Lapislazuli

Oha, dieser Lutens hinterlässt mich einigermaßen ratlos. Keine Ahnung, was Christopher Sheldrake frühstückt, angebrannten Toast getunkt in mit Karamellsirup gesüßten Milchkaffee? Da es in alten englischen Landhäusern immer ein wenig zu kühl ist, glimmt harziges Holz im Kamin vor sich hin. Woher kommt nur dieser Geruch von verschmortem Plastik? Hat da wieder jemand gekokelt?
Kokos? Süßholz? Aprikose? Glaub ich nie und nimmer. Aber süß genug für einen Gourmand.
Wenn ein englischer exzentrischer Parfumeur für einen ebensolchen Franzosen einen Duft kreiert, muss wohl Kunst dabei herauskommen. Das ist extrem auf die Spitze getrieben, abstrakt, artifiziell und untragbar - oder gerade…. Reichlich aufgesprüht vor einer Verabredung mit Freunden, die einen eher konservativen Geschmack haben, seitdem werde ich für ein wenig schräg gehalten.
Was aber wäre das Leben ohne Farbe, insofern bin ich CS und SL dankbar für dieses Dufterlebnis der besonderen Art. Und ich habe noch ein wenig von dieser Probe, für jene Tage, die so grau und gleichförmig scheinen…

L´Ombre dans L´Eau ist für mich der „große Wurf“, der den meisten Dufthäusern nur ein- oder zweimal gelingt, und so gibt es ihn in allen möglichen Formen von der Seife bis zum Roll-on, nur als Eau de Parfum bislang nicht. Dies wurde kürzlich geändert, die Versuchung, nach so vielen Jahren ein wenig daran herumzuformulieren, dürfte groß gewesen sein. Dies gleich zu Beginn: er ist unverändert schön wie eh.
Diptyque hat es mir nicht leicht gemacht, zu probieren, online wird nicht nach Deutschland verschickt, keine Boutique in der Nähe und alzd hatte - selbst auf Anfrage - keine Proben. Glücklicherweise konnte ich eine Parisreisende motivieren, im Boulevard St. Germain No. 34 vorbeizuschauen, die Spannung stieg…
Simultan auf beide Handgelenke gesprüht: Das stechend grüne Blatt zu Beginn erinnert mich an ganz frisch geerntete Tabakblätter, die auf lange Schnüre zum Trocknen aufgezogen werden (ich kenn das aus dem Oderbruch), aber bald schon blühen die Rosen, taubenetzt und langsam von der Sonne erwärmt, während das Grün präsent bleibt. Das EdP nimmt in etwa die selbe Entwicklung wie das EdT, die Erhöhung der Konzentration bewirkt aber, dass das Ganze runder und weicher ist. Englische Landhausrosen in voller Blüte mit einem Anklang an Johannisbeeren, während beim EdT noch Knospen und spitze grüne Blätter stechen. Das ist pure Schönheit, und so ist es mir recht, dass sich im weiteren Verlauf nicht mehr viel ändert, aus diesem Garten möchte ich nie mehr vertrieben werden…
Erwartungsgemäß ist das EdP präsenter und hält und hält.
Die obenstehende Frage ist für mich relativ klar beantwortet: sollte es in diesem Jahr einen wie auch immer gearteten Gutschein zum Geburtstag geben, ist er meiner.

Botanisch ist die Amaryllis (Belladonna-Lilie) ein Zwiebelgewächs aus Südafrika mit rosafarbenen imposanten Blüten und feinem Duft ohne Laub während der Blüte, so dass sie im engl. auch Naked-Lily genannt wird. Um die Verwirrung komplett zu machen, werden unter dem Namen Amaryllis gern die rotblühenden Rittersterne verkauft, die nicht zur selben Gattung gehören und nicht duften.

Die langerwartete Probe kam im Frühling und nach kurzem, etwas enttäuschendem Antesten landete sie auf Wiedervorlage. Alles hat seine Zeit, nun ist es Herbst, und siehe da: es ist Liebe!

Auftakt: warmwürzige Gewürznelke auf kaum merkbarer Bergamotte, die genannte marine Note salzt höchstens ein wenig.

Auftritt Amaryllis: füllig, honigsüss, exotisch. Man mag gerne glauben, dass die dunkelroten, samtenen, fleischigen Blüten mit den goldfarbenen Staubblättern und einer beinahe erotischen Anmutung der oben genannten (falschen) Amaryllis so riechen könnten. Ich würde es einen Lilienakkord nennen, der mit Tuberose und Ylang kunstvoll mit Karamell und dem angeführten Räucherwerk verwoben wurde, bestes englisches Parfümeurshandwerk.

Am Ende fallen die Blüten in ein weiches Bett aus delikater Vanille, Heliotrop und Patchouli, lange nach dem Auftragen kann ich diesen schönen Duft noch wahrnehmen, bevor er leise ausklingt.

Seelenwärmend, dabei aber kalorienärmer als all die Leckereien, die an grauen Herbstagen das Leben angenehmer machen…

P.S. Erinnert vielleicht an Penhaligons Amaranthine.

Diesen Flakon besitze ich schon seit seinem Erscheinen. Ich wurde seinerzeit im Printemps in Paris gegen meinen Willen damit besprüht, kannte die Firma nicht, hatte keinerlei Erwartungen aber einen ermüdenden Einkaufsbummel hinter mir. Irgendetwas aber war daran, er fesselte plötzlich meine ganze Aufmerksamkeit, sehr zu ihrem Mißvergnügen musste meine jugendliche Begleiterin dann den ganzen Weg mit mir zurück und diesen Flakon erwerben. Das war mein Einstieg in die Welt jenseits des Mainstreams, heute bin ich um viele Erfahrungen reicher und folgerichtig in diesem Forum gelandet. Ein Kommentar zu meinem „Erstling“ war mir eine Herzenssache.
Ein „moderner Chypre“ wie beworben ist er sicher nicht und auch die Orientalen-Assoziation des Namens führt in die Irre. Der Auftakt ist typisch Ellena, leicht zitrisch mit zunächst jeder Menge Beeren, rote, schwarze samt einer leichten grünen Säure und leitet schon zum eigentlichen Thema über, denn für mich ist dieser Duft ein Gourmand, glücklicherweise ein unsüsser. Dazu gesellen sich Blumen, das angegebene Maiglöckchen und der Flieder, Rose eher im Hintergrund. Fruchtig blumige Mixturen sind zur Zeit in Mode, diese hier unterscheidet sich in der Qualität aber um Welten von den meisten gängigen, was auch an der Verwendung eines unerhört dunkelkakaoigen Patchoulis in der Basis liegt. Der ist für mich das Highlight dieses ansonsten in Wasserfarben gemalten Duftes, himmlische dunkle Edelschokolade mit dem Aroma von schwarzen Johannisbeeren und Veilchen, mit der man mich in jeder noch so stressigen Situation glücklich machen kann….
Ein Ganzjahresduft für jede Gelegenheit, aber ohne die Gefahr, seine Mitmenschen mit seiner Duftaura zu erschlagen. Die Haltbarkeit ist wie bei allen TDC eher mittel, man sollte schon ein Stück Stoff mit einsprühen.

P.S. Was ist eigentlich ein moderner Chypre?

Gibt es eigentlich noch andere Düfte mit einem so schönen Patchouli-Akkord?

Nachsatz 2014: Nach gut zwei Jahren Parfumoerfahrung füge ich hinzu, dass ich mittlerweile Veilchen prominent herausrieche und das für mich diesen "französischen Twist" ausmacht. Beeren und Blumen eher abstrakt und mittlerweile habe ich so heftige Patchouli-Gesellen probiert, dass ich dankbar bin, hier nur die gesittete Variante wahrzunehmen.
Gehört immer noch zu meinem festen Repertoire!

mit dem fiegelienschen Linksgewinde - beinahe hätte ich zum Öffnen des Flakons die Brechstange herausgeholt.
Man könnte unterstellen, mit diesem Design-Gag, der bewußt auffälligen Farbgebung und dem schlichtschönen Flakon von einem schlichteren Inhalt ablenken zu wollen. Hat man aber gar nicht nötig.
Mit dem ersten Sprühen habe ich sofort die erwartete Zitrusnote in der Nase, konterkariert von ein wenig Angelika, aber nicht medizinisch - nur ein wenig ins Würzige drehend. Erster Pluspunkt also, aber da sollte ja noch mehr kommen. Da der Beginn recht heftig ist, eine kleine Ablenkungspause.
Nach 10 Minuten ist der Cologne-Auftakt wärmeren, würzigen Noten gewichen. Einzelne Bestandteile auszumachen, fällt mir von jeher schwer, sie sind auf der Vorderseite des Flakons abgedruckt. Ich meine Lentisque zu erkennen, anderswo habe ich Mastix gelesen, ein paar heitere Blüten, Zimt würzt im Hintergrund, die Basis aus Cistus, Bezoin, Ambrette-Samen und ein wenig Moschus ist für meine Begriffe genial. Das Ganze klingt nach einem opulent-dunklen Parfüm, die Namensgebung heizt die Phantasie an - aber TdC hat ein anderes Konzept: der Duft ist schwebend, durchscheinend, edle Ingredienzien sind luftig miteinander verwoben. Ein Abend auf einer Terrasse am Mittelmeer, der Wind weht den würzigen Duft der Maccia herüber, in der Nähe blühen Sträucher, die Luft fühlt sich an wie Seide...
Selbst auf der Terrasse in der norddeutschen Mittagssonne, in diesem Sommer, der eigentlich "ein grün angestrichener Winter ist", funktioniert dieser Duft.
Die Haltbarkeit entspricht einem Cologne, man kann etwas kräftiger sprühen.
Und sollte es in diesem Jahr nichts mit dem Sommer werden, nichts wie ab ans Mittelmeer...