MelBushman

MelBushman

Rezensionen
MelBushman vor 8 Jahren 65 18
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Der Initiationsritus
Faul lümmle ich mit Zeitung, Laptop und Fernseher am Frühstückstisch als mich mein Hund Manfred mit Dauergenöle zum Gassigehen nötigt.
Im heimischen Forst beobachte ich neidisch, wie Manfred verzückt an jedem Baum sein Bein hebt und genieße die würzige feuchte Stille, die uns einhüllt. Dieser Duft nach Holz und Erde, Freiheit und Kameradschaft - könnte diese Erfahrung nicht in einem Duft synthetisiert werden? Nachdenklich gehe ich mit Manfred nach Hause.

Beim Durchwühlen von Parfumo werde ich fündig und notiere mir Diverses.
Es wird Zeit, dass ich mich als würdiges Mitglied diesen illustren Kreises erweise, den Initiationsritus des echten Parfumos durchschreite, mein erlerntes Wissen anwende. Muss ich noch ein paar Katzenbilder auf meine Seite laden?

Nachts wälze ich mich unruhig hin und her. Ich träume, dass der zylindertragende Seitenbetreiber von Parfumo mich mit einer riesigen Flasche 4711 durch ein dunkles Labyrinth jagt .
Als ich schweißgebadet erwache steht mein Entschluss fest: Ich werde heute bei Douglas einen Abstecher machen, der Tag meiner Eignungsprüfung ist gekommen.

Sorgfältig wähle ich mein Outfit für diesen Anlass um mein Anliegen einer maskulinen Walderfahrung beim Personal zu visualisieren. Aus dem Spiegel blickt mich ein Hybrid von Reinhold Messner und Bobby Ewing an, Perfekt! Lächelnd werfe ich meinem Spiegelbild ein Kusshändchen zu.
Meinen Spickzettel , den ich mir gestern bei Parfumorecherchen zusammenschrieben habe, stecke ich in die Jackentasche. Ich möchte ungern als unwissender Dufteumel von den Damen eingestuft werden-.

Schwungvoll betrete ich die Douglasfiliale und ein bezauberndes Wesen mit Glitzerohrringen schwebt verbindlich lächelnd auf mich zu. Ich schildere ihr mein Anliegen: feuchte Erde, hohe Tannen, viel Holz und einen Schuss Melancholie. Ich strahle sie an und fühle mich als echter Parfumo, eingeweiht in die Mysterien der Kopf-Herz-und Basisnoten.
"Ich bin ein Parfumo!" schiebe ich nach und fühle mich wie weiland John F. Kennedy.
Sie sieht mich bewundernd an, führt mich wortlos an den Tisch mit den Neuerscheinungen und fängt an, mir wahllos Düfte auf Papierstreifen aufzusprühen mit ganz uninspirierten Kommentaren, wie: "Grade neu reingekommen", "Wird gern gekauft", "Kommt gut bei Männern an".
Nein, sie hat mich nicht verstanden. Als ich erneut zum Erklärungsversuch ansetze wird ihr Lächeln etwas bröselig und ich werde an die Männerregale verwiesen "Sie können sich gern selbst umsehen".
Oh , Servicewüste Deutschland...

Ich schnappe mir einen Berg Papierstreifen, zücke unauffällig mein Spickzettelchen und fange an, mich wild durch die Regale zu testen, zeige mich kompetent indem ich den Streifen unter meiner Nase hin-und herwedle und markiere die Streifen sorgfältig mit dem jeweiligen Namen .

Inzwischen hat Glitzerohrring scheinbar Verstärkung angefordert und nun stehen da 3 hübsche Douglasien und beäugen mich von weitem.
Ich winke ihnen fröhlich mit tränenden Augen durch den Alkoholnebel zu und teste fleißig weiter. Offengestanden habe ich mich schon längst entschieden und rieche auch schon längst nichts mehr , aber ich will auf keinen Fall den Eindruck der Anspruchslosigkeit erwecken.

Die Geschäftsführerin, deren faltiges Gesicht aussieht wie ein Experiment von Bob Ross für
"Malen-nach-Zahlen" , stellt sich neben mich und fragt streng: "Haben Sie sich schon entschieden?"
"Nein!", kontere ich und blicke ebenso streng zurück.
Ihr Gesicht fällt zusammen wie ein bunter Luftballon und beleidigt gibt sie auf .

Nach einem ausführlichen Niesanfall flüchte ich aus der nun bestialisch stinkenden Männerecke , schiebe die unzähligen Papierstreifen in meine Jackentasche und schnappe mir im Vorbeigehen noch eine Fältchencreme, um einen guten Eindruck bei Glitzerohrring zu hinterlassen.

Als ich an der Kasse zahle bemerke ich eine gewisse Verunsicherung, verängstig drängen sich die Mitarbeiterinnen aneinander : Halten die mich für einen Parfum-Terroristen?
Ich schenke Glitzerohrring ein lässiges Lächeln voll männlicher Überlegenheit und beruhige sie: "Sobald ich eine Auswahl getroffen habe , komme ich wieder vorbei!".
Die aufkeimende Panik in ihren Augen interpretiere ich als Abschiedsschmerz.

Zuhause hole ich die unzähligen, sorgfältig beschrifteten Papierstreifen aus meiner Jacke und breite sie auf dem Couchtisch aus. 32 Stück!
Innerhalb weniger Minuten riecht mein Wohnzimmer unerträglich. Bis auf einen Streifen versiegle ich den Rest in einer Frischhaltetüte, Die bringe ich meinem Freund Karl mit, seine Junggesellenbude kann eine Duftdusche ertragen.

Diesen einen Papierstreifen halte ich genüsslich unter meine verätzten Nasenschleimhäute: Hier ist er, mein Wald, feucht und erdig, dunstig und melancholisch. Schon der Name: Rocky Mountain Wood, genau das richtige für einen urbanen Paul Bunyan wie mich!

Zufrieden räkle ich mich auf dem Sofa mit einem Eisbeutel auf meinen verquollenen Augen: Meinen Initiationsritus habe ich mit Bravour bestanden! Jetzt erst bin ich ein echter Parfumo! Don kann stolz auf mich sein!

Ich denke an Glitzerohrring. und bekomme unbändige Lust auf einen erneuten Besuch bei Douglas! Am Besten gleich morgen!
18 Antworten
MelBushman vor 8 Jahren 73 14
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Brust oder Keule?
Hier im Süden brennt die Sonne schon frühmorgens wie ein gelber Pfirsisch vom Himmel, als ich eine SMS meines Freundes Karl auf dem Handy finde: "Badesee? Um 12:00?"
Warum nicht, ich habe seit heute Urlaub, 3 faule Wochen liegen vor mir.
Also, rein in die Badehose, das Notwendige in die Badetasche gepackt, ein Spritzer Creed in den Nacken: Badewonnen in der Sonnen, Bushman kommt!
Von Limettenduft umweht werfe ich mich an den Badestrand des naheliegenden Sees und döse mit geschlossenen Augen in der Sonne.
"Könnten Sie mir den Rücken einölen?" Ich blinzle mit zusammengekniffenen Augen in die grelle Sonne.
"Bitte!"
Nun sehe ich sie: Schwarzes glattes Haar bis zur Hüfte, ein Nichts von einem Bikini, schräge dunkle Augen und 2 Reihen blitzweißer Zähne.
Volltreffer, ich fühle mich wie einst Marlon Brando auf der Bounty.
Als ich das intensiv duftende Kokosöl auf ihren Rücken einmassiere, sauge ich den süßen Jasminduft ihrer Haare ein. Im Hintergrund spielt ein unsichtbares Radio "Summer wine" von Nancy Sinatra.
Sie dreht sich um, ihr schönes Gesicht ist nun ganz nah. Als sie den Mund öffnet glaube ich, weißen Rum riechen zu können. Hatte sie sich Mut angetrunken?
Als ich sie küssen will, wendet sie sich lachend ab und beißt mir spielerisch in den Oberarm. Aua! Ich versuche den einsetzenden Schmerz zu ignorieren, als sie mich aufs Ohrläppchen küsst und leise wispert: "Brust oder Keule?"
Da ich nicht genau weiß, was sie damit meint, halte ich meine Augen geschlossen und belasse es bei einem genießerischen Grunzlaut.
Als ich sie nun endlich küssen will, bemerke ich, dass dieser köstliche Kokos-Jasmin-Rum- Tropen-Cocktail von einem anderen, weit profaneren Geruch verdrängt wird: Der Geruch gerösteter Haut!
Im gleichen Augenblick brüllt sie mich nun deutlich lauter an: "Brust oder Keule?"
Was???
Verstört reiße ich die Augen auf und sehe bleiche, haarige Beine, die zum meinem Freund Karl gehören. Er hält einen Teller in der Hand, den er steif von sich hält, als wolle er eine Kollekte abhalten.
"Sag mal, pennst du? Ich hab uns vom Hendl und Haxen ein halbes Hähnchen mitgebracht! Was willst du denn nun? Brust oder Keule?"
Verwirrt sehe ich mich um. neben mir liegt eine Mutti mit 2 Kleinkindern aus deren Kofferradio der SWR1 Moderator unerfreuliche Nachrichten in den Äther plärrt.
Ich sehe Karl an, der inzwischen befremdet meinen Oberkörper inspiziert. Ich halte meine Badetasche aus Nylon fest an mich gepresst und auf meinem Oberarm leuchtet ein fetter Insektenstich .
Ermattet und verwirrt lasse ich meinen Kopf wieder auf das Badelaken sinken während Limetten und Kokos dem Hähnchenduft trotzen und flüstere mit heiserer Stimme: "Brust! Bitte!!"
14 Antworten
MelBushman vor 8 Jahren 24 7
9
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Buffalo Bill reitet wieder!
Seit Kindesbeinen an liebe ich die alten Westernfilme, in denen John Wayne in unvergleichlicher Lässigkeit für
" law and order" in verschiedenen Citys sorgte. Rauchende Colts. Freundschaften unter Männern, die in nächtlichen Gesprächen am Lagerfeuer ihren wunderbaren Anfang fanden. Wortkarge Dialoge mit markigen Sprüchen.
Über alldem liegt der freiheitliche Duft der Prärie.

Leider (oder Gottseidank?) leben wir im 21. Jahrhundert, anstatt des Pferdes steht mein Auto vor dem Haus und meine Prärie ist berufsbedingt der Straßenverkehr. Ich galoppiere täglich eine Menge Kilometer...
Tuscan Leather musste ich also haben, er sollte mich zumindest gedanklich in diese wilde , abenteuerliche Zeit zurückversetzen.

Er erfüllt sein Versprechen:
Nach einem fruchtigen weichen Auftakt (meine Anfängernase ist zu ungeübt um dezidiert Himbeeren zu erkennen) folgen intensiv duftendes, edles Leder mit einem zarten Hauch von Lagerfeuerromantik. Toll!

Abenteuerlustig gönne ich mir 2 Sprüher und bin gespannt auf die Alltagstaulichkeit von TL.
Ich werfe mir die uralte Lederjacke meines lieben Vaters selig über, sattle mein Auto und trabe gemächlich in mein Büro.

Buffalo Bill reitet wieder!

Im Aufzug treffe ich meinen Mitarbeiter . Nach einem höflich Morgengruß kommt " Neue Lederjacke? Sieht gut aus!" Okeeeeeeeeeeey.....

Meine Sekretärin: " Hmm, das riecht gut. Haben Sie sich eine neue Aktentasche zugelegt?" ???????????

Der Höhepunkt diverser ähnlicher Feedbacks ereignet sich am Nachmittag, als ich mir einen Espresso in einem Straßencafe gönne: Eine ältliche, hagere Blondine mit ledergegerbten Solariumteint am Nebentisch strahlt mich an und flötet: " Pferde sind doch etwas wunderbares, nicht wahr!" Jetzt ist Schluß!
Enttäuscht schleppe ich mich nach Hause und dusche erstmal ausgiebig...Abenteuer, von wegen!
Obwohl: selten habe ich soviel Aufmerksamkeit durch einen neuen Duft auf mich gelenkt! Ist den Menschen des 21.Jahrhunderts der Duft der wahren Freiheit einfach nicht mehr präsent?

Ich gebe nicht auf, beträufle mich erneut mit Abenteuer und stürze mich ins Nachtleben.
An der Bar bestelle ich mir grade einen Whiskey on the rocks als ich neben mir ein leises Lachen höre. Als ich den Kopf wende sehe ich in grüne Augen , die zu einem hübschen lachenden Frauengesicht gehören: "Sie riechen lecker, der Duft passt zu Ihnen!"

Den restlichen Verlauf des Abends verschweige ich an dieser Stelle diskret, aber eins ist gewiss:
Buffalo Bill reitet wieder!
7 Antworten