Oversprayen - eine niedergeschriebene Geringschätzung.
"Das französische Wort sillage bedeutet so viel wie eine von einem Segelschiff auf das Wasser gezeichnete Spur."
Was sich in der Welt der maritimen Fortbewegung durchaus romantisch liest, kann sich in der Welt des Parfüms sehr schnell zu einem wahren Alptraum entwickeln, wenn man sich in der Dunstwolke eines anderen gefangen sieht, womöglich nicht in der Lage dieser olfaktorisch misslichen Lage durch beispielsweise einen, wenn auch ungewollten Ortswechsel zu entfliehen. Man nehme Beispielsweise eine Flugreise oder einen Kinobesuch.
Es scheint als habe sich, zumindest in Teilen der Bevölkerung, die Nutzung mehr oder auch weniger wohlriechender Öle und anderer Ingredenzien von "geheimnisvoll und nur dem innersten Freundeskreis gewidmet" zu "ihr müsst alle riechen was für ein geiles Zeug ich mir leisten kann, ob ihr nun wollt oder nicht!" verschoben zu haben. Das ist bedauerlich.
Zugegeben, die sogenannten "Oversprayer" gab es schon immer, auch wenn diese seinerzeit andere Ziele damit verfolgten: Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es unter der gepuderten Perücke von Luis XIV gerochen haben mag zu Zeiten, als am Hofe die Verwendung von Duftölen hauptsächlich zur Kaschierung mangelnder Körperhygiene verwendet wurde. Jetzt kann man es sich leicht machen und eine Sillage aus dem innersten Kreis der Hölle einfach auf das Fehlen von Wasser und Seife zurückführen. In der heutigen Zeit sind diese Zutaten einfachster hygienischer Standards, zumindest im europäischen Raum, wohl weitestgehend zugänglich und können deswegen nicht mehr als Entschuldigung für atomare Duftauren herhalten.
Bleiben noch zwei mögliche Gründe solch eskalierender Nasenmassaker: Zum einen kann es die sog. Duftblindheit sein. Die eigene Nase schaltet dauernd auftretende Gerüche aus, weil diese bei der Erkennung tatsächlicher Gefahren stören würden. So sprüht man und sprüht man und wundert sich, dass der gewählte Duft nicht mehr die Intensität vergangener Tage besitzt. Schade nur, dass das Umfeld solcher Personen die anhaltenden Schläge auf die Nase durchaus als Gefahr wahrnehmen könnten, zumindest in Bezug auf die eigene Gesundheit. Bei der Duftblindheit kann man aber zumindest keinen Vorsatz unterstellen und man kann ebenso davon ausgehen, dass Personen, die es gut mit einem meinen zeitnah auf die Diskrepanz hinweisen werden. Somit ist diese Form der Reizüberflutung zumeist nur temporären Natur.
Bleibt also noch die schlimmste Variante: das bewusste und mutwillige Oversprayen. Das "ich scheiß auf meine Mitmenschen- Eindieseln". Das "Ich habe mir, nachdem ich explizit nach "Monstersillage" gefragt habe, Duft XY erworben, und ich WILL dass ihr das alle, ausnahmslos wahrnehmt. Und dabei ist mir auch völlig wumpe ob wir uns im Club, im Gym oder auf der Taufe meiner Nichte befinden." Heutzutage wird schließlich gezeigt was man hat. Dezent ist was für loser. "Außerdem hat man mir auf Tiktok erzählt, dass der Duft der heiße Scheiß für die kommende Saison sein wird. Selber Schuld wenn ihr das verpasst, ich will aber keinesfalls dass jemand denkt, ich hätte das verpasst! JETZT RIECHT DAS ZEUG GEFÄLLIGST!!11!"
Nun, meine in einigen Teilen eventuell etwas überspitzte Darstellung meiner Wahrnehmung mag der Tatsache geschuldet sein, dass ich ein alter Sack bin. Vielleicht bin ich einfach nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Vielleicht verhält es sich mit dem Radius von Parfümwolken ja wie mit dem Universum - es dehnt sich stetig und mit zunehmender Geschwindigkeit aus. Während ich das eine jedoch nicht beeinflussen kann, kann ich dem anderen, zumindest für mich persönlich, Einhalt gebieten und meinen Duft des Tages lediglich jenen Personen kredenzen, die ich nah genug an mich heranlasse. Weniger ist mehr - in der Parfümwelt hat diese Aussage meiner Meinung nach noch immer seine Gültigkeit und bei Oversprayern stelle ich mir einfach mangelnde Körperhygiene als Grund vor.


Nordwurst
Großes Kino!
LG G 🖖🫶
Ich bin mir selbst nicht genug, will Anerkennung, Zustimmung und Fürsprache überall und jederzeit.
Doch mein Streben nach dem fleischgewordenen Mittelpunkt der Welt ist bislang nicht von Erfolg gekrönt.
Wartet ab! Ich werde Beachtung finden. Ob freiwillig oder nicht. Das neu erworbene Parfüm würde sogar ein Alien aus dem Raumschiff jagen, so es diese furchtbaren Kreaturen wirklich gäbe.
Die Flasche ist da und ich werde den Sprüher so oft drücken, bis ihr mich endlich seht.
Gnade euch Gott.
Sogar hier unter Privatmenschen kommt das glaub ich irgendwie kaum auf, dass man sich über Dosierungstipps austauscht
Wenn ich nach einiger Zeit mein Büro betrete, dann denke ich: "Oh! Hier war ich aber vorhin schon einmal!" Und wenn ich mich morgens ins Auto setze: "Ach ja! Gestern habe ich xyz getragen!".
Und die Verwaltungsangestellten haben einmal gesagt, dass sie immer wissen, wen ich früher da bin als sie.
Aber, das ist nicht problematisch! Ich frage einfach ab und zu einmal, ob jemand sich belästigt fühlt von meiner Sillage. Bisher haben mir alle versichert, dass sie meine Duftsuswahl mögen. Also: Zumindest bezogen auf die Arbeitsumgebung rate ich, einfach einmal zu fragen. Sprechen und Kommunizieren helfen immer! Und die Menschen auf der Straße sind mir bezogen auf dieses Thema gleichgültig. Eine Duftwahrnehmung im Vorübergehen ist jedem zuzumuten!
Nein, ich bin ein netter Chef, glaube ich!
Aber Du hast selbstverständlich Recht. :)
Ich auch und es ist ärgerlich, in der U-Bahn habe ich schon Wagons gewechselt. Zum Glück sind in der Arbeit keine solchen Exemplare, sonst müsste ich wieder mehr Homeoffice machen und da werde ich sozial immer so unverträglich...
KA was das ist, aber an Menschen ist dieser eigentlich nette Blattduft fürchterlich ^^
Aber, wie gesagt, an vielen vermisse ich Parfüm eher, als dass ich über lautstarkes Klagen über ein Zu Viel ausbrechen würde ^^
Aber "Cis" habe ich eben zum ersten Mal gehört...
Im übrigen habe ich 2 absolute Oversprayer auf der Arbeit, denen das auch mehrfach gesagt wurde, dass das für andere teilweise unerträglich ist (von mehreren Kollegen!) - und beide machen trotzdem weiter damit... "ja, aber mir gefällts"
Auch in Bus und Bahn begegnen mir gelegentlich Oversprayer - da bin ich (im Gegensatz zum Npro) aber nur kurz und ignoriere das einfach.
Die Abwertung begann, als die Kenntnis dieses Begriffs an „Zivilisiertheit“ geknüpft wurde.
Ansonsten hätte es meine Antwort darauf nicht gegeben. Ich kenne sehr viele zivilisierte und sehr weltoffene Menschen, denen „cis“ als Charakterisierung absolut nicht geläufig ist und die wohl eher an Musik denken würden.
Toleranz ist keine Einbahnstraße.
Zumindest für alle weltoffenen Menschen, die mit der Zeit gehen. Und, ja, es ist durchaus bedauerlich, dass einige Gegenden einiger Länder das langsam, aber sich wieder sein lassen mit der Zivili… na, sagen wir, mit der Weltoffenheit ;) .
Der Rest ist meiner Meinung nach kreative Wortakrobatik zur Beschreibung von Gefühlen und hat nichts mit „Zivilisation“ zu tun. Außer man definiert Berlin-Mitte als Kern-Zivilisation.
Ist dir denn bewusst, dass hier Menschen beinahe jedweder Generation unterwegs sind? Du tust gerade so, als gehörten diese Wortneuschöpfungen zum Allgemeinwissen.
Geh mal in ein oberbayrisches Dorf oder fahr nach Nordfriesland und erklär den Menschen dort „cis“. Viel Erfolg. 🍀
Leider selten genug; obwohl ich wirklich ein CityHopper bin, begegnen sogar mir nur relativ wenige Parfümierte. Ein Großteil dieser oft eher merkwürdigen Beschwerden dürfte auf urbanen Legenden beruhen (so`ne Art Insider-Verschwörungstheorie innerhalb eines sehr kleinen Umfeldes XD).
Auf den Geist gehen mir nur manchmal welche, die nicht merken, dass ihr seit 25 Jahren benutztes Parfüm längst gekippt ist - hier sind weibliche Personen in den Fünfzigern die Hauptverursacherinnen - alles keine Vorurteile, sondern Beobachtungen aus sechs (!) Jahrzehnten -
Männer, die Le Male tragen, sorry sorry, du offenbar recht cooler Herr Gautier - sorry sorry - und Danke nochmal für deine sexy Werbespots in Voir-Streaming - Zeiten … Danke Danke XD - Menschen, die nicht zu wissen scheinen, dass man Waschmaschinen so alles halbe Jahr mal reinigen muss -
schwitzige Nie-Duscher:innen, und: (Fortsetzung folgt) …
Denke, es liegt tatsächlich daran, dass in bestimmten Umfeldern/Altersklassen die Wahrnehmung darauf ausgerichtet ist. Danke! Beim Versuch, Toleranz zu wecken, war ich wohl gerade selber intolerant
Also stellst Du all jenen ihre unangenehmen olfaktorischen Erfahrungen mit „Oversprayern“ in Abrede weil Du das anders erlebst …
well …
Kurzum, es klingt für mich echt nach Überreaktionen. Vielleicht beschränken die sich auch auf ein bestimmtes Umfeld, eine bestimmte Altersklasse, KA.
Dass man Gerüche echt übel findet, kenn ich selber hingegen gut. Und zwar hab i c h das mit Wohnungen. Ich hab ein echtes Problem mit den Gerüchen von Wohnungen anderer Leute - also, normale Wohnungen. Keine Stinkwohnungen.
Außerdem leben wir hier ja generell eher sauber. In Kalkutta hat man im Alltag mit ganz anderen Gerüchen zu kämpfen.
Nichtsdestotrotz gibt es genau eine Richtung, die ich aktuell sehr schwer aushalten kann: Dieser süß-safran-oud-jod-chemische Drydown-Matsch. Da brennen mir die Schleimhäute und es wären mir Tosca, Wish und Poison lieber.
Ansonsten ist es, wie wenn man sich im Stau über die vielen Autos oder im Urlaub über die vielen Touries beschwert: Im Grunde ist man Teil des Problems ;o)
Und, nur so zum Nachdenken: Nenne doch bitte eines Deiner Parfums, das ohne chemisch-künstliche Inhaltsstoffe produziert wird...
Deine "Atomic Rose", "Acqua e Zucchero" oder "Babycat" fallen nun wirklich nicht durch dezente Sillage auf. Hier geht es wohl eher um die Anwendung (->Perfumträger) und weniger um das Parfum.
Meine Erfahrung ist, das selbst bei einem kleinen Sprüher der ganze Raum gefüllt werden kann.
Als ich die Meinung meiner Frau zu einem Duft einholen wollte, meinte sie "du musst mir nicht deinen Arm unter die Nase halten, der ganze Flur riecht danach..."
Das gab zu denken und nun gibt es nur noch zwei Sprüher an den Hals.
Erst heute konnte ich im Gym aus einer Ecke einen starken Duft wie im Bonbonladen riechen, aus einer anderen Ecke vernahm ich Sharaf Blend. Ich fand es heftig überdosiert, in einem Sinne dass sich da jemand exponiert, zum anderen bzgl. der unpassenden Wahl für das Gym. Unangenehm war es mir aber ehrlich gesagt nicht. Hab da schon Schlimmeres gerochen.
Aber generell gebe ich dir Recht. Ein persönlicher Duft sollte nicht viel weiter als max. einen halben Meter reichen.
Direkt nach dem Einsprühen sind Düfte grundsätzlich deutlich stärker (wahrnehmbar). Sobald man das Haus verlässt und einige Minuten vorrübergehen lässt, wirkt ein Parfum deutlich dezenter.
Heißt das, was direkt nach dem Aufsprühen als ,,etwas zu viel" wahrgenommen wird, klingt ab und wird (meist) nicht mehr als ,,zu viel" empfunden.
Und wenn mir mal eine Duftschweif begegnet (was sehr, sehr selten ist), dann erinnere ich mich an mein eigenes Sprühverhalten in den 80'er 😄 u. lass es gut sein.
Ich weiß nicht was es ist, die Geruchsnote ist Bittermandel, mit leichter Süße. Es zerhämmert einem die Schleimhäute, und verursacht fast Augenreizungen.
Dieser starke Duft ist total überdosiert, ich rieche den öfter, bei ganz jungen Männern.
Könnte mir vorstellen, das es irgendein Dupe ist.
Es ist sehr schlimm geworden, überall hat es zugenommen mit den zu stark eingesprühten Menschen, denen man oft nicht entfliehen kann, in den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Beispiel.
Mein Motto ist und bleibt aber:
- Alles unter 10 Sprüher ist Testen
- Alles unter 100ml sind Proben.
Pfft Pfft Pfft Pfft Pfft Pfft Pfft Pfft Pfft Pfft
Das ist leichter gesagt als getan. Kritik ist immer schwierig. Einmal habe ich erlebt, dass es einfach sein musste. Die Dame war einsichtig, aber einen Stein hatte ich bei ihr danach nicht im Brett.
Der Blogeintrag hat mir sehr gut gefallen!
🤭 Vermutlich ist das so ... 😉
Vermutlich wollen die Übereingesprühten die Umwelt liebevoll, großzügig und gratis an ihrem teuren und tollen Lieblingsduft teilhaben lassen... sie sehen das als gute Tat fürs environment und geichzeitige Werbung für sich selbst ;-)
Oder es kommt bei denen die gerne intensiv und auffällig duften zu einer kognitiven Dissonanz im Sinne von „Es kann/darf nicht sein, dass sich andere von etwas das man selbst doch so mag bedrängt, eingeschränkt und belästigt fühlen“.
Vielleicht hast Du eine sehr hohe Resilienz oder Triggerschwelle? 🤔
Ich kann den Beitrag gut nachvollziehen und bin gerade in exakt der beschriebenen Situation.
„Oversprayen“ ist für mich dieselbe Kategorie wie laute Musik in der U-Bahn hören. „Besser als stinken“ ist dann oft ein Argument (aus der Frühzeit der französischen Parfümerie …).
Danke, dass Du das Thema so treffend akzentuiert mal wieder auf‘s Parkett gebracht hast.
stimme deinem beitrag zu, weniger ist (oft) mehr. gern gelesen!