Landlord

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1 - 5 von 86
Landlord vor 9 Monaten 8 8
9
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Das isser! - Oder: Elegant umwölkt für jeden Tag.
Kennt Ihr das Gefühl? Ihr sprüht ein Parfum auf... schnuppert... riecht... kriecht regelrecht rein in Eure Haut... und Ihr habt nur einen Gedanken: DAS ISSER! Okay, sagt Ihr Euch, jetzt mal ganz ruhig bleiben. Es ist nur ein Parfum. Kein Grund auszuflippen. Erstmal analysieren. Und wieder schnuppert ihr... kriecht regelrecht rein in Eure Haut... und Ihr habt nur einen Gedanken: DAS ISSER! Und das wiederholt sich. Nach einigen Minuten, einigen Stunden, wieder und wieder. Bis Ihr nach gut 12 Stunden innerlich schreit: Bitte bleib, geh´ nicht!

Puh, das ist mir lange nicht passiert. Sehr lange. Aber Férets L'Eau de Monsieur haut mich wirklich nieder. Aber warum nur? Ehrlich, ich kann es Euch schwer beschreiben. Dieses L'Eau ist tiefgründig, viele Schichten, die changierend ständig ihre Positionen wechseln. Wenn ich es denn beschreiben müsste, würde ich sagen, auf den ersten Sprüh rieche ich herb-würzige Herren-Nusstorte. Aber das klingt furchtbar gourmandig. Dabei liegt darüber, darunter, wo auch immer, eine leicht scharfe frische Pfeffrigkeit, die das Abdriften ins Cremig-Breite verhindert. Im Namen haben wir Patchouli und Lakritz. Ja, es gibt Anklänge daran. Die Schärfe des Lakritz, kombiniert mit der Erdigkeit des Patchouli, meinetwegen. Und wenn die Schärfe nachlässt, dann wird der Duft holziger, erdiger, würziger. Vetiver muss im Spiel sein. Und Myrrhe. In der Basis, nach einigen Stunden wird er warm und wärmer und entströmt einfach nur der Haut wie ein tiefer balsamischer Eigengeruch. Ich liebe das!

Das klingt jetzt alles nach einem schweren, klebrigen Elixier? Und das ist das Verrückte, genau das ist dieses L'Eau de Monsieur nicht, eher eine schwebende Wolke, die den (reiferen?) Herrn in jeder Lebenssituation aufs eleganteste umgibt. Einfach. Raffiniert. Oldschool. Passt. "L'Eau de Monsieur kleidet Sie und unterstreicht Ihre Eleganz im Alltag. Dieser Duft wird schnell zu Ihrem täglichen Reflex werden." - so lese ich auf Férets Website. Und tatsächlich, die Werbetexter haben - ausnahmsweise - nicht übertrieben!

Zu allem Glück kommt hinzu, dass Féret sein extrem hochwertiges Parfum zu einem sehr sehr fairen Preis anbietet. Wir haben hier eine Duftölkonzentration von 20%! Damit bewegen wir uns schon in der Zwischenwelt von EdP und Extrait. Entsprechend reichen feine Sprüher für einen langanhaltenden Genuss. Und dann noch der augenzwinkernd gezeichnete Dandy im hellblauen Anzug auf dem cremefarbenen Karton, der schlichte Flakon mit dem eleganten Schriftzug. Was soll ich sagen, ich wiederhole mich: DAS ISSER!
8 Antworten
Landlord vor 3 Jahren 13 7
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der Weg ist das Ziel!
Was hat Didier Gaglewski, Independent-Parfumeur aus der Parfumhauptstadt Grasse, hier für einen wunderbaren Duft geschaffen! Er nimmt uns mit en chemin, auf den Weg. Ganz offensichtlich auf einen, der durch den Süden Frankreichs führt, allerdings in abgelegenere Gegenden. Ich erinnere mich, von der Cote d`Azur zum Grasser Becken zieht sich ein etwa 20 Kilometer breiter Streifen überraschend dichter Besiedlung. Den muss Gaglewski hinter sich gelassen und durchs karge, nördlich gelegene Bergland gestreift sein, wo die Dichte der Besiedlung abrupt abnimmt und die trubelige Cote d`Azur Welten entfernt scheint.

Früh am Morgen bricht er auf, der Eukalyptus riecht noch frisch, dunkelwürzige Kräuter und Hölzer unterm Morgentau bescheren einen intensiven Nasenschmaus. Schnell jedoch steigt die Sonne höher, der dunkelwarme Geruch der leicht staubigen Macchia setzt sich durch. Weiche, erdige, würzige Aromen liegen in der Luft und lassen seine Nasenflügel blähen. Am Mittag treten die erdigen Düfte zurück zugunsten gourmandig anmutender Gewürze, unter denen die Nelke angenehm hervorsticht. Am Nachmittag gesellen sich leichte Rauchnoten hinzu. Im magischen Abendlicht, das sich übers nahe Mittelmeer ausbreitet, tritt er den Heimweg an, um umgehend diesen Tag in Duft zu gießen!

Das gelingt ihm außergewöhnlich schön. "En Chemin" ist ein absolut solitärer Duft, den ich mit keinem anderen vergleichen kann (was inzwischen selten genug der Fall ist), der bisher beste Gaglewski (soweit ich sein Portfolio kenne) - und äußerst männlich inszeniert! Die Haltbarkeit reicht für eine ausgiebige Tageswanderung von mindestens 8 Stunden, die Sillage ist anderthalb Stunden lang richtig gut, wird dann etwas hautnäher, bleibt für den Träger aber bis zum Drydown gleichmäßig präsent erhalten. Nach langer Zeit mal wieder ein Duft für meine Wunschliste - und das nicht nur, weil Didier sooo sympathisch ist, sondern weil er wirklich ganz großes und sehr tragbares Duftkino geschaffen hat!

Wer die "Nase" aus Grasse noch nicht kennt, hier unser Interview mit ihm: https://www.parfumo.de/Benutzer/ParfumoBlog/Blog/Eintrag/interview-mit-didier-gaglewski-aus-grasse
7 Antworten
Landlord vor 3 Jahren 11 4
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Willkommen im Designwald 3.0
Gut, wir wissen es ja: Mehr oder minder alles, was wir in Parfums erriechen, ist Chemie, der Natur nachempfundene Moleküle, die unser Hirn narren. Oft liegt das Bestreben der Duftkünstler*innen immerhin darin, im Nachbau der Natur so gut zu sein, dass die Illusion perfekt ist. In Fougère Furieuse ist nicht die Illusion der Natur perfekt, sondern die Natur zur Perfektion überhöht. Jean-Christophe Hérault, Créateur mehrerer Les-Exceptions-Düfte, hat hier wahrlich den perfekten DESIGNWALD erschaffen!

Beim Betreten dieser 3-D-Animation von Wald umfängt mich eine synthetisch anmutende Mélange aus Bergamotte und Rosengeranie, grün würzig mit leichter Blumenstängelnote. Ich dringe tiefer in den Wald, seine Design-Aura versüßt, vergurkt und versauert sich gleichermaßen. Staunend inhaliere ich den Duft üppiger "Kunstblumen und Neonmoos"*, die den Boden bedecken. Über Stunden verliert sich langsam die Schärfe des Geruchseindrucks, er wird sanfter und ätherischer... Am schönsten ist dieser Duft nach 18 Stunden, meine Haut fühlt sich an wie von zartem grünen Mikroplastik-Puder bestäubt...

Alles an Fougère Furieuse ist wabernd künstlich overdosed, ein synthetischer Duft in höchster Perfektion, perfekt geeignet für eine olfaktorisch aufgepeppte 3-D-Animationskino-Vorstellung von "Alice in Wonderland"! Irgendwie fazinierend - wenn auch nicht meine Welt. Bitte sicherheitshalber nur in der Freizeit tragen.

* Zitat entnommen dem Statement des hochgeschätzten Yatagan in seiner ihm eigenen Prägnanz (s.u.).
4 Antworten
Landlord vor 3 Jahren 21 10
8
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Erfrischung für den Doktor und das liebe Vieh
Lange suchte ich als bekennender Anglophiler nach einem typischen Duft fürs englische Landleben. Einige Penhaligon`s, Floris, Taylor of Old Bond Streets` et. al. gingen durch meine Hände, respektive meine Nase. Überzeugen konnte mich keiner so recht. Und wenn es einen schönen gab, so waren Ausdauer und Ausstrahlung doch arg britisch "understated".

Aber irgendwo musste er doch zu finden sein, der Duft, den Siegfried Farnon, der bärbeißige, schlitzohrige und gerade deshalb furchtbar liebenswerte Tierarzt, leidenschaftlich verkörpert durch den inzwischen verstorbenen Robert Hardy, in meiner Vorstellung vielleicht aufgelegt hätte. Denn mit dem Serienstart von "All creatures great and small" (oder eben "Der Doktor und das liebe Vieh") begann mein Herz für alles Britische höher zu schlagen. Damals war ich 13, heute bin ich 40 Jahre älter - und damit genau in dem Alter, in dem Robert Hardy die ersten Staffeln drehte. Wenn das kein gutes Omen ist für einen Test von "English Lavender"!

So, genug nostalgisiert, was gibts denn nun zu riechen? Nun, Lavendel. Sicher. Im Auftakt durch Bergamotte und Salbei würzig befrischt, im Laufe der Zeit sanfter werdend. Warmes Rosenholz, Moschus und Tonkabohne sind nicht explizit zu erriechen, sorgen aber für eine dauerhaft weiche Lavendelfrische. Seine Prägnanz verliert der Duft nie. Eine frisch-feuchte Wiese in den Yorkshire Dales bei Sonnenschein. Zum Reinlegen. Und das sogar über ausdauernde sechs bis acht Stunden! Funktioniert auch an einem schneeregigen Januartag. Bin gespannt, wie er seine Qualitäten im Frühling ausspielen wird!
10 Antworten
Landlord vor 4 Jahren 21 14
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Verwegenheit auf Englisch
Mattschwarzer Karton. Geprägte Goldschrift. Ein Herr mit steifem Kragen, Zylinder, Monokel und Zigarette in der Spitze. Ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt das Motiv, das "Raffish" ziert. Aber nur für diejenigen, die die Marke dahinter nicht kennen: THE CHAP ist ein humorvolles Herrenmagazin, das seit zwanzig Jahren genüsslich mit den Traditionen britischen Stils spielt und sich selbst dabei nicht allzu ernst nimmt.

Durchaus ernst nehmen kann man inzwischen aber den Ausflug des Herausgebers Gustav Temple in die Welt der Parfums. Nach dem männlich-blumigen Cologne für Spaziergänger "Flaneur" hat er unter der Marke seines Magazins jetzt den zweiten Duft "made in England" aufgelegt, wie es stolz auf der Rückseite der Umverpackung prangt. In der Kopfnote gefällt eine floral flankierte Mandarine, zu der sich ein wenig Nelke gesellt - das einzige Gewürz, das ich zu erriechen glaube. Richtig ausspielen tut dieser Duft seine Qualitäten nach etwa einer Stunde. Die schwarze Johannisbeere, die ich in Parfums sehr mag, nehme ich leider nicht wahr. Dafür ist die Basis aus leicht süßlich ambriertem Sandelholz wirklich schön und rund. Je länger "Raffish" aufgetragen ist, desto dunkler und wärmer wird er und scheint direkt der Haut zu entströmen. Ein Wohlfühlduft für den reiferen Mann, der - sehr ordentlich für ein EdC - für die Dauer eines langen Abends hält!

Der Name "Raffish" (gleich "Verwegen") mag uns irritieren, wenn wir vermuten, es handle sich um einen Duft für abenteuerlustige Piraten oder halsbrecherisch agierende Doppeldeckerpiloten. Nein, es ist die Verwegenheit des eingangs beschriebenen Herrn in Zylinder und Monokel, der lachend den besten Champagner bestellt, nachdem er hohe Einsätze im Roulette verlor - und dabei auch noch verdammt gut riecht. Und, ja, er ist aus der Zeit gefallen. Aber das ist gerade so tröstlich an ihm in diesen Zeiten, aus denen man gelegentlich selbst gerne fallen möchte...
14 Antworten
1 - 5 von 86