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vor 2 Monaten - 29.02.2024
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Zen-Aromen und Tempeldüfte: Eine Duftreise durch die Kunst Japans

Zen-Aromen und Tempeldüfte: Eine Duftreise durch die Kunst Japans

Von heiligen Tempelzeremonien bis zu modernen Räucherwaren: Die japanische Duftkultur blickt auf eine jahrtausendealte Geschichte zurück. Tief in spiritueller Tradition und ästhetischer Sensibilität verwurzelt, entführt dieser Artikel auf eine Reise in die Duftlandschaft des Landes der aufgehenden Sonne.

Kōdō und die Magie des Räucherns

Einer der interessantesten Aspekte der japanischen Duftkultur ist die Kunst des kōdō, was wörtlich übersetzt "Weg der Düfte" bedeutet. Kōdō verbindet den Geist mit den feinen Duftwegen und den Kunstformen des Räucherns. Es geht darum, das Räuchern als Kunstform zu würdigen, nicht nur wegen des betörenden Duftes, sondern auch als spirituelle und ästhetische Erfahrung. Über die Jahrhunderte entwickelte sich kōdō zu einer eigenständigen Kunstform, die von verschiedenen Schulen und Meistern weitergegeben wurde. Doch werfen wir zunächst einen Blick zurück...

Es wird angenommen, dass im 6. Jahrhundert zusammen mit dem Buddhismus auch die Räucherstäbchen ("Koh") nach Japan kamen. Zu dieser Zeit blühten Indien, China und Japan als Hochkulturen mit reicher Geschichte und tief verwurzelten Traditionen. Anfangs beschränkte sich das Räuchern auf buddhistische Zeremonien. Dabei wurde das Räucherwerk, bestehend aus duftenden Hölzern, Gewürzen und Kräutern, auf Asche gestreut, um ihre betörenden Aromen zu verbreiten. Buddhistische Mönche verwendeten es als Opfergabe bei rituellen Zeremonien und zur Reinigung ihrer heiligen Stätten. Man glaubte, dass dies die Gegenwart Buddhas herbeirufen und zur Verbreitung seines Glaubens beitragen würde.

Buddha, die Verkörperung des Erwachten: Ein Symbol der spirituellen Erleuchtung
Buddha, die Verkörperung des Erwachten: Ein Symbol der spirituellen Erleuchtung

Die Heian-Periode: Kultivierung am Kaiserlichen Hof

In der Heian-Periode (794 bis 1185), eine Zeit kultureller Blüte und politischer Stabilität, wurde das Räuchern zu einem kultivierten Zeitvertreib am kaiserlichen Hofe in der Hauptstadt Heian-kyō (dem heutigen Kyoto).

Um Kleidungsstücke zu parfümieren, hängte man sie über Nacht über einen großen Korb oder Ständer aus Bambus oder Metall, der über einem Gefäß mit Räucherkugeln platziert war. Auch Haare und Räumlichkeiten wurden beispielsweise mit Düften versehen. Hofdamen und Kurtisanen verbrannten edle Dufthölzer wie Adlerholz in vergoldete Kästchen, um ihren Haaren während des Schlafs einen angenehm duftenden Hauch zu verleihen. All dies diente jedoch nicht nur dem puren Genuss. Räuchern erfüllte auch einen praktischen Zweck, da es unangenehme Gerüche überdeckte.

Anstelle von Liebesbriefen wurden Duftsäckchen, genannt "nioi bukuro", aus kostbarer Kimonoseide gefertigt und verschenkt. Der Duft, den diese Säckchen verströmten, wurde als "oikaze", der "vorbeiziehende Wind", bezeichnet. 

Auch Wettbewerbe waren zu dieser Zeit beliebt, bei denen verschiedene Gegenstände wie Pflanzen, Muscheln oder Gedichte verglichen wurden. Eine beliebte Praxis war das "takimono awase", bei dem man gemeinsam Düfte mischte und ausprobierte. Dabei ließen sich die Teilnehmer oft von poetischen Episoden aus dem Roman "Geschichte des Prinzen Genji" inspirieren und verfassten eigene Gedichte. Ein Duftpulver wurde zu einer Paste vermischt, die zu kleinen Kugeln, den sogenannten 'neri-kō', geformt wurde. Anschließend wurde das Räucherwerk miteinander verglichen und ein Sieger gekürt.

Duftgenuss in der Kamakura-Zeit 

Die Kamakura-Zeit (1185 bis 1333) bedeutete den Aufstieg der Kriegerklasse und das Ende der kaiserlichen Herrschaft in Japan. Außerdem gewann in dieser Zeit der Zen-Buddhismus an Einfluss. Im Zen werden die Bedeutung der Meditation und die Wertschätzung der Schönheit des Augenblicks betont. Die Verfeinerung der Sinne, einschließlich des Geruchs, galt als Mittel zur Vertiefung der spirituellen Erfahrung.

Kencho-ji: Einer der ältesten und bedeutendsten Tempel der Rinzai-Schule des Zen-Buddhismus in Kamakura
Kencho-ji: Einer der ältesten und bedeutendsten Tempel der Rinzai-Schule des Zen-Buddhismus in Kamakura

Während die Beduftung von Kleidung und Räumen an Bedeutung verlor, rückte der Genuss des Duftes von "jinkô" (Adlerholz) in den Mittelpunkt. Räucherwerkliebhaber begannen gezielt duftende Hölzer zu sammeln und in Duftspielen einzusetzen. Eine bedeutende Innovation war die Einführung von hitzebeständigen Glimmerplättchen aus China. Diese wurden über einem glühenden Stück Kohle platziert, wodurch das Holz nicht verbrannte, sondern seine Aromastoffe durch die Erhitzung freigesetzt wurden. Jedes Stück jinkō hat seinen einzigartigen Duft.  Die Herausforderung bestand nun darin, diese verschiedenen Düfte zu identifizieren.

Adlerholz - zwischen Mystik und Bedrohung
Adlerholz ist einer der teuersten Duftstoffe weltweit, da er aufgrund seiner seltenen Herkunft und des aufwendigen Ernte- und Extraktionsprozesses gewonnen wird. Der einzigartige Duft des Adlerholzes entfaltet sich erst, wenn der Aquilaria-Baum von Parasiten oder Pilzen befallen wird und als Abwehrreaktion ein kostbares Harz absondert. Sein Duft wird oft als "yūgen" in der japanischen Sprache beschrieben, was mit "mystisch" oder "unergründlich" übersetzt werden kann. Leider hat die hohe Nachfrage nach diesem kostbaren Rohstoff auch dazu geführt, dass der Adlerholz-Bestand heute gefährdet ist. 

Blütezeit der Dufkunst

Die Muromachi-Zeit (1336-1573) war in Japan nicht nur von politischen Umwälzungen und sozialen Veränderungen geprägt, die zur Entstehung des Ashikaga-Shogunats führten. Sie brachte auch einen kulturellen und künstlerischen Aufschwung mit sich. Vor allem die Teezeremonie und das No-Theater erlebten in dieser Zeit eine Blütezeit.

In der Teezeremonie ('Chanoyu' oder 'Sadou') schafft der Einsatz von speziellen Räucherstäbchen und Duftmaterialien eine beruhigende Atmosphäre
In der Teezeremonie ("Chanoyu" oder "Sadou") schafft der Einsatz von speziellen Räucherstäbchen und Duftmaterialien eine beruhigende Atmosphäre

Duftwettbewerbe fanden sowohl beim Hofadel als auch bei den Samurai Anklang statt. Ashikaga Yoshimasa unterstützte diese Entwicklung, indem er die Klassifizierung und Bewertung von Räucherwerk in Auftrag gab. So entwickelte sich kōdō zu einer etablierten Kunstform mit zahlreichen Regeln und Spielarten. Der Ausdruck "Duft hören" ("kō o kiku" oder "monkō'"), der auf eine buddhistische Sutra-Passage zurückgeht, wurde in dieser Zeit geprägt. In Japan gilt die Kunst, den Duft eines Holzes aufmerksam wahrzunehmen und seine olfaktorischen Qualitäten zu schätzen, als Weg zur Vollkommenheit und inneren Kultivierung.

Im Laufe der Edo-Zeit (1603-1867) wurde die Duftkunst nun neben der Teezeremonie und dem Ikebana (Kunst des Blumenarrangierens) in ganz Japan praktiziert und weckte auch das Interesse des aufstrebenden städtischen Bürgertums. Zuvor hauptsächlich von Männern gepflegt, wurde kōdō nun auch bei Frauen immer beliebter. Es galt als eine der wichtigsten Künste, die eine kultivierte Kurtisane beherrschen sollte. Aufgrund der steigenden Nachfrage in der breiten Bevölkerung entstanden verschiedene Kōdō-Schulen unter der Führung eines Schuloberhaupts.

Ein antiker Räucherbecher aus Porzellan, geschätzt um das Jahr 1800 hergestellt
Räucherbecher aus Porzellan, geschätzt um das Jahr 1800 hergestellt

Die moderne Duftkultur Japans

Im 20. Jahrhundert begann Japan, westliche Einflüsse in seine Duftkultur zu integrieren. Besonders nach der Öffnung des Landes für den internationalen Handel im späten 19. Jahrhundert wurden westliche Parfüms und Duftstoffe in Japan eingeführt und erfreuten sich wachsender Beliebtheit.

Japanische Parfumeure kreierten Düfte, die sowohl westliche als auch traditionelle japanische Elemente in sich vereinten. Außerdem erweiterten in Japan ansässige Unternehmen wie Shiseido und Kanebo ihr Sortiment um Duftprodukte, die die Ästhetik Japans und die charakteristischen Düfte des Landes widerspiegelten. 

Die Kirschblüten ('Sakura') symbolisieren in Japan Schönheit, Neubeginn und Vergänglichkeit. Ihr zarter, süßer Duft wird sowohl in Parfums als auch in Räucherstäbchen eingefangen
Die Kirschblüten ("Sakura") symbolisieren in Japan Schönheit, Neubeginn und Vergänglichkeit. Ihr zarter, süßer Duft wird sowohl in Parfums als auch in Räucherstäbchen eingefangen

Trotz der westlichen Einflüsse wird es in Japan bis heute als unhöflich betrachtet, sich stark zu parfümieren. Dennoch bietet das Land Parfumeuren zahlreiche Zutaten, die sich besonders für klare, aromatische Düfte eignen. Dazu gehören das kühl-grüne Bambusaroma, die erdig-zitronige Ingwernote und die zart-fruchtige Ausstrahlung der Zitrusfrucht Yuzu. Extrakte der japanischen Sicheltanne oder der Zeder bereichern die Vielfalt der holzigen Ingredienzien, während Lotusblüten, Nashi-Birnenblüten, Kamelien und Pflaumenblüten den blumigen Düften ihre charakteristischen Noten verleihen.

Besonders begehrt sind heute nach wie vor Düfte zum Räuchern. In Räucherfachgeschäften, insbesondere in der Kaiserstadt Kyōto, findet man beispielsweise gepresste Duftpulver zum Verbrennen, die in Form von Blumen, Tee und Süßigkeiten angeboten werden. Vor einigen Jahren kamen Papier-Räucherstäbchenblätter auf den Markt, gefolgt von Duftschnüren, die zu kunstvollen Schleifen ("mizuhiki") gebunden werden können. Auch Räucherstäbchen mit unkonventionellen Düften gehören mittlerweile zu dem vielfältigen Sortiment.

Japanische Räucherstäbchen
Duftende Tradition: Japanische Räucherstäbchen

Seid ihr in schon einmal mit den japanischen Duftpraktiken in Berührung gekommen? Gibt es bestimmte Aspekte dieser Duftkultur, die euch besonders faszinieren?

Bildquellen: pixabay.com; Bild vom Walters Art Museum via Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Japanese_-_Incense_Burner_(%22Koro%22)_with_Peonies_-_Walters_491755.jpg, Bild von Wiiii, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8231316, Bild von Andreas König, Gemeinfrei, via Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9759171

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