, ohne großes Aufhebens und ohne dass es besonders beworben wurde. Bis dato waren sämtliche Herrendüfte aus dem Hause Lauder unter dem Label Aramis erschienen, dieser nicht. Warum auch immer.
Und während Häuser wie Chanel, Dior und Yves-Saint Laurent ihre Produkte mit immer größer werdenden Etats bewarben, und sich die Werbespots an Kreativität und Aufwand gegenseitig zu übertrumpfen suchten, blieb man bei Lauder seltsam untätig. So landete Lauder for Men irgendwo in den unteren Regalen, in den meisten Fällen leider nicht neben seinen Halbbrüdern aus der Aramis-Reihe, und neben seinen Schwestern schon gar nicht. In der Regel wurde es zwischen diverse Ladenhüter eingereiht, denn einen erfolgreichen Vorgänger-Duft, von dessen Aura er hätte profitieren können, und sei es nur dadurch, dass er neben ihm an prominenterer Stelle im Regal Platz gefunden hätte, gab es nicht. Hätte es zwar mit den Aramis-Düften gegeben, aber wie gesagt: die Wenigsten sahen hier eine Zusammengehörigkeit, und so behandelte man Lauder for Men ein bisschen so, wie das berühmte ‚schwarze Schaf’ einer Familie: man versucht sich von ihm abzugrenzen.
Ich bin mir sicher, wäre der Duft in die Aramis-Familie eingegliedert worden, es wäre ihm weitaus mehr Aufmerksamkeit und vermutlich auch größere Wertschätzung zuteil geworden.
Aller Missachtung zum Trotz, allein dass er noch da ist (keine Selbstverständlichkeit nach nunmehr einem Viertel Jahrhundert), ist schon ein kleines Wunder, und zeigt, dass er im Hause Lauder bis heute offenbar Annerkennung findet. Zu Recht, wie ich finde.
Lauder for Men zählt zu der seit Mitte der siebziger Jahren so beliebten wie erfolgreichen Gruppe der aromatischen Fougères, der so berühmte Vertreter wie Azzaro pour Homme und Paco Rabanne pour Homme angehören. Zu einer Gruppe von Düften also, die den klassischen, pudrig-seifigen Barbershop-Akkord mit einer aromatischen Facette kombinieren, beispielsweise mit Anis, mit Rosmarin, Lorbeer oder Salbei. Dieser aromatischen Facette fügen einige noch eine animalische bei, wie z.B. Azzaro pour Homme, Kouros oder eben Lauder for Men, die manchmal so deutlich zu Tage tritt, dass man im Falle der beiden letztgenannten schon eher von animalischen Fougères sprechen kann, als von aromatischen.
Kouros zelebriert diese animalische Seite geradezu, und treibt sie ins fast nicht mehr erträgliche Extrem. Lauder for Men tut das nicht. Es ist bescheidener, bei weitem nicht so offensiv, darüber hinaus frischer, strahlender und transparenter. Dennoch, manche nehmen diese animalische Seite des Duftes als sehr unangenehm war. So beschrieb einmal jemand diesen Duft als einen ungehobelten Gesellen, der, wenn er nach Hause kommt zwar die Schuhe auszieht, aber nur um es sich anschließend auf der Couch bequem zu machen und seine Füße samt stinkigen Socken auf den Tisch zu legen.
Dieses Bild hat sich mir eingeprägt, komischerweise nicht weil ich es teile, sondern weil ich es überhaupt nicht teile. Diese so selbstverständliche Zurschaustellung der eigenen Ausdünstungen, mit der so mancher Duft aus jener Zeit zu flirten scheint, kann ich in Lauder for men partout nicht entdecken. Ganz im Gegenteil: für mich verkörpert der Duft gepflegte Eleganz, gepaart mit den Verheißungen maskulin-erotischer Vibes. Kein ungewaschener Exhibitionist, der ungeniert seine Genitalien zur Schau stellt, nein: ein kultivierter Mann im Bewusstsein seiner ungebrochenen Attraktivität und sexuellen Anziehungskraft, ausgestattet mit entwaffnender Selbstsicherheit und natürlicher Autorität – das ist Lauder for Men!
Dieses Bild verstärkt sich für mich durch ein feines Tabakaroma, das die mittlere und letzte Phase dieses Duftes durchzieht und auf mich eine fast magische Wirkung ausübt. Schon als Kind habe ich gerne am feuchten Pfeifentabak meines Vaters gerochen – ich liebte diesen süßlich-herben Duft. In Lauder for Men finde ich ihn wieder, sehr dezent und leise, aber deutlich erkennbar.
Ein Duft, der wunderbar einem Mann wie Richard Gere stehen würde, den ich mir aber auch gut an einer Frau vorstellen könnte: an einer herben, eher kühlen Schönheit im Stile einer Gena Rowlands vielleicht. Würde sicher enormen Eindruck machen!
Für ein Cologne hat dieser Duft übrigens eine erstaunlich gute Haltbarkeit und eine dezente, aber deutliche Abstrahlung. Alle Stadien der Duftentwicklung, der frisch-aromatische Start, das würzig-florale Herz und die dezent animalische, holzig-pudrige Basis gleiten sanft und geräuschlos ineinander und sind perfekt ausbalanciert.
Eigentlich immer wenn ich Lauder for Men trage werde ich gefragt, was denn das für ein Duft sei, der da so gut riechen würde. Und jedes Mal wenn ich dann den Namen nenne, bekomme ich ein ‚Aha’ zurück, und ich spüre, dass er sich wieder einmal nicht eingebrannt hat.
Das Phänomen finden seine Fortsetzung....
PS: Ich wüsste zu gerne wer diesen Duft kreiert hat, und kann mir zugleich keinen anderen als Bernard Chant vorstellen. Sein Stil, die ausgeklügelte Vielschichtigkeit, die sanfte, niemals aufdringliche, delikate animalische Durchdringung, die fein austarierte Komposition, die fast kühle Nüchternheit die seine anderen Werke auszeichnet, all das findet sich auch hier - Lauder for Men trägt seinen Stempel. Aber war er es wirklich? Er, der große Chyprier? Hat er auch dieses wunderbare Fougère komponiert, nach all den anderen Großtaten für das Haus Estée Lauder?
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