Nininja

Nininja

Rezensionen
Nininja vor 1 Jahr 3
7
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
6.5
Duft
Der kleine Laden am Ende der Gasse
Ich möchte wetten viele von euch kennen sie, diese vergessenen kleinen Läden, versteckt in halbschattigen, engen Gassen in den Altstädten Südeuropas. Jene unscheinbaren kleinen Platzhalter neben Kapellen, Kirchen oder am Ende einer Sackgasse, welche oft geflissentlich übersehen werden; kleine Sammelsurien voll von Antiquitäten, Kunst und oft auch recht zufällig zusammengestelltem Warenangebot. Aber manchmal, im Hochsommer, wenn die Sonne gleißend herabbrennt und jeglichen Schattenplatz vertreibt, die Luft in den Gassen steht, dann manchmal ist es egal, was dieser kleine Laden dort, dieses kleine Refugium eigentlich nebst Schatten noch anzubieten hat – ein Blick hinein wird schon nicht schaden.

Oft steigt man ein, zwei Stufen hinab, und bereits beim Öffnen der Tür schlägt einem der Geruch von altem Gemäuer entgegen, kalkig und ein bisschen muffig, aber wunderbar kühl im Vergleich zur vorherigen, staubtrockenen Hitze. Innen bilden prachtvolle Massivmöbel aus geschnitztem schwarzem Ebenholz und längst vergangenen Zeiten einen starken Kontrast zu den weiß gekalkten Wänden. Über einem durch schweren Brokatstoff verhängten Wanddurchbruch hängt ein Kruzifix, der schwache Geruch von Weihrauch hängt in der Luft, vermischt sich mit dem süßen Duft der alten Hölzer. Charmant findet man ihn, diesen kleinen Rückzugsort, ebenso charmant wie die Inhaber, die einen herzlich begrüßt haben und nun stolz beim herumstöbern beobachteten.

Nach einer Weile jedoch wird der kleine Laden bedrückend, das Sonnenlicht vor dem Fenster lockt wieder hinaus; die alten Mauern wirken nun modrig, und der einst zarte Weihrauch füllt jetzt sakralisch den ganzen Raum, vermischt sich beißend mit dem Jahrzehnte alten Rosenparfum der Ladeninhaberin, die einen mit Argusaugen beobachtet. Was wollte man eigentlich hier?, besinnt man sich, länger bleiben möchte man nicht, und tritt erleichtert hinaus in die sengende Hitze und wieder hinein in unsere Zeit.

Oroluna hat wie wenige Düfte zuvor direkt beim ersten Riecher diese starke Duftassoziation bei mir ausgelöst. Er startet als (durchaus traditioneller) blumig-sanfter Weihrauch-Duft mit einer tiefdunklen, wunderschönen Holznote, welche aber im weiteren Verlauf schnell von sehr viel Kardamom und nun dickem, blumig-schwülstigem Weihrauchnebel übertrumpft wird, und „in Muff verpufft“.

Für mich ein Duft, der nicht mehr in „meine Zeit“ passt, und vielleicht auch selbst nicht mehr weiß, was er eigentlich sein will.
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Nininja vor 2 Jahren 34 6
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Frustrierendes Spannungsspiel
In meiner Schulzeit hatte ich eine Freundin. Sie gehörte zu den beliebtesten Mädchen der Schule, hing mit älteren Leuten rum, war selbstbewusst, optimistisch, laut, wunderschön, und vor allen anderen Dingen - aufmüpfig. Lehrer und Mitschüler, die sie gut leiden konnten, waren verzaubert von ihrem Witz und Charme. Lehrer und Mitschüler aber, die nicht in ihrem Dunstkreis weilten (die meisten also), konnten sie nicht ausstehen.
Ich weilte nicht in ihrem Dunstkreis. Ich war ganz anders, gehörte nicht zu den Beliebten, hatte meinen eigenen kleinen Kreis, war bedacht auf meine Noten und freundlich zu jedem. „Schwiegertochter-Potenzial“ stand in meiner Abitur-Zeitung. Was Sie an Kanten zu viel zeigte, fehlte mir gänzlich.

Wir meldeten uns für dasselbe Komitee zum Schulabschluss an und freundeten uns – entgegen aller Voraussicht – an. Ihre ungestüme Art färbte auf mich ab, und manchmal fühlte ich mich geehrt, in ihren goldenen Wirbel hineingezogen zu werden. Einige meiner besten und wildesten Erinnerungen aus der Abschlusszeit entstanden aufgrund ihrer Ideen. Aus Abneigung ihr gegenüber wurde eine Mischung aus Bewunderung und Mitgefühl. Ich erkannte, dass unter ihrer lauten und oberflächlichen, nach außen strebenden Art, tiefe Emotionen darauf lauerten, unberechenbar herauszubrechen. In manchen Momenten brachen Sie hervor und stießen jeden vor den Kopf. Ich versuchte sie zu ergründen, ganz öffnete sie sich mir gegenüber aber nie.

Dieser Kilian-Duft hier – Oh er wäre für sie geschaffen.

Er startet mit Osmanthus-Nektar auf einem Bett aus Jasmin – göttlich-süß und ausfüllend, aus nächster Nähe aber fast überladen und auf jeden Fall aufdrängend. Bald gesellt sich immer mal flüchtig die Narzisse blumig-stechend und zuweilen fast einen Hauch bitter dazu. Schwierig, dachte man doch eigentlich an eine blumige, süße Wuchtbrumme, eindimensional und irgendwie leicht einzuordnen – jetzt dagegen wird er mehr, ein bisschen zickig und ja, vielleicht auch kurz unsympathisch.

Dezent aber doch merklich ist es jedoch vorbei mit der mädchenhaften, oberflächlichen Blumigkeit mit Auftritt der süßen, schwülstigen Tuberose – sie beschwert und was eben noch oberflächlich-mädchenhaft war, wird abgelöst von Weiblichkeit und Tiefgründigkeit. Sie öffnet den Blick für ein verlockend unergründliches, unter der Oberfläche wartendes düsteres Etwas, kündigt dies an. Und tatsächlich, unter der klebrig-süßen, schwülstigen Masse an weißen Blüten erahnt man eine tiefe rauchig-holzige Note, animalisch und umtrieben – für einen Augenblick jedenfalls. Denn noch bevor man sich in den auftuenden Abgrund stürzen, sich in ihm vergessen kann, zieht sich der schwere Blumenteppich darüber wieder schützend zusammen. Osmanthus und Jasmin, die man nun eigentlich wirklich längst hinter sich lassen wollte, drängen sich rebellisch und einnehmend wieder in den Vordergrund.

Und dabei bleibt es im gesamten Duftverlauf – die schwülstige, nektar-süße blumige Opulenz weicht gerade einige Sekundentakte genug, um Darunterliegendes verheißungsvoll erahnen zu lassen, gibt die dunkle Seite jedoch nie frei. Sie hält jene, die eigentlich vor der überladenen, zickigen Süße fliehen wollten, fest im Bann des noch Ergründbaren. Frustrierend, teuflisch.

Tuberose, Osmanthus und Jasmin in dieser opulenten Komposition muss man mögen, um auch den Start von GGGB zu schätzen. Für mich eigentlich eine zu überwältigende Kombination. Aber genau wie die Art meiner ehemaligen Freundin hat auch GGGB's blumig-stechende, klebrige und sehr wahrnehmbare Süße mich zwar zunächst abgeschreckt, um mich dann doch wie beschrieben in seinen Bann zu ziehen. Bann-brechend ist für mein studentisches Ich (ein Glück) der Preis dieses hypnotischen Wässerchens, angesichts dessen ich mich wohl nicht als seine gerechte Trägerin sehe, sondern als gebannte Riecherin den Rest meiner Probe genieße werde.
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