Hofnärrin

Hofnärrin

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16 - 20 von 51
Hofnärrin vor 8 Jahren 14 1
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Bäume Ausreissen!
Io Myself ist für mich das Rennpferd unter den Ouds. Ob echtes Oud verwendet worden ist, kann ich nicht sicher beurteilen, obwohl ich mir extra zu diesem Zweck ein paar Miniportionen reines Oud zugelegt habe. Oud hat für mich nach wie vor einfach zu viele Facetten. Io Myself geht wenn schon eher in Richtung Medizin als in Richtung Kuhstall, aber auch das nur dezent. Der Auftakt ist energetisch und frisch und zwar ohne dass einem die Zitronen um die Ohren fliegen. Ich rieche Holz in überbordendem Wachstum und kein bisschen grün, was für mich ein weiterer Pluspunkt ist. Der dritte Pluspunkt ist die Rose, die dem Safran vornehm den Vortritt lässt. Wie ausserordentlich erholsam! Der Duft sei direkt und maskulin, ein Duft für Männer mit einem ausgeprägten Ego, will mir die Werbung verklickern. Kein Wunder bei diesem bescheuerten Namen! Trotzdem wird Io Myself, je nachdem wo man guckt, auch als Unisex angepriesen, und das zu Recht. Er hat Rasse und Klasse, aber er ist deswegen noch lange kein Protz. Umgekehrt ist er aber auch alles andere als ein Schmeichler. Ich empfinde ihn als rasant, elegant und zeitgemäss und seine hintergründige Süsse weckt in mir das Gefühl, ich könnte Bäume ausreissen. Zum Glück für die Bäume in meiner Nachbarschaft besitze ich von Io Myself lediglich eine kleine Probe.
Vorläufig noch.
Sillage und Haltbarkeit sind sehr gut.
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Hofnärrin vor 9 Jahren 1 1
7.5
Sillage
5
Haltbarkeit
6
Duft
Fanta zum Aufsprühen
Irgendwelche Kiddies an Bord? Ah ja, ihr steht eher auf Monster Energy und so. Nun, in meiner Kindheit wurden, wenn es hoch kam, zwischendurch mal Cola oder eben - Fanta aufgetischt. Aufgetischt, versteht sich, und nicht aufgesprüht. Agrumi bietet sich für einen Verriss geradezu an. Das Dumme ist, dass mir das Zeug nach ungefähr zwei Stunden unerwartet zu gefallen anfängt. Ich wähne mich plötzlich in einem ausgewogenen Potpurri aus Zitrusfrüchten, ein bisschen sauer, ein bisschen bitter und ein bisschen süss, und jegliche Assoziationen an Fanta sind vom Tisch. Die zweite Phase dauert bei mir etwa drei bis vier Stunden und ich würde sie mit achtzig Prozent bewerten. Die erste Phase hat mich beim ersten Malen Aufsprühen erheitert und beim zweiten Mal genervt und kriegt zehn Prozent. Ergibt einen Durchschnitt von fünfundvierzig Prozent zu dem ich noch einen Orginalitäts-Bonus von fünfzehn Prozent dazu addiere. Ich habe schon so einige Parfums ausprobiert, die im Anfang teuer riechen und im Ende billig. Hier ist es zur Abwechslung einmal umgekehrt.
1 Antwort
Hofnärrin vor 9 Jahren 15 1
10
Duft
Ich bin Geschichte
Sperrige alte Möbel, tiefdunkel, geschaffen um Generationen zu überdauern und mitten drin ich, kein kleines Mädchen mehr, sondern selbst zur Geschichte geworden, zwischen Ein- und Ausgang, immer noch staunend. Keine zelebrierte Männlichkeit, die mich ausstossen würde. Ich bin hier zuhause. Es ist die Zeit, die so schwer wiegt.
Gao ist mir von den Oud-Stars mit Abstand der Liebste. Er ist stromlinienförmig, edel und düster und reisst nicht vorhandene Türen auf. Hier geht es nicht ums Gefallen-Wollen. Hier geht es darum, Gefallen an der Vergänglichkeit zu finden. Das ist nicht jedermanns Sache.
Für mich ist Gao ein Kunstwerk. Anstrengend, aber wahr.
1 Antwort
Hofnärrin vor 9 Jahren 7 3
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6
Duft
Drei Nüsse für Annick Goutal
Der Duft startet mit einer mit Vanille unterlegten Haselnuss, welche in der Duftpyramide seltsamerweise als Pfeffer aufgeführt ist. Die Vanille im Untergrund mag ich auf Anhieb. Das mir in die Nase springende Nussmakrönchen eher weniger. Andere Nasen mögen Süssgebäck als sinnlich interpretieren, aber als fleischlich? Eine Nuss riecht nun mal nach Nuss. Die Vanille, welche das Nussige nach ungefähr zwei Stunden sanft aber bestimmt aus dem Spielfeld gedrängt hat, würde ich ebenfalls nicht fleischlich nennen, sondern ätherisch. Es ist eine elegante Vanille, die zusammen mit ihrem Tanzpartner Ylang Yang leichtfüssig über die Haut wirbelt. All meine Versuche, die beiden auseinanderzuhalten schlagen fehl. Sie sind ständig in Bewegung und perfekt aufeinander eingespielt. Und vermögen mich über Stunden hinweg auf Trab zu halten.
Würde der Weg zu dieser Performance nicht über ein Nussmakrönchen führen, ich könnte mich für den Duft begeistern.
3 Antworten
Hofnärrin vor 9 Jahren 14 6
5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Am Brunnen vor dem Tore
Hätte mir vor ein paar Jahren jemand prophezeit, dass ich einmal für ein Lindenblütenparfum schwärmen könnte, hätte er oder sie zur Antwort gekriegt: „Ich bin doch nicht krank!“
Tja, und dann hat es mich bei Frau Tonis in Berlin voll erwischt. Kommt dazu, dass meine Begeisterung zurück in der Schweiz überaus ansteckend wirkt. Zum Glück hab ich mir eine 100ml Flasche gekauft. Die Antwort ist die gleiche geblieben. „Nein“, ruft mein nach Lindenblüten duftendes Umfeld unisono, „wir sind alles andere als krank!“ Kommt davon, dass sich bei diesem Parfum absolut keine Assoziationen an fiebersenkenden Tee aufdrängen. Dafür aber an ein altes Volkslied, und das geht so:

"Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum. Ich träumt’ in seinem Schatten so manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort; es zog in Freud und Leide zu ihm mich immer fort.“

Hach, dieser Duft bringt mich tatsächlich zum Träumen. Die für meinen Geschmack etwas grenzgängige Süsse kann ich ihm wegen seiner bodenständigen Frische leicht verzeihen. In gebe mich seinem Dunstkreis hin und träume von einem jener Frühsommertage, an denen sich die Natur mit einem kühlen Lüftchen rundum neu erfindet.

“Ich mußt’ auch heute wandern vorbei in tiefer Nacht, da hab’ ich noch im Dunkel die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Gesellin, hier findst Du Deine Ruh’!“

Ja, hier find ich meine Ruh. Was aber auch heissen will, dass dieser Duft kein Provokateur ist und auch keinen spannenden Duftverlauf bietet. Er duftet nach blühender Linde und punkt. Dies dafür ausdauernd. Letzthin musste ich für sechs Tage verreisen und sprühte vor dem Verlassen der Wohnung mein Schlafzimmer ein. Als ich nachhause kam, hing ein bezaubernder Lindenblütendunst in der Luft, der sich anfühlte wie eine Umarmung.

„Die kalten Winde bliesen- mir grad’ in’s Angesicht; der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde entfernt von jenem Ort, und immer hör’ ich’s rauschen: Du fändest Ruhe dort!"

Tja, manchmal fegt einem der Gegenwind den Hut vom Kopf (da ich gerne behutet Fahrrad fahre, kann ich auch davon ein Liedchen singen) aber was soll’s. Leute, (und damit meine ich auch die Gesellen) vergesst euren Weichspüler und parfümiert stattdessen eure Bettwäsche mit „Linde Berlin“. Ihr werdet euch nachts in der Geborgenheit eines jahrhundertealten Baumes verlieren. Oder sprüht euch den Duft bei Tag auf die Haut und wähnt euch weder weichgespült noch eingeseift, sondern von einem zarten Sommerlüftchen rundum neu erfunden.
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