Einführung und Duftbeschreibung
„Für eine Handvoll Dollar“ erwarb ich im Dezember letzten Jahres eine Probe von Terre d'Hermès – Eau de Parfum. Die Parfümwelt war für mich unentschlossenes Neuland (immer noch). Beim ersten glänzenden Tropfen Wasser aus dem Sprühkopf, der sich durch das enge Röhrchen des Zerstäubers hinaus in die Freiheit gekämpft hat, wusste ich, dieser Duft ist etwas Besonderes, etwas Magisches – Zauberwasser, nicht von dieser Welt. Hätte ich einen Signaturduft gesucht, wäre ich hiermit sogleich in die Zielgerade eingelaufen.
Eine Duftpyramide, die schlichter nicht sein könnte. Grapefruit/Orange, Zedernholz, Shiso und Benzoe. Der Duft beginnt zitrisch-frisch und klingt holzig-erdig ab- so die Kurzfassung. Lasst mich versuchen, die Duftentwicklung bildlich zu veranschaulichen. Literweise zitrischer (Orangen-/) Grapefruitsaft ergießt sich über den vertrockneten, erdigen Boden eines Zedernwalds. Im Laufe der Zeit paart sich der an den Zedern herunterlaufende Saft mit den Harzen der Zedern, daraus resultiert die holzig-harzige Note. Der zitrische Regen klingt ab, die Wolken lockern, die sengende Sonne trocknet die nassen Zedern und den durchfeuchteten Boden, wo auch Süßgras blüht. In Folge entfaltet sich ein wohlduftendes Aroma sondergleichen. Das muss man selbst erlebt haben, keine Beschreibung wird diesem Meisterstück gerecht. Vielen Dank an den Schöpfer dieser Kreation – Jean-Claude Ellena.
Intermezzo – Sergio Leones Western-Epos „Zwei glorreiche Halunken“
High Noon. Sengende Hitze. Wortkarge Männer. Eiskalte Blicke. Der finale Standoff des Films ist ein Paradebeispiel in Sachen Filmschnitt und dauert gefühlt eine Ewigkeit- tatsächlich sind es knapp unter zweieinhalb Minuten. Die Kamera fängt die Dramatik gekonnt ein, indem die Kameraeinstellung mit voranschreitender Zeit von der halbnahen bis hin zur extremen Großaufnahme (Close-up) wechselt, gleichzeitig erfolgt der Schnitt zwischen den Bildern immer rascher (65 Mal insgesamt). Die Musik untermalt das Geschehene rhythmisch in Perfektion- wird stets lauter, facettenreicher und pompöser. Im finalen Moment reißt die Musik abrupt ab, um den Schüssen der Revolver Platz zu bieten - Peng! Der namenlose Held siegt. Gänsehaut, so muss Kino!
Der namenlose Revolverheld, häufig Blondie (Clint Eastwood) genannt, ist ein gutmütiges Schlitzohr und sucht nach verheißungsvollem Gold. Zielstrebig schreitet er durch die weitläufige Wüsten- und Steppenlandschaft des vom Bürgerkrieg vernarbten Amerika, stets im Angesicht der Gefahr. Arglistigen Widersachern verpasst er ohne zu zögern ein zusätzliches Loch. Selbst in brandgefährlichen Situationen ist er um ein verschmitztes Lächeln nicht verlegen, was Souveränität und Selbstsicherheit ausstrahlt. Er bekommt, was er will- ohne Kompromiss. Er palavert nicht (im Gegensatz zu mir), sagt nur das Notwendigste. Konträr zu seinem Kumpanen Tuco (Eli Wallach) macht er stets einen gepflegten und sauberen Eindruck. Kurzum: Er ist das, was ich als Archetypen eines echten Kerls bezeichnen würde.
Finale
Und jetzt die spannende Frage des Lesers- was hat diese geschwätzige Abschweifung mit dem Parfüm zu tun? Ganz einfach: In meiner Welt tragen Archetypen echter Kerle Terre d’Hermes EdP. Mag es an der Farbe des Wassers im – zwar schlichtem, aber elegant und hochwertigen – Flakon liegen (leicht rot/ bräunlich), oder aber am Namen selbst (Erde von Hermes) - ich assoziiere mit dem Duft sofort eine Steppenlandschaft. Trockene Gräser, altes Holz, weitläufige Aussicht, Natur eben – Terre – Erde. Genau jene Landschaft, von der wir unzählige Panoramen in Sergio Leones Film sehen. Das mag für einige negativ konnotiert sein, für mich aber bedeutet dies grenzenlose Freiheit- die Möglichkeit, alles zu tun wonach man strebt. Die zitrische Frische gepaart mit der erdig-holzigen Aura verleiht dem Träger eben jene Eigenschaften, die ich im vorangegangen Absatz beschrieb. Unzählige weitere, genauso passende Adjektive sind: authentisch, dominant, erwachsen, geschmackvoll, klassisch, opulent, potent, tugendhaft, unwiderstehlich. Wie ein treues, kräftiges und ausdauerndes Pferd hält dieses Zauberwasser es lange Strecken ohne Rast aus und verspricht bis zu acht Stunden hingebungsvolle Einsatzbereitschaft gegenüber seinem Träger.
Für mich ist es flüssiges Gold, das Freiheit verspricht.
Passende Musik: Ennio Morricone – The Ecstasy of Gold
Addendum
„Für eine Handvoll Dollar mehr“ erwarb ich inzwischen einen eigenen Flakon. Der Duft wird mich sicherlich bis spät in meinen Lebensabend auf die eine oder andere Weise begleiten. Signaturduft? Vielleicht, darauf mag ich mich nicht festlegen. Es liegt schließlich noch eine weitläufige Steppenlandschaft, die erkundet werden möchte, vor mir. Wer weiß, welche wunderbaren Schätze sich mir auf dem Weg noch offenbaren?