Mörderbiene

Mörderbiene

Rezensionen
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6 - 10 von 46
Mörderbiene vor 3 Jahren 15 12
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Motten im Schrank? Nimm Agrakal!
Zitronenöl, Lavendelsäckchen und Zedernholz wirken zuverlässig, wenn sich kleine Mottenraupen Nimmersatt durch Mäntel und Anzüge fressen.
Und Enrico Buccella setzt gleich auf das komplette Triumvirat, weil viel hilft viel.

Buccella, der für seine drei Labels sehr bildgewaltige und exzentrische Kompositionen schuf, tritt mit Agrakal ungewohnt moderat auf. Was Motten abschreckt, entwickelt sich für meine Nase zu einem erquicklichen Wohlgeruch, der Reminiszenzen an Düfte nach klassisch-colognesker Manier erkennen läßt.
Nicht nur die typische Struktur mit einer in das krautige Herz überleitenden, zitrischen Kopfnote weiß mir zu gefallen, auch die initiale Nähe zum Colonia von Lorenzo Villoresi - sowohl einzelne Noten betreffend, als auch die erkennbare Qualität - spricht für sich.
Der Villoresi ist freilich noch filigraner, weniger kompakt, und Agrakal bricht letztlich doch noch aus den Cologne-Gefilden aus.
Der dominante Lavendel läßt mit einer gewaschenen Cumarin-Dosis fast schon Fougère-Gefühle aufkommen, und der ruhende Basiston - Moschus (von der dunklen Sorte) wurde glücklicherweise behutsam eingesetzt - trägt den Duft noch überraschend lange.

Und während sein Name* wirklich zu einem Mottenmittel passen würde ist der Duft für die Verwendung als solches wohl etwas zu teuer - und auch zu schade. Aber in meinem Kleiderschrank werden sich nun zu dem Bund Lavendel noch etwas Zitronenschale und Zedern-Chips gesellen.

*Agrakal ist kabylisch (eine Berbersprache) für das Mittelmeer
12 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 21 18
4
Sillage
5
Haltbarkeit
8.5
Duft
Appeler un chat un chat
Certes, initial bin ich diesem Duft des traumhaft konsequenten art déco-Flakons wegen erlegen, doch angesichts des hier an der französischen Grenze längst eingesetzten Frühsommers wissen mich auch seine inneren Qualitäten zu überzeugen.
Der Duft ist recht rasch umrissen: man stelle sich ein gekühltes Glas Wasser mit Zitronenscheibe und Minzblatt vor, das neben einem Lavendelstrauch genossen wird.
Dies zudem gänzlich zuckerfrei und ohne je mit seiner französischen Leichtigkeit und markentypischen Natürlichkeit das schrill Cocktail-hafte auch nur zu touchieren.
Falls etwas Unterstützung benötigt wird um nach der sieste wieder aus der Hängematte zu kommen wäre dieser Frischling sicher ein geeignetes Mittel der Wahl. Und manchmal gibt es diese Momente, non?
Als sogenanntes Cologne fraîche ist er selbstredend nicht eben ein Ausbund an Sillage und Haltbarkeit - dies wird jedoch mit einer entsprechend großzügig bemessenen Gebindegröße aufgewogen.
Bref, ein Eau für die leichten Seiten des Lebens, das die heißen Tage ein wenig zu erleichtern weiß, ganz unbeschwert und schlicht - und so schlicht wird dieses Kind denn auch beim Namen genannt: captivant.

Edit: auf Hinweis von Jacko möchte ich noch ergänzen, daß auch dieser Duft bereits wieder eingestampft wurde, obschon die Parfumo-Datenbank das noch nicht weiß - le gain aussitôt dévoré que touché...
18 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 24 17
5
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft
Ivy
Ivy heißt ein Nebencharakter in Max Frischs wohl bekanntestem Werk - Homo faber, so sein Titel - dessen Bekanntheit nicht zuletzt darauf gründet, daß es unzähligen Generationen in Form von Schullektüre nahegebracht wurde, und dort schon immer mit zum Zugänglicheren zählte das den jungen Leuten so vorgesetzt wurde. Zugänglich zwar, und doch mit unzähligen Bezugspunkten gespickt reichlich Raum bietend für literaturwissenschaftliche Beschäftigung.

Ivy, wie Max Frisch die Geliebte der Hauptperson benannte, solle einerseits die klammernde Natur der Geliebten selbst, andererseits auch das allgemeine Frauenbild der Hauptperson veranschaulichen. Ivy - Efeu - als giftige Schlingpflanze, als schwächender Parasit, so der breite Konsens.
Dummerweise ist Efeu aber weder eine parasitäre noch eine Schlingpflanze.
Ich habe bereits damals in der Schule das Bild des Efeus vielmehr mit Walter selbst, der Hauptperson, als seiner Geliebten Ivy in Verbindung gebracht.
Efeu ist ein Selbstklimmer, der, eine stabile Sproßachse bildend, sein Gewicht theoretisch selbst tragen könnte, ist also nicht notwendigerweise auf einen stützenden Unterbau angewiesen.
Mittlerweile wird in der Biologie auch mehrheitlich die Meinung vertreten, daß ein Efeubewuchs für Bäume grundsätzlich unschädlich ist, und daß lediglich kleine Bäume und Großsträucher durch Überwachsen absterben können wenn ihnen das Licht genommen wird.
Efeu also, der, wenn man ihn denn läßt, die Natur um sich herum erobert, wie die moderne Technik unter Walters Mitwirken die Welt erobert.
Efeu als Schattenpflanze, passend zum kühlen, berechnenden Gemüt des Technikers.
Efeu, der, wenn nicht im Zaum gehalten, zartere Gewächse zerstören kann.
Efeu, der, je nach Dosis, giftig ist.
Efeu für einen rationalen, wurzellosen und letztlich doch abhängigen Weltbürger.

Eau de Lierre, welch wundervoller Name übrigens für ein Parfum. Wohlklingend, dabei doch irgendwie einfach, und zugleich der Fantasie des Riechenden Raum gebend - und damit vortrefflich zum Duft selbst passend.
Wie auch der Efeu selbst funktioniert die berechnende Schön- und Schlichtheit dieses Diptyque sowohl am rationalen Techniker wie an der jungen Geliebten.
Eau de Lierre, das sich grün und kühl an die Klinkerwände von New York schmiegt.
Eau de Lierre, das sich leicht und elegant um die Säulen und Statuen römischer Ruinen windet.
Eau de Lierre, wahlweise grauer Dreiteiler oder leichtes Sommerkleid, jeweils getragen unter dem wohltuenden Schatten lichten Blattwerks.

Ich will aber keinen falschen Eindruck vermitteln, Ergo's Eau de Gartenabfälle trifft es irgendwie auch.

Danke liebe Knopfnase für das Ermöglichen dieses schönen Wiederriechens!
17 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 20 18
6
Sillage
7
Haltbarkeit
6.5
Duft
Fluffiger Schwanenkükenkurzkommentar
Bei Black Swan, einem von Guerlains hochexklusiven Teuerchen, nehme ich eine Maiglöckchennote als sich durch den Duft ziehenden roten Faden wahr, die zunächst von herrlich erquickenden Zitrusnoten begleitet wird. Dies ist etwas cremig, ja gourmandig wirkend, womöglich spielt hier schon die Sandelnillebasis mit hinein, aber in Summe doch ungemein vitalisierend.
Hier denke ich weniger an schwarze oder auch weiße Schwäne, sondern vielleicht eher an die kleinen süßen verspielten Schwanenküken, die weder weiß noch schwarz und ganz flauschig sind, und die hinter ihrer Schwanenmama durch das Wasser tollen.

Nach rund zehn Minuten verfliegen diese Zitrusnoten viel zu früh, und es bleibt die Maiglöckchennote, die dann von einer riesigen Schwanenkükenkarikatur namens Moschusfluff huckepack genommen wird.

Das war es dann auch schon, viel mehr passiert nicht mehr - außer, daß unterwegs irgendwann das Maiglöckchen verloren geht und immer mal wieder etwas süßlich-cremige Sandelnille schüchtern aus ihrem Versteck hervorlugt.

Dieses flauschige Moschusmonster scheint Monsieur Wassers Lieblingstier zu sein, findet es sich doch in vielen seiner Düfte wieder: Cologne du Parfumeur, diversen neueren Aqua Allegorias, ...
Ich könnt dem Viech die Gurgel rumdrehen!
18 Antworten
Mörderbiene vor 3 Jahren 21 16
6
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft
Manche werden mit dem Alter schöner
S Efai blieht bloß em siebente Johr - das lernten wir damals in der Grundschule.
Das ist natürlich Unfug, suggeriert es doch, daß Efeu eine hapaxanthe Pflanze sei.
Retrospektiv bin ich mir nicht sicher, ob sich unsere Lehrerin lediglich falsch ausdrückte - meinem jetzigen Verständnis nach blüht Efeu tatsächlich erstmalig nach etwa sieben Jahren, dann aber jährlich - oder ob das eine dieser verklausulierten Lebensweisheiten sein sollte, mit welchen sie gern um sich warf.

Eau de Camille hat Annick Goutal für ihre damals siebenjährige Tochter geschaffen, die den Geruch des Efeus mochte.
Und wenn der Efeu so alt war wie sie, dürfte er just damals zum ersten Mal geblüht haben.

Wohlwissend, daß Efeu zur Blüte nicht unbedingt angenehm riecht stelle ich mir innerlich dennoch eine blühende Wand aus Efeu vor - nicht mit den tatsächlichen, unscheinbaren Blüten des Efeus, sondern prachtvoller, und zum lieblichen Blütenduft dieses Parfums passend.
Ich denke an goldengrünes Gartenglück, in spätsommerlicher Semptembersonne gehüllt.
Idyllisch, mit tanzenden Bienen um späte Blumen und um den wilden Efeu vor der Westwand.

Im Altertum galt der Efeu durchweg als Symbol der fröhlich feiernden Götter und ihrer Gelage, die ebenso oft mit Efeu wie mit Weinlaub bekränzt waren.
Und Eau de Camille ist ein fröhlicher, leichtmütiger Duft, verspielt und von Freiheit erzählend und aller spätsommerlichen Melancholie trotzend.
Irgendwie zum Bild des siebenjährigen Mädchens passend das mit den Bienen tanzt, während die Großen mit Weingläsern und Bierflaschen wohlwollend die Beete kommentieren oder über den Grill hinweg das letzte Spiel der ersten lokalen Handballmannschaft diskutieren.

Ein leichter Sommerduft, der gleichermaßen von Jungen und Junggebliebenen getragen werden kann - und von solchen, die mit dem Alter schöner werden.

Eau de Camille ist der Duft, der am heutigen verschneiten Februarmorgen die Sonne vom Sommer singen läßt.
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