Nosynora

Erwachsen sein, zum ersten Mal, und zu zweit. Meine beste beste Freundin Sandy und ich, Freitag und Samstag Abend auf ihrem Roller in den Club, dann auch schon mal Donnerstag und sogar Mittwoch, und beide mit demselben Duft - N°19. Finanziert durch Schülerjobs, Sandy bei ihren Eltern im Geschäft, ich durch Promo-Jobs in der Fußgängerzone und Aushilfe im Oma-Café. Für uns war unser Parfum der Duft der Freiheit, so bescheuert das nach Zigarettenreklame klingen mag. Wir waren hungrig und fühlten uns stark, vor allem zusammen, es genügte ein kurzer Blick zur anderen, um zu wissen, was sie denkt. Jungs hatten eine harte Zeit, sie mussten zumindest auch das generelle okay der anderen haben, und die Latte hing hoch. Die 19 war eine Art Geheimcode zwischen uns. Wenn wir uns heute treffen wollen, muß eine von uns ins Flugzeug steigen, und wir schaffen das mindestens einmal im Jahr. Sandy riecht jetzt anders, aber ich konnte mich noch nicht trennen vom Duft meiner Jugend, er hat nach wie vor einen festen Platz in meinem Schrein.

Strawberry, das ist mein Nickname für sie, ist 19, noch am Beginn ihrer beruflichen Karriere und muss deshalb ab und an ein Auto steuern, in dem ich ebenfalls sitze. An den Händen am Lenkrad entdecke ich dann ein neues nail experiment, wir plaudern unbefangen über Pop, Netflix-Serien und Free-TV Shows, wobei ihre Boulevardkompetenz die meine um Längen schlägt. Die Autoluft ist dabei jedesmal bis unters Dach erfüllt von demselben Duft - vaporisiertes hochkonzentriertes Erdbeerbonbonextrakt war meine erste Vermutung, aber es ist dann doch Shirin David, oder vielleicht ist ja beides dasselbe. Die Brillis auf dem Flakondeckel sind genauso wenig echt wie ihre Nägeln, aber das stört uns beide nicht. Bin dann aber doch sehr froh, wenn ich bald wieder aussteigen darf. Aber nicht wegen Strawberry, die mag ich.

hat eine sibirische großmutter, studierte englische literatur und trägt häufig und gerne herrenanzüge. trägt diesen duft seit fast zwei dekaden, es ist ihr erster, und vielleicht sogar ihr letzter. denn erstens ist sie ist wahnsinnig konsequent und zweitens zutiefst überzeugt von lediglich zwei produkten: n°5 und der carita augencreme. ich selbst traue dem duft nicht wirklich über den weg, aber an ihr riecht er nach unnachgiebigkeit und nach weib und edelfrau. bin sehr stolz auf meine freundin.

der duft meiner tante, ich nenne sie hier gabi. meine lieblingstante, nummer eins von drei. mochte frau sabatini irgendwie als ernste argentinische volksheldin und ging dafür sogar in den schlecker. trug auch mal cascaya - als sommerduft? - und drückte mich immer etwas fester bei der umarmung als mir lieb war. ein lieb gemeinter walkürenritt, die umarmung wie der duft, und von allem zuviel, so wie die mucke vom wagner.

der duft von meinem ex-boyfreund, ich nenne ihn mal george. sensibel, klug und durchaus eigenwillig. er mochte das orangenwasser gerade eben wegen der dezenten "sillage", weil man ihn nur riecht, wenn man ganz nah an ihn rankommt. fand, er roch ganz fein nach zitrone, habe es aber zum glück zuerst einmal für mich behalten. denn als einmal eine andere zu ihm sagt, "ich hätte nicht gedacht, dass du so gut riechst", nahm er reißaus. sagte, es wäre der einzige duft, den ein mann tragen kann, was in der lesbian community in meinem freundeskreis einen kaufrausch auslöste. ich selbst fand diese statement arg traditionell. warum sollte ein mann denn nicht nach etwas lautem riechen dürfen.