Josch

Josch

Rezensionen
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6 - 10 von 31
Josch vor 9 Jahren 6 2
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6
Duft
Heublumen in Aspik
Eigentlich hatte ich es nur auf den hübschen Ballonzerstäuber abgesehen, als ich Trajana blind ersteigert habe. Ich habe nicht damit gerechnet, dass der Inhalt, ein Eau de Cologne, das mindestens aus den Jahren 1972-76 stammen muss, noch brauchbar ist.

Aber er ist noch brauchbar - zwar nicht meine Geschmacksrichtung, aber immerhin: Der macht noch was, der ist noch da!

Hinter dem so französisch anmutenden Namen "Mouson" versteckt sich eine Frankfurter Seifen- und Parfümfabrik, die bereits 1798 gegründet wurde: J.G. Mouson & Co. Sie wurde 1972 verkauft, im Jahre 1976 wurden alle Fabrikgebäude bis auf einen einzelnen Turm abgerissen – den Frankfurter "Mousonturm", der bis heute als Künstlerhaus, Kulturzentrum und freies Theater Verwendung findet.

Das Parfum selbst zeichnet sich vor allem durch florale Noten aus – etwas krautig, leicht herb, aber dennoch mit präsenter Süße, die sich allerdings noch im Rahmen hält und noch nicht klebt: Lavendel, der ursprünglich sicher noch deutlicher vorhanden war, Jasmin in einer angenehmen weil unschwülen Version, hellrote und gelbe Rosen – etwas seifig und sauber, aber durchaus angenehm.

Erfreulicherweise nimmt sich die anfängliche Süße recht schnell und immer mehr zurück, und hinterlässt zusammen mit einer leichten Eichenmoos-Basis den Eindruck von getrockneten Wiesenblumen und Heu: Weiblich, floral, etwas altmodisch, angenehm. Wie in Aspik gegossen bleibt dieser Eindruck für gute 5-6 Stunden bestehen und könnte auch heute noch gut gefallen, wenn einem diese Richtung behagt.

Mein Geschmack ist es nicht, da es mir trotz der erwähnten trockenen Ingredienzien etwas zu blümerant ist. Aber es war trotzdem ein schöner – weil unerwarteter – Blick zurück in eine vergangene Epoche, die viele hervorragende Parfums erschaffen hat.
2 Antworten
Josch vor 9 Jahren 7 4
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Coromandel in "Vollschlank"
Der Name "Alhambra" klingt vollmundig! Und: "Alhambra" riecht auch sehr vollmundig, z.B. nach Ambra. Obwohl laut der Liste gar kein Ambra drin zu sein scheint (dabei steht es wörtlich im Namen: Alh-Ambra :) Und nach Weihrauch-Patchouli - wie Coromandel. Und nach Oponax – wie "Shalimar", nur ohne Vanille.

Ich weiss nicht, woran es liegt: Ich mag alle Ingredienzen - die vorhandenen und die nicht vorhandenen, die riechbaren und die kaum riechbaren (wie z.B. Oud, das ich nicht wirklich finde).

Und trotzdem springt der Funke nicht über. "Alhambra" ist zweifelsohne gut gemacht, es gefällt mir eigentlich auch – aber es berührt mich nicht. Es bleibt die Summe seiner Bestandteile und Nicht-Bestandteile.

Einerseits erinnert es mich an "Ambre Doré" von Maître Parfumeur et Gantier (Safran und Myrrhe mit ebenfalls fast unsichtbarem Oud), andererseits an "Shalimar" (Oponax, aber ohne die Vanillebasis) – und natürlich auch an "Coromandel" (durch die vordergründige, weihrauchige Myrrhre-Patchouli-Kombination).

Vielleicht ist es einfach das, was mich stört: Das Zuviel an "riecht irgendwie nach.." und "riecht ähnlich wie…" – also das Zuwenig an Eigenständigkeit.

Trotzdem: Wer die aufgelisteten Bestandteile mag – unbedingt probieren! Es ist wohl ausbalanciert, sehr lange haltbar (10 Stunden +) und die Sillage ist kraftvoll, aber angenehm.

Vor allem Liebhaber obengenannter Parfums könnten Gefallen an "Alhambra" finden – allen voran die von "Coromandel": Ist Coromandel die sehr französische, schmallippig-unterkühlte und modell-schlanke Haute-Couture-Version, kann man "Alhambra" als die vollmundig-südländische, warme und üppig-sinnliche Variante des gleichen Themas ansehen.
4 Antworten
Josch vor 9 Jahren 20 5
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Dear Prudence
Heute morgen hatte ich den Wunsch, mal wieder so richtig laut und ausgiebig alte Beatles-Stücke zu hören. Ich bin zwar nicht der gleiche Jahrgang wie dieselben – trotzdem war es die Musik meiner Jugend und ihre Stücke haben meinen Musikgeschmack mehr als entscheidend geprägt.

Heute Nachmittag kam ich auf die Idee, mein vor kurzem neu erworbenes Vintage „Miss Dior“ zu kommentieren.

Wahrscheinlich ist es nur Zufall, dass das Geburtsdatum dieser Vier genauso in die Mitte der 40er Jahre fällt, wie das Geburtsdatum von „Miss Dior“. Vielleicht auch nicht.

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„Miss Dior“ erinnert mich in der Kopfnote stark an „Vol de Nuit“ (Guerlain) in der Extrait-Version, bzw. an Yatagan“ (Caron) in abgemildeter Form: Krautig-herbes Galbanum in Kombination mit Bergamotte. Etwas bitter, sehr würzig, recht herb.

Eigentlich nicht das, was man klischeehaft mit dem Begriff „Miss“ und entsprechend klischeehaften Bildern von spitzen Pumps, Bleistift-Absätzen, Mini-Röckchen und „Lady-liken“ Ladys dieser Ära in Verbindung bringt.

Die Kopfnote mit ihrem herben Galbanum-Auftakt währt ungewöhnlich lange – mindestens eine Stunde, eher länger. Sie ist nicht nur ein flüchtiges Intermezzo, eine kurze Einführung zum Hauptthema, sondern ein eigenständiges Kapitel der Gesamtkomposition.

Anders als das Vol de Nuit-Extrait, das sich weiterhin eher würzig entwickelt, bekommt „Miss Dior“ nach der langen Kopfnote eine pudrige Weichheit, die – obwohl noch immer sehr kräftig und durchsetzungsstark – sehr viel Wärme, Leichtigkeit und Sauberkeit vermittelt.

Trotzdem ist die „alte“ Miss Dior kein lieblicher Backfisch mit hohem Niedlichkeitsfaktor. Sie behält trotz ihrer etwas sauber-seifigen und leicht blumigen Pudrigkeit eine sehr straffe, zurückhaltend-distanzierte Eleganz.

Während die Kopfnote fast etwas kratzbürstig daher kommt, wird sie in der Folge zwar wärmer – aber dadurch noch lange nicht zu Everybody’s Darling. Dafür sorgt der unübersehbare Anteil an herbem Eichenmoos und die Kombination aus Sandelholz und Patchouli, die der mäßig süßen, blumigen Weichheit eine sehr trockene, erdige Basis an die Seite stellt.

Bevor ich zu meinem Vintage „Miss Dior“ kam, das hier beschrieben ist, habe ich in einer Parfumerie das aktuell erhältliche (also reformulierte) „Miss Dior Original“ getestet – und: Ich habe schon weitaus schlechtere Überarbeitungen erlebt. Auch die aktuelle Version lässt den Blick zurück zu und ist – wenn auch etwas lieblicher – durchaus erstrebenswert!

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Der Beatles-Titel „Dear Prudence“ war schon früher ein ganz besonderes Stück für mich. Vielleicht kann auch Musik dazu beitragen, einen Duft zu beschreiben. „Miss Dior“ war zum Zeitpunkt des Erscheinens von „Miss Prudence“ bereits 21 Jahre alt. Letztere stelle ich mir in etwa genauso alt vor – und wer weiss, vielleicht hat Miss Prudence dieses Parfum damals ja wirklich getragen. Ich könnte es mir gut vorstellen. Es würde ihr stehen.
5 Antworten
Josch vor 9 Jahren 21 4
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Der Zeitraffer
Vor mir ein 100ml-Schüttflakon Chanel N°5. In der alten EdC-Version. Noch zu dreiviertel voll, kaum nachgedunkelt. Trotzdem mindestens 25 Jahre, vielleicht sogar 30 oder 40 Jahre alt. Das Etikett ist bereits vergilbt, die ehemals rechteckigen Kanten zum Teil halbrund abgeschrubbelt.

Ein alterungsbedingter Firnis-Geruch, der die Kopfnote beeinträchtigt, verflüchtigt sich nach etwa 20 Minuten und lässt - wie durch einen transparenten Vorhang - einen Blick auf die Herz- und Basisnote zu.

Ich kenne und schätze das N°5-Parfum und das aktuelle EdT. Im Vergleich würde ich die drei Versionen mit diesen Bildern beschreiben:

Das Parfum zeigt den vollreifen frischen Blumenstrauss, der mit Jasmin, Maiglöckchen, Rose und Veilchenwurzel seine maximale, noch immer sonnenwarme Duftintensität erreicht hat.

Das EdT mischt dem nun schon einige Tage alten Blumenstrauss deutlich herbere Töne von holzigem Sandel und erdigem Vetiver bei – der Blumenstrauss ist zwar noch immer frisch, zeigt sich aber schon etwas herbstlicher. Er hat nicht unbedingt an Frische eingebüßt, die Leuchtkraft der Farben ist aber etwas gedeckter. Die Opulenz der Blüten nimmt sich soweit zurück, dass die grün-braunen Anteile von Amber, Sandelholz und Vetiver mehr Präsenz erhalten.

Beim EdC hat sich über das ganze Bild ein leichter Grauschleier gelegt. Die Farben sind in ihrer Leuchtkraft nicht nur gedämpft, sondern gebrochen. Aus dem leuchtenden Rot wurde ein dunkles Samtrot, aus Weiss wurde Beige, Grün wurde zu Olivegrün. Der Duft erinnert noch immer deutlich an Jasmin, Maiglöckchen, Rose und Veilchenwurzel, aber in einer bereits angetrockneten, angewelkten Version. Erdige Komponente wie Patchouli und Moschus bestimmen im Duftverlauf deutlich früher und gleichberechtigter das Bild.

Ein wundervoller, leicht morbider Duft, der heute wahrscheinlich nur noch selten in seiner ursprünglichen Pracht erhalten ist. Trotzdem noch immer erstrebenswert – auch wenn ein Vintage-EdT wahrscheinlich größere Chancen birgt, einen uneingeschränkten Blick auf das Original zu werfen.
4 Antworten
Josch vor 9 Jahren 15 4
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Die kann nicht nur Späße vertragen, die macht sie selbst.
Rau und nadelig, erwachsen und selbstbewusst – das emanzipierte Gegenteil davon, was der Ausdruck "Miss", der eine eher junge Dame suggeriert und Diminutiven wie "Fräulein" oder "Mademoiselle" entspricht, vorspiegelt.

Wer die nur wenig später entstandenen "Azurée" und "Alliage" von Bernard Chant kennt: Frau Balmain ist diesen beiden sehr nahe. Im Grunde könnte man sie als feingeistigere Mutter der beiden bezeichnen: Bei aller (positiv gemeinten) Damenhaftigkeit ebenfalls forsch und burschikos wie ihre Töchter – und doch gibt sie sich etwas weicher, etwas feiner, etwas weniger derb.

Während "Azurée" und "Alliage" eine unübersehbare, demonstrativ staubtrockene Kräuternote aus Koriander/Basilikum/Thymian vor sich her tragen – einer Duftkomponente, die mir in Bernard-Chant-üblicher Konzentration immer etwas den Hals zuschnürt, obwohl ich sie in dezenter Ausführung eigentlich sehr mag – hält Miss Balmain diese Duftnoten erfreulicherweise deutlich mehr im Hintergrund, so dass die frischen und im weiteren Verlauf ledrig-herben Anteile prominenter wirken können.

Wer also "Azurée" und "Alliage" (und wahlweise auch die etwas robuster ausfallenden Herrenvarianten wie "Aramis") eigentlich mag, aber immer als etwas "too much" und Reizhusten-auslösend empfunden hat: "Miss Balmain" helps!

Mit "Miss Balmain" assoziiere ich einen Frauentyp wie z.B. Katharine Hepburn – durchaus lady-like und elegant, gleichzeitig aber auch bodenständig und kumpelhaft: Die kann nicht nur einen Spaß vertragen, die macht sie gleich selbst und haut dir dabei lachend auf die Schulter. Sehr sympathisch.

Mit ihrer verrucht-herben Eichenmoos-Patchouli-Basis ist die Miss übrigens uneingeschränkt herrentauglich – sie hat nicht nur Haare auf den Zähnen, sondern auch an den (rasierten) Beinen.

Wer zudem den Charme von Vintage-Chypres mag, die sich moosig-grün, mäßig blümerant und geradeaus geben, findet in "Miss Balmain" ein wundervolles Beispiel für die androgyne, hochprozentige Braukunst vergangener Tage, die viele aktuelle "Pour Homme"-Destillate zu abgestandenem Kinderpunsch degradieren.
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