LadyLuxifer

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LadyLuxifer vor 5 Jahren 6 2
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
9.5
Duft
Ein Hauch Südsee
Je länger ich mich mit den Düften beschäftige, umso öfter frage ich mich, warum diverse experimentelle Düfte - die als sperrig, schwierig, herausfordernd definiert werden - sich so einer großen Beliebtheit erfreuen?

Der Hype um ausgefallene Düfte ist heute scheinbar größer denn je. Einerseits faszinieren mich der künstlerische Geist und die unabhängige Kraft, die dahinter stecken. Anderseits, jedoch, ist es für mich nur mit großer Mühe vorstellbar solche Düfte tatsächlich zu tragen. Diese Düften triggern mich einfach nicht, sie erschrecken oder überfordern mich; ich fühle mich einfach nicht wohl.

Der Nischenmarkt ist aber erbarmungslos. Jede neue Duftveröffentlichung muss noch gewagter und experimenteller sein. So sagte neulich eine unabhängige Parfumeurin aus London: „If you want to have success, you can’t play it safe.”

Oft erkennen wir in welche Richtung sich etwaige Kunstformen entwickeln werden, und wir können einigermaßen gut raten, was demnächst gehypt wird. Nicht so in der Duftwelt. Da kämpfen Alte gegen die Jungen, Designer gegen Nische…es wird immer ausgefallener. Die Kundschaft kann sich natürlich ob des großen Angebots freuen.

Genau inmitten dieses Kampfes um jeden Kunden positioniert sich Dr. Teone Reinthal stoisch und selbstsicher. Ihre Düfte sind vollständig und garantiert natürlich, mit außerordentlich tiefen Kompositionen, meist einer Chyprestruktur entsprungen. Die Liste ihrer bereits veröffentlichen Düfte ist sehr lang.

Dr. Teone Reinthal steht aber für eine Welt in der Düfte zum Stillstand führen sollten. Es ist ein „time-out“, das uns Teone schenken möchte. Diese besondere Frau ist ein Vorbild. Das Leben versuchte es so oft Teone in die Knie zu zwingen. Sie stand immer wieder auf. In einen Augenblick fast obdachlos – heute Doktorin, Schriftstellerin, begnadete Malerin und eine erfolgreiche Parfumeurin. So geht Leben!

„Ich möchte meine Kunden nicht negativ aufwühlen, das macht das Leben und sein Tempo schon selbst. Meine Düfte sind hier, um den Träger wieder zu sich selbst zu führen und innerlich zu beruhigen…ja, in der Tat, um Dich mit Schönheit wieder zu erden„… sagte mir Teone in unseren letzten Gespräch.

Ein Juwel sticht als strahlend und hypnotisierend besonders hervor. Es ist der erste Signaturduft der australischen Schamanin: „Fred and Ginger Lilly“.

Der Duft ist im Sommer 2018 als Teil der (australischen) Winterkollektion gelauncht worden. In diesem Duft dreht sich alles um die Ingwerlilie. Jeder, der mal die Südsee besucht hat wird durch diesen Duft prompt an den ersten Augenblick erinnert, als man durch eine frisch-würzige Süße in der Luft begrüßt wird.

Exakt so riecht „Fred and Ginger Lilly“ in den ersten Minuten. Durch das stark präsente (von Teone selbst vakuumdestillierte) Eichenmoos offenbart der Duft auch eine herrliche Kühle. Es ist der perfekte Sommerduft.

Nach vielen Stunden wird der Duft dann ein bisschen erwachsener. Die jetzt klar erkennbare Chyprestruktur ist von einer bezaubernden Schönheit. Jetzt erinnert der Duft an die schönen Augenblicke beim Abendessen draußen, irgendwo auf Maui.

Jetzt verstehe ich, was mir Teone sagen wollte. Ihre Düfte entführen aus dieser hektischen Welt in eine Welt des Lächelns, Gesangs und guter Speisen inmitten schönster Orte dieser Erde.

Dieser Duft ist definitiv nicht europäisch-kommerziell. Die Duftindustrie würde sagen dass es an Strahlkraft und Ausdauer fehlt. „Fred and Ginger Lilly“ spricht mit einer leisen Stimme.

Es muss nicht immer laut und kompliziert sein, manchmal ist ein einfaches und leises „Ich liebe Dich“ alles, was wir brauchen.
2 Antworten
LadyLuxifer vor 5 Jahren 29 10
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Duft
Der Schokobrunnen
Nikolay Eremin ist eine scheue und zarte Seele. Das kann man von seinen Düften definitiv nicht behaupten.

Seit fast drei Jahren verbindet meinen Mann und Nikolay eine tiefe Männerfreundschaft, eine echte Bromance. So kam auch ich in den Genuss Nikolay’s Düfte zu probieren.

Um diesen charismatischen Russen besser zu verstehen war ich gezwungen Parallelen zu ziehen und nach ähnlichen Seelen zu suchen. Eines Tages entdeckte ich große Nähe zum Wesen von Vincent van Gogh. Vincent van Gogh war ähnlich missverstanden, während seiner Lebzeiten von Schmerz und Selbstzweifel getriebener Mensch und Künstler.

Auch Nikolay’s Düfte (die meisten) sind getränkt mit Weltschmerz, der für Außenstehende nur schwer begreifbar ist. Er verrennt sich mit eigener Vorstellung von künstlerischer Freiheit, um kurz daraufhin - mit seiner Entschuldigung dafür - zurück zu rudern…einerseits provokant, anderseits hypersensibel flimmernd. So verhält es sich auch mit seinen duftenden Kreationen, viele davon sind brachial und fast verstörend; sie kollidieren regelrecht mit dem Grundgedanken des Auftragens eines Duftes wie… die eigene Person erhellen, erheitern, erheben etc.

Viele von Nikolay’s Kreationen ziehen mich regelrecht ins Abyss der Melancholie; sie sind von einem unerträglichen Gewicht und sprechen mit einer Stimme, die ich (noch) nicht verstehen kann. Zwar ziehen mich „gewagte Düfte“ magisch an, aber Nikolay kommt aus einer ganz anderen Dimension. So zum Beispiel auch seine neue „Collection 2019“; mein Mann könnte sich von jedem einzelnen „ein Bad einlassen“ – für mich sind sie, mit einer Ausnahme (Rebel Angel), alle überladen und kakophonisch. Ich schätze, ich bin einfach noch nicht so weit.

Aus seinen Schaffensreihen gefallen mir am besten die Düfte aus der „The Sticky Sweet Collection“ und „The Pompadour Collection“ weil Sie sichtbar durch die Düfte des frühen XX. Jahrhundert inspiriert sind. Nikolay schert sich wenig um die IFRA und die EC Regularien, deswegen darf ich bei ihm Düfte in ihrer vollen Pracht und Opulenz genießen.

Die liebe Santalwalti fragte mich heute provokant, ob ich soweit wäre meinen ersten Kommentar zu schreiben. Liebe Walti, das ist für Dich…

Mandala of Desires startet mit einem Dufterlebnis wie in einer noblen Chocolaterie oder Pâtisserie. Es duftet nach edlen Liqueur Pralinés, ein Gedicht aus fruchtigem Liqör, feinsten Röstaromen und verführerisch bittersüßer Schokolade. Es ist ein narkotisch euphorisierender Moment, der die Leidenschaft erweckt und ein Lächeln ins Gesicht zaubert, das nicht mehr verschwinden will. Ich fühlte mich für einen Augenblick wie Juliette Binoche in Chocolat.

Der nächste Augenblick ist der mit Abstand schönste im Duftverlauf von Mandala of Desires, weil zwei wunderbare Welten zu verschmelzen beginnen. Es ist als ob neben der Chocolaterie sich ein Blumenladen befindet. Beide Geschäfte öffnen, aus einem strömt der wunderbare Schokoladengeruch, der sich mit einem sinnlich aphrodisierenden Blumenduft vermischt und geradezu von pulsierender Erotik strotzt.

Mandala of Desires ist betörend equisit und macht happy und verspielt. Dieser Duft bringt die Lust am Leben und das Gefühl der Sorglosigkeit zurück. Ich glaube, dass an dem Tag, als Nikolay Mandala of Desires schuf, es ein sonniger Sontag war und die Straßen von St. Petersburg verlassen und ruhig waren, Herr Eremin glücklich und vielleicht sogar verliebt war.

Entstanden ist ein Duft mit cognacdunkler Farbe, der einen packt und nicht mehr loslässt. Die Aura des Duftes erlebe ich als ein Verlauf von sensiblem Indigoblau zu pulsierenden Violett.

Mandala of Desires ist ein Duft, der auch Nikolay daran erinnern sollte, wie wenig wir brauchen, um glücklich zu sein: „…ein kleiner Biss genügt!“
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