Blindbuy- der Adrenalinkick des Duftaficionados
"Und warum? Nur für den Kick für den Augenblick?!" Diese in vielen Alltagssituationen durchaus berechtigte Frage stellte eine, na sagen wir mal überschaubar talentierte, sogenannte Girlband vor etlichen Jahren in einem ihrer (Sprech-)Gesangsstücke. Die älteren Semester unter uns werden sich erinnern, oder haben es erfolgreich verdrängt.
Auch in der Welt parfümbegeisterter Menschen ohne jegliche musikalische Karriere ist die damals gestellte Frage hier und da durchaus berechtigt. Zum Beispiel wenn es um das Thema Blindbuy geht. Also den Erwerb eines oder mehrerer Parfums, ohne diese vorher jemals gerochen zu haben. Diese durchaus verbreitete Methode zur Erweiterung des eigenen Duftportfolios kann mehrere, sich teilweise auch überlagernde Gründe haben:
1. Erfahrung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Duftpyramiden und Inhaltsstoffe zu interpretieren und mit dem persönlichen Geschmack abzugleichen. Dies ist zugegebenermaßen der langweiligste, aber zugleich auch am wenigsten risikobehaftete Grund eines Blindbuys. Voll lame!
2. Die fälschlicherweise angenommene Erfahrung und völlige Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, Duftpyramiden und Inhaltsstoffe zu interpretieren und mit dem persönlichen Geschmack abzugleichen. Hier kommt er jetzt, der Kick. Aber leider häufig in der Arsch, weil man nach dem Kauf merkt, dass man offensichtlich keine Ahnung hatte, was die angegebenen Duftstoffe in der Summe für einen olfaktorischen Gesamteindruck ergeben. Meh. Ab in den Souk damit.
3. Adrenalin. Wenn das Schokoauto aufgrund meiner Höhenangst schon hupt, wenn ich auch nur über Fallschirmspringen nachdenke, dann muss ich meinen Epinephrinüberschuss eben anderweitig abbauen: Blindbuy! Diese Vorfreude, diese Spannung! Hält der Duft, was ich von ihm erwarte? Gefällt er mir überhaupt? Ist er vielleicht ganz anders, aber trotzdem gut? Hier ist das Risiko bewusst gewählt und die Option des Scheitern einkalkuliert. Olfaktorisches Glücksspiel um des Spielens willen. Tic Tac Dingens wären stolz.
4. Gier frisst Hirn. Der Duft ist bereits auf der Merkliste, aber der Black Friday grätscht dir die Möglichkeit weg, ihn erst noch zu testen? Was solls, her mit dem Flakon! So billig kommt man da nie wieder dran. Dass sich die Ersparnis durch die nicht unerheblich große Wahrscheinlichkeit des Fehlkkaufs relativiert, blendet das Gehirn bestens darauf trainiert erfolgreich aus.
5. Monetäre Gleichgültigkeit. Duft zum ersten Mal gesehen. Gekauft. Ob er gefällt spielt bei den 300 anderen Düften eine untergeordnete Rolle. Kommt er eben ins Regal, man hat ja genug andere Flakons, die man nicht leer bekommt. Und der Kick? Ist nach dem Betätigen des Bestellbuttons bereits wieder verflogen. Nach dem Duft ist vor dem Duft. Immer her damit.
Welche Gründe auch immer den Impuls auslösen, ein Parfum "blind" zu kaufen, ist diese Form des Neuerwerbs ein fester Bestandteil der Community. Und des Souks.


Nordwurst
Ich kaufe nur was mich zu 💯 % überzeugt.
Von 100 Düften kommen gefühlt 20 in die engere Auswahl. Irgendwas stört mich dann doch bei den meisten.
Ich gebe das Geld lieber sinnvoller aus ,um das Leben zu genießen oder stecke es an die Börse.
Für Überraschungs Schrottparfum sicher nicht.
Danke für den guten Blog
Und sehr humorvoll geschrieben - toll 🏺
Alles darüber hinaus muss ich testen, möglichst mehrmals, zu etlichen Gelegenheiten und Jahreszeiten.
Wie oft bin ich schon voller Vorfreude mut einer Uuuuunbedingt-testen-Liste zum Gradmann gestürmt, habe hier Abfüllungen und Proben geordert, war mir zu 99.99% sicher, dass dieser oder jener Duft mich garantiert verzücken werden - das war fast immer Fehlanzeige.
Ich habe kein Talent dafür, mir anhand der Komponenten einer Duftpyramide einen Duft vorstellen zu können.
Was ich denke, was bestimmt toll ist, ist furchtbar, was ich von vornherein als grauslich oder zumindest langweilig einstufe, ist dann toll.
Außerdem bin ich überkritisch, oft gefällt mir ein winziges Detail nicht, irgendwas stört, irgendein Inhaltsstoff nervt oder oder oder.
Ich lasse das mit den Blindkäufen, da kommt bei mir echt nichts Gutes bei raus.
Ich mag die Atmosphäre in der Parfumerie nicht, wenn ständig jemand neben mir steht und so den Druck, auch etwas zu kaufen, erhöht. Außerdem benötige ich recht lange, Zugang zum Parfum zu finden. Ich muss den schon mehrmals ganztägig getragen haben, um ein abschließendes Urteil fällen zu können.
Aber das Wesentliche: Ich hatte bislang nur sehr wenige Düfte, die ich so gar nicht mag. Manche sind vielleicht nicht so spannend wie andere die man schon hat, aber an manchen Tagen passen die dann doch wieder ganz gut.
Ich bin aber eigentlich auch nicht auf der Suche nach DEM Duft. Bei mir geht es eher in die Richtung "der könnte mir auch gefallen". Insofern muss ein neuer Duft nicht alles was man so hat in den Schatten stellen.
Ja, ich weiß, das schreit alles nach Duftproben und Souk. Aber da greift bei mir Punkt 4 in Bezug auf die Flakongröße (es dürfen schon 100ml sein).
Ich habe allerdings inzwischen den "Es-reicht-Punkt" erreicht.
Und natürlich auch die Blindkäufe. Meine damalige, sowie auch jetzige Sammlung beinhaltet diese. Reizvoll waren sie schon immer, die Erwartungshaltung hoch, die Enttäuschung meist groß. Hat aber auch schon funktioniert, hier ist das Verhältnis aber eher 80/20.
Mittlerweile bestelle ich mir vorher gerne erst Abfüllungen, oder teste in der Parfümerie falls vorhanden. Konnte mich jedoch vor kurzem beim Shaghaf oud Azraq mal wieder nicht beherrschen, doch diesmal mit Erfolg 🙂
Ich bin so gar kein Blindkäufer, aber nun verstehe ich ein wenig, warum so oft die Feage kommt, ob das ein "sicherer Blindbuy" sei... 😂
Einen Punkt vermisse ich in der Aufstellung aber, der gerade für die Jüngeren zutreffen könnte:
6. Influenzer XY hat den als DEN Pantydropper/Partyduft angepriesen, oder das ist sicher DER Beastmode-Duft... 😉
Und Punkt Nr. 3 ist wahrscheinlich der Grund, warum ICH eben NICHT zu Blindkäufen neige... 😉 ... (siehe mein Banner... )
Deinen Blog habe ich aber mit Vergnügen gelesen 😊👍
Und wenn man ein multiple Persönlichkeitsstörung hat - anders ist es nicht erklärbar- treffen leider alle Gründe zu, mit unterschiedlicher prozentualer Gewichtung, zusammen aber immer 100% ….. 🤦♀️🤷♀️
Wieso? Ja genau, wegen dem "Kick". Ich kann ca. erahnen, wie die Marken gewisse Düfte umsetzen und ob mir die Duftnoten gefallen.
Aus diesem Grund kommen die nächsten Flakons ohne irgend ein Vorwissen (weder welche Duftnoten, welche Duftrichtung, Name usw.).
Das macht es nochmal spannender und man wird nicht beeinflusst.
Spray on!