Kakuska

Kakuska

Rezensionen
Kakuska vor 2 Jahren 5 2
"Karneval in Kölle", oder: "Sophia Gold oder Erdogan?"
Es wird Fastnacht, und nach all den Hitzewallungen des Sommers naht das Ende der vierten und damit auch heran die fünfte Jahreszeit. Wer zugezogener Rheinländer ist, der weiß, wovon ich schreibe. Damit stellt sich allmählich die Frage nach einem Kostüm für die heißen Tage. Ich bin mir noch nicht sicher, aber ich glaube, ich werde mich entweder als Sophia Gold verkleiden oder als Staatspräsident Erdogan. Mit ersterem Kostum käme ich sicher besser an, mit letzterem hätte ich aber eine reelle Chance auf einen Hauptverkleidungspreis. Viel spricht dafür: Die Aktualität (allerdings ist Sophia Gold auch stets aktuell), der anatolische Balkanbalken unter der Nase (den hat Sophia nicht - zum Glück!), die Mickymausstimme beim Rumschreien (wenn sie schreit, klingt Sophia jedenfalls nicht wie Micky Maus), das Lächerlichkeitspotential, das Diktatorische (hat Sophia beides nicht), das ungebildet-prollhafte Personenkultauftreten (hat Sophia auch nicht, nur ich mache einen Kult um sie).

Doch, jetzt indem ich mit Euch über mein Vorhaben rede, glaube ich immer mehr, dass der Unterhaltungsfaktor für meine Umgebung deutlich höher ist, wenn ich mich an Karneval als Erdogan verkleide. Organisatorisch ist das für mich auch leichter als mich in Sophias ganzen Kladderadatsch zu werfen: falscher Schnurrbart (vielleicht lasse ich mir auch noch so eine Rotzbremse wachsen, wirkt dann echter), peinlich kariertes Sakko (muss mal Dobrindt fragen, ob der noch so eins übrig hat), einen stieren Blick und fanatischen Gesichtsausdruck aufsetzen, engstirnig und unverständlich daherreden ("Challadarrahbrummdirrrimmallabadd", was soviel heißt wie "Was erlaubst Du Dir, wie alt bist Du, seit wann bist Du bei Parfumo"). Dazu noch eine Ziege an der Leine mitführen (Sophia Gold steht ja nicht zur Verfügung), der ich selbstverständlich ein paar Strapse anlegen werde, vielleicht auch mehrere Ziegen (eigentlich bin ich ja für die Vieh- und Vielehe für alle). Und aufdieseln werde ich New York Oud von Bond, den, wie Monsieur unten schreibt, idealen Gefährten des morgenländischen Mannes. Vor allem eines alles überwältigen parfümierten morgenländischen Mannes. Vor allem Armenien wird sich damit überwältigen lassen, harrharr ...

Aber ich schweife ab, genug der Allmachtsphantasien. Wie riecht New York Oud denn nun? Nach morgenländischen Haarspray, aber ganz ausgezeichnet, es riecht gewöhnlich, ist aber sauteuer. Ein Duft der Gegensätze. Wie muss ich mir eine Situation vorstellen, in der New York Oud angemessen getragen werden kann, außer an Karneval zu Kölle? Ich will es anhand eines weithin bekannten Meisterwerks beschreiben, ganz passend zum Thema Diktatoren und Allmachtsphantasien: In dem legendären Adolf-Comic von Walter Moers (Band 1, die anderen sind nicht so dolle) gibt es eine Verführungsszene, in der Adolf auf Hermine Goering trifft und von diesem mit New York Oud verführt wird. Okayokay, bevor jemand mosert: Ich muss einräumen, die Wirkung von New York Oud habe ich übertrieben, und gebe zu, etwas heroische Musik, stilecht aus einem Dualplattenspieler (*kracks*) hat bei der Verführung auch eine Rolle gespielt. Der Rest ist, nein, nicht Schweigen, sondern "Johotohoo!". Schweigen möchte man selbst, und zwar aus Höflichkeit. Warum ich diese Szene erwähne? Weil New York Oud nur in so einer absurden Situation richtig in Szene gesetzt werden kann. Man möchte drüber lachen, und gleichzeitig kämpft man mit einer gewissen latenten Hintergrundübelkeit. Und bei alledem macht New York Oud richtig Spaß.
2 Antworten
Kakuska vor 2 Jahren 5 1
1
Flakon
8
Haltbarkeit
1
Duft
"Bocky"
Jeanne Arthes, die Herstellerfirma von Rocky Man, ist Teil der Arthes-Gruppe, einem französischen Parfümunternehmen mit Sitz in Grasse. Nach seiner Gründung 1978 vermarktete das Unternehmen seine Duftstoffe und erzielte zu Beginn der Achtziger mit dem Millionenseller Cobra - an den sich vor allem die nicht mehr ganz so Jungen unter uns erinnern werden - einen ersten großen Erfolg, der es ihm ermöglichte, sich zwischen 1987 und 1995 mehr und mehr mit eigenen Produktionsstätten in Grasse niederzulassen. Cobra, ein auf Parfumo bislang wenig beachtetes und derzeit nur bei einer unverdient schwachen Bewertung liegendes blumig-orientalisches Damenparfüm, kann als Vorläufer von Diors Poison gelten und war zu recht sehr erfolgreich - ungeachtet seiner äußerlich nicht eben ansprechenden Aufmachung ein wahrer Duft für Diven!

Derart Gutes lässt sich über Rocky Man nicht sage. Dennoch war der Duft, habe ich mir sagen lassen, jedenfalls bis Anfang der Neunziger in den Staaten sehr erfolgreich. Es handelt sich, schenkt man der Kategorisierung von Fragrantica Glauben, um einen aromatisch-holzigen Duft; jedoch habe ich dank der, ähem, Großzügigkeit einer auf Anonymität Wert legenden Parfuma heute einen Selbstversuch starten können und rieche den Einfluss holziger Noten - Sandel- und Zedernholz - überhaupt erst sehr spät im Duftverlauf. Die ganze Zeit über wirkt der Duft, um es in aller Deutlichkeit zu schreiben, wie ein billiges Aufreißerwässerchen, das zeitlich vermutlich - ein genaues Erscheinungsjahr konnte ich nicht Erfahrung bringen - einen Versuch darstellt, im Kielwasser des Cobra-Erfolges an dem großen Erfolg der Rocky-Balboa-Boxer-und-Milieu-Filme finanziell zu partizipieren. Mit dem titelgebenden Slumboxer Rocky Balboa hat Rocky Man nur Kampfgeist und Ausdauer gemeinsam - einmal auf der Haut, helfen auch Schrubben und Desinfektionsspray nicht, RM bleibt zumindest bei mir so zäh, anhänglich und draufgängerisch wie Rocky in der Schlussrunde des Moskauer Kampfs gegen Ivan Drago. "Ärrst wänn ärr dodd ist ist ärr dodd!"

Diese Ausdauer, die auf nicht eben hochwertige Inhaltssoffe schließen lässt, steht meinem Wunsch entgegen, dieses Machwerk so schnell wie möglich zu vergessen. Schon direkt nach dem Aufsprühen lässt mich die Kopfnote das Gesicht verziehen, ein penetrant zitruswürziger (Basilikum?) und schon jetzt mit ordentlich Moschus unterlegter Geruch steigt mir in die Nase, der bei nicht einmal bei sechzehnjährigen Highschoolabsolventinnen Anfang der Achtziger gut angekommen sein wird – anders vermutlich als bei ihren gleichaltrigen Abschlussballpartnern, die diese Moschusbrühe als Büchsenöffner in der Hoffnung auf einen Vorcollegeabschuss reihenweise eingesetzt haben sollen. Die an einen muskulösen Männeroberkörper erinnernde Flakonform, die mit einer Pettingszene bedruckte Umverpackung und der im Duftverlauf immer stärker werdende Moschuseinfluss, der gegen Ende holzige Noten nur erahnen lässt, werden denn auch nicht gerade eine Testosteronreduzierung bei der Zielgruppe von RM bewirkt haben!

Bei einer solchen Zielgruppe und deren Einsatzzweck hätte RM eigentlich ein wenig anders heißen müssen. Mit etwas, nun ja, Nachhilfe bis ins Kollektivbewusstsein bei Wikipedia gedrungen ist der Umstand, dass der Rocky-Balboa-Schöpfer und Darsteller Sylvester Stallone sich in jungen Jahren – 1970, sechs Jahre vor dem ersten Rocks-Erfolg - aus schierem Geldmangel als Darsteller in dem Sexfilm „The Party at Kitty and Stud´s“ verdingt hat. Wie es mit Jugendsünden nun einmal ist – irgendwann holen sie einen ein, und so wurde – das ist viel weniger bekannt - „The Party at Kitty and Stud´s“ nach den ersten zwei Rocky-Erfolgen aus dem Schmuddelkiste hervorgezogen, etwas entstaubt, unter dem Titel „Bocky“ neu aufgelegt und mit dem sinnig-griffigen Slogan „Der italienische Deckhengst zeigt wo der Hammer hängt“ (Interpunktion original) beworben. „Bocky“ hätte als Name für RM gepasst wie der Hintern auf den Eimer!
1 Antwort
Kakuska vor 2 Jahren 3 2
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
5.5
Duft
Synthetischer Gigolo
Fred Hayman, der legendäre Begründer der Marke Giorgio Beverly Hills, wuchs in New York, Zürich und Paris auf. Nachdem er das Hoteliershandwerk von der Pike auf gelernt hatte, siedelte er nach Kalifornien um und eröffnete eine Edelboutique in Beverly Hills. Die an der Ecke Rodeo Drive/Dayton Way gelegene Giorgio Beverly Hills Boutique hatte eine für eine Boutique ungewöhnlich große Auswahl an Designer-Klamotten; über ihrem Eingang hing die markant-legendäre gelb-weiß gestreifte Markise. Gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Gale brachte Fred Hayman in den Jahren 1984 bis 1991 drei starke Herrendüfte heraus – 1984 und 1987 die holzigen Orientalen Giorgio for Men und V.I.P. Special Reserve for men sowie schließlich 1991 den schönen, leider eingestellten Lederduft Red for Men. Kurz nach der soap-opera-reifen privaten wie geschäftlichen Trennung von Fred und Gale Hayman wurde die Marke Giorgio Beverly Hills für tapfere 165 Miillionen Dollar an Avon verkauft, und damit begann der langsame Abstieg der Traditionshauses, der seinen vorläufigen Abschluss in der Lancierung des aromatischen Wings for Men fand (das Attribut Fougère werde ich diesem Machwerk nicht zubilligen).

Wings for Men erinnert in vielerlei Hinsicht – nicht nur olfaktorisch – an Invictus von Paco Rabanne. Hier wie dort handelt es sich um den pumpen Versuch, unter Verwendung eines Traditionsmarkennamens an die nach süßlich-oberflächlichen Crowdpleasern gierenden jüngeren Generation anzuwanzen, ohne Rücksicht auf Stil, Geschmack und die den Bach heruntergehende Reptutation der Marke. Eine gewisse Ähnlichkeit zeigt sich auch in der Flakongestaltung - nicht äußerlich, denn an diesen Ausbund von Scheußlichkeit, den Paco Rabanne der verdutzten Duftcommunity vorsetzte, kommt WfM optisch nicht heran, wohl aber im Mangel an ästethischem Bewusstsein. Der WfM-Flakon ist ein eigenartig gebogenes länglich-phallisches Gebilde, das man nach Möglichkeit nur in der Umverpackung in der Öffentlichkeit mit sich herumtragen sollte, andernfalls man ein Strafverfahren wegen Erregung öffentlicher Erregung riskiert. Auch olfaktorisch sind sich beide Düfte in ihrer penetranten synthetischen Süße ähnlich, wobei Invictus einen etwas frischeren Start hinlegt und etwas länger durchhält, WfM hingegen von Anfang an spülihaft ölig daherkommt; nach ca. fünfeinhalb Stunden gab WfM bei mir den Geist auf, Invictus hält deutlich länger.

Trotz aller offen darliegenden Schwächen – je länger ich darüber nachdenke, desto erschreckender finde ich es – hat WfM enormen Schlag bei Frauen, und nicht nur in der Altersklasse U 20. Wer nach der Maxime „Wer Meister werden will, muss überall auswärts punkten“ einen Allrounder-Pantydropper sucht, wird hier fündig. Irgendwie muss ich bei WfM immer an Detective Billy Rosewood aus Beverly Hills Cop denken; der wäre bestimmt nicht nur wegen des Namens und der den Duft dominierenden Rosengeranie auf diesen Schlüpferstürmer hereingefallen.

Zum Abschluss noch eine Anmerkung: Weder mit dem legendären Heaven von Chopard noch mit dem wunderbaren luftig-leichten Seglerduft Quasar hat WfM auch nur die geringste Ähnlichkeit. Beide entstammen zwar annähernd derselben Entstehungszeit, aber damit hat sich´s gottlob auch schon. Die nebenstehende Duftzwillingseinordnung kann ich deshalb nicht nachvollziehen.

2 Antworten
Kakuska vor 2 Jahren 23 7
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Good Morning!
L'Heure Bleue ist das literarisch wohl einflussreichste Parfum der Weltgeschichte. L'Heure Bleue ist im Statement einer Parfuma als "Duft der starken Frau einer anderen Generation" bezeichnet worden. Richtig, und die starke Dame heißt Elleander Morning, die in einem gleichnamigen Roman des Schriftstellers Jerry Yulsman eine der besonders unerfreulichen Gestalten des zwanzigsten Jahrhunderts ermordete, und zwar lange, bevor er zu dem werden konnte, was er später war. Elleander beduftete sich mit drei Tropfen L'Heure Bleue, einen hinter jedes Ohr und einen an die Kehle, bevor sie zur Tat schritt und damit den zweiten Weltkrieg und weitere furchtbare Ereignisse verhinderte.

Zu dieser in Wien ausgeführten Tat - es war Vienna, wo sie es tat, wo sonst? - wie auch zu der glänzend ausgedachten Geschichte passt L'Heure Bleue hervorragend. An die Morbidität des an allen Ecken und Enden wankenden und im Gebälk knirschenden Vielvölkerreichs Österreich-Ungarn erinnert das Zusammenspiel aus nelkenbeeinflusstem Duftherz und irisvanilliger Basis, das sich fast sofort in der Kopfnote bemerkbar macht; nur die ersten dreißig Sekunden lang ist L'Heure Bleue kaum von Auftakt eines weiteren Guerlain-Giganten, dem sechs Jahre älteren Après L'Ondée Guerlain zu unterscheiden, das man meines Wissens nur noch als Eau de Toilette und - anders als L'Heure Bleue - nicht mehr als Parfum oder als Eau de Parfum erhält. Das Konglomerat aus blumiganimalischem und pudrigen Tönen prägt den Duft im weiteren Verlauf immer stärker, bis nach ca. vireinhalb Stunden die Animalik weicht und in einen keiner Veränderung unterworfenen - so nenne ich ihn in Ermangelung eines besseren Ausdrucks - "pampershaft" wunderbaren Drydown mündet.

Leider ist das hier beschriebene Extrait schwierig zu bekommen; in meine Hände gelangte das Extrait vor Jahren durch einen Erbfall. Dem Interessenten dürfte helfen, dass das gleichfalls großartige Eau de Parfum sehr ähnlich ist - anders als das luftigere und dadurch an belle-epochehafter Dekadenz einbüßende Eau de Toilette, dass ich eher an Elleanders Enkelin Lesley vermute.
7 Antworten