D'animo nobile - zu Besuch bei Nobile 1942

Italien hat ein duftendes Profil. Es gibt „typisch italienisch“ bei Parfum. Cologne-artig, gerne zitrisch und kräuterig, leicht, frisch und natürlich anmutend. Es gibt auch viele aus Italien stammende Parfums komplett anderer Machart und solche, die bei der italienischen Tradition anfangen, um von dort aus woandershin zu gehen - aber wenn man ein Muster umreißen möchte, sind die vielen typischen „Acquas di Irgendwo“ eine olfaktorische Visitenkarte.

Wenn wir, Louce und Ronin, uns ein italienisches Label genauer anschauen und seine Parfums riechen, dann fragen wir uns: „Wie italienisch ist es?“. Genauso haben wir uns auch den Düften von Nobile 1942 genähert, als wir uns vorbereiteten auf unser Treffen mit dem Ehepaar Stefania Giannino und Massimo Nobile in Genua. Wir kannten einzelne Parfums und einige Parfumo-Rezensionen und wollten uns nun ein systematischeres Bild machen.

So ganz ist uns das in der Vorbereitung nicht gelungen. Wir konnten typisch italienisch und ganz und gar unitalienisch Duftendes ausmachen. Da rochen wir einmal den sonnigen Küstenkräuter-Whiff und dann wieder einen ungewohnten, komplett nischig daherkommenden Ansatz. Ein klassischer Zitro-Sonnen-Begleiter und ein extrtakrautiger Toskana-Lavendel begegneten uns genauso wie ein moderner, opulenter Chypre und ein vanilliger Cashmeranduft. Wir einigten uns darauf, dass das Nobile 1942-Portfolio nicht so leicht zu etikettieren ist, dass die Düfte für „Uomo“ vielleicht etwas italienischer riechen als die für „Donna“ und dass wir die Frage nach dem Italienischen gleich als erste stellen wollen bei unserer Begegnung.

Diese Begegnung im November 2013 startet besonders gut gelaunt. Stefania Giannino empfängt uns in den Firmenräumen von Nobile 1942, wo sie und ihr Team gerade an Marketing und Administrativem arbeiten. Ihre junge und aktive Hündin und unser mitgebrachter (ebenso junger und aktiver) Hund stürzen sich in wilder Spontanfreundschaft aufeinander und knäueln sich durch die Räume. Großer Spaß, großes Tohuwabohu: Es kann kaum noch jemand vernünftig weiter arbeiten und unser Interview beginnt mit Hunde-Talk und viel Lachen, während die beiden laut und raumgreifend beim Spiel die Fetzen fliegen lassen. Irgendwann dann (nach vielen vergeblichen Versuchen, beruhigend einzuwirken) beschließen wir, die beiden zu trennen und tatsächlich zum Thema zu kommen, während unser Hund im Auto warten muss.

Also… wie ist das nun mit dem italienischen Profil? Stefania Giannino überlegt, schmunzelt und antwortet dann:

„Das ist wirklich eine interessante Frage … ich glaube, ich antworte am besten mit einem kulinarischen Vergleich: Die italienische Küche versucht Gerichte zu erschaffen, die verstanden werden. Gute Zutaten, die möglichst natürlich zubereitet werden. In der italienischen Parfumerie ist es ähnlich: der erste Fokus liegt auf der Qualität der Rohstoffe, erst danach kommt die Zusammenstellung. Was das angeht, ist Nobile 1942 sehr italienisch. Aber da wir bisher mit französischen Parfumeurinnen, hauptsächlich mit Marie Duchêne, gearbeitet haben, kommt noch etwas dazu, was vielleicht typisch französisch ist. Man könnte sagen, die Nobile-Düfte sind Ergebnis eines italienischen Blickwinkels auf die Parfumeurskunst französisch-internationalen Ursprungs. Der Esprit ist italienisch.“

Sie überlegt weiter.

„Aber ich kann das auch viel einfacher sagen: Ich bin Italienerin. Das, was ich einbringe, meine Ideen und Vorlieben sind natürlich ziemlich italienisch und treffen dann auf etwas ziemlich Französisches.“

Wir bitten sie, ihre Rolle genauer zu beschreiben.

„Ich bin nicht ursprünglich Parfumeurin und komme eigentlich aus einer ganz anderen beruflichen Richtung, nämlich aus der medizinischen. Dann hat Massimo mich aber für sein Metier begeistert und mir die Möglichkeit gegeben, in das Thema Parfum und das kreative Arbeiten damit einzusteigen. Das passte. Das war neu und zuerst natürlich fremd, aber zugleich so reizvoll, so schön und spannend. Dann habe ich gelernt. Immer mehr. Meine Aufgabe ist, die Parfums zu entwerfen, den Charakter, die Idee entstehen zu lassen und dann, gemeinsam mit jemandem, der Parfumerie handwerklich gelernt hat, daran zu arbeiten und es technisch und fachgerecht umzusetzen. Seit mittlerweile neun Jahren mache ich das nun. Am Anfang war ich weniger erfahren, weniger sicher und mehr angewiesen auf Maries Vorschläge. Vielleicht kommt daher der Eindruck, die Parfums seien in ihrem Wesen unterschiedlich mehr oder weniger italienisch: Wenn ich mich stärker und souveräner einbrachte, ist dieser Einfluss bestimmt deutlicher… bei Estroverso zum Beispiel. Da finde ich diesen italienischen Esprit sehr stark.

Das Individuelle, also mein persönlicher Stempel, war immer das Ausschlaggebende… aber wie wirksam ich das mit einzelnen Noten, mit Detailideen und genauen Vorstellungen darstellen kann - das hat sich verändert. Inzwischen arbeite ich viel freier. Ich weiß genau, was ich will und wie es geht. Ich bin immer noch dankbar für konkrete Lösungsansätze bei Fragen der Umsetzung, aber ich verstehe auch den handwerklichen Teil der Arbeit und kann meinen kreativen Part so ganz klar und frei einbringen und ihn auf diese Art riechbar real werden lassen.“

Um dafür ein Beispiel zu geben, erzählt Stefania Giannino lächelnd und mit Stolz von ihrem Parfum „La Danza delle Libellune:

„Das ist in höchstem Maße meine ureigenste Kreation. Ich habe eine durch und durch klare Idee gehabt und dazu ein genaues Konzept, mit dem es aufging. Und es ist so einzig, so eigenständig… und dabei so schön. So ist meine Arbeit: Ich will und könnte gar nicht Parfumeurin sein - das, was ich gut kann und was meine Parfums ausmacht, ist, dass ich das, was ich mitbringe - meine Persönlichkeit, mein Wissen und meine Erfahrungen mit Duft aber auch gerade die mit anderer Kunst - in einen Dialog auf Augenhöhe bringe, damit sie zu Parfum werden können.“

„Typisch italienisch“ ist der Duft von Frischnatürlichem und daher rührt die Wichtigkeit der Rohstoffqualität, die die Kreateurin ja auch gerade betont hat. Stefania Giannino bestätigt unsere Vermutung, dass die Nobile-1942-Parfums einen gehörigen Anteil natürlicher Ingredienzien haben. Aber wie lässt sich da die konstante Duftstoffqualität sichern? Ist es bei einem hohen natürlichen Anteil nicht automatisch so, dass die einzelnen Parfumchargen schwanken müssen?

„Es kommt auf die Mazeration an.“ verrät sie uns. „Mittlerweile haben wir uns entschieden, die Mazeration komplett bei uns im Haus und unter unserer Regie vorzunehmen. Das heißt, es wird erst abgefüllt, wenn sich die Parfummischungen gänzlich harmonisiert, die Kompositionen sozusagen gesetzt haben. Nur so können wir absolut sicher stellen, dass die Parfums sich im Flakon nicht mehr verändern. Das dauert zwar länger, aber unsere Düfte profitieren sehr von diesem Effekt.“

Inzwischen ist Massimo Nobile gekommen und begleitet, eigentlich an seinem Schreibtisch mit anderer Arbeit beschäftigt, die Ausführungen seiner Frau mit heftigem, manchmal sehr heftigem Nicken und ständigem Lächeln.

Nobile… das Wort klingt nach „edel“, „kostbar“, „ausgesucht“ und vor allem nach einer guten Marketingentscheidung für einen exzellent ins Parfum- und Kosmetikbusiness passenden Namen. Aber das ist es nicht, sondern einfach ein Familienname. Massimo Nobile ist Enkel des Firmengründers Umberto Nobile und kümmert sich um den Vertrieb vieler Nischen- und Edelmarken auf dem italienischen Markt, auch der eigenen, die den Namen der Familie - kombiniert mit dem Gründungsjahr der Firma – trägt und für die seine Frau Stefania die verantwortliche Kreativdirektorin ist.

Nun steht er auf, kommt zu uns und spricht, sichtlich bewegt und gestenreich, davon, warum er so glücklich ist:

„Es ist unglaublich, wie mein großer Traum mit Stefania Wirklichkeit wurde! Mein Traum hatte drei Säulen: erstens wollte ich in dieser wunderbaren Arbeit mit Parfum Fuß fassen und davon leben, dass ich mit Schönem umgehe, zweitens wollte ich dies mit meiner Frau tun: ich wollte Seite an Seite mit ihr arbeiten und jeden Tag ihre Nähe genießen, keine Trennung von beruflichem und privatem Glück erleben müssen und drittens wollte ich diese Freude an Duft anderen geben, sie mit der ganzen Welt teilen. Die ersten beiden Punkte sind voll umgesetzt und am dritten arbeiten wir jeden Tag recht erfolgreich.“

Zur Frage, was an italienischer Parfumerie denn nun italienisch sei, sagt Massimo Nobile, es sei für ihn wie bei Kleidung. Es gibt einen eigenen italienischen Modestil: „… und zur italienischen Kultur gehört es, sich gut zu kleiden. Ein gutes Parfum ist wie ein Kleidungsstück.“

Zum Thema Kleidung passen die Parfums der Vespri-Reihe, die zu verschiedenen Kleidungsstilen je einen passenden Duft anbieten möchten. Während wir weiter erzählen, werden Duftstreifen mit Vespri Orientale eingesprüht, dem vierten Duft der Serie. „Vespri Orientale“ riecht direkt auf dem Blotter so, wie man sich ein italienisches Parfum vorstellt: zitrisch, krautig, natürlich leicht. Mit größerem Abstand wird aber eine leichte Oudnote bemerkbar. Das finden wir spannend, denn bei Oud-Parfum ist meistens der Oud-Aspekt so nachdrücklich und bisweilen vorschlaghammermäßig inszeniert, dass es mal sehr reizvoll ist, die Oud-Duftspur anders in einer Komposition zu erleben.

Die Kreateurin betont, dass es ihr genau darum ging in der Komposition von „Vespri Orientale“: „Ich habe mir einen Oud-Duft gewünscht, der nicht wie all die anderen daher kommt, von denen der Markt gerade so voll ist.“

Beim Stichwort „Markt“ fragen wir nach der Marktposition von Nobile 1942. Die beiden erzählen uns, dass sich die frischen Düfte in Japan sehr gut verkaufen. Japan ist der viertwichtigste Absatzmarkt. Der größte Umsatz wird in Russland getätigt, mit Schwerpunkt auf extrem luxuriösen Flakons und Sonderanfertigungen (hierzu zeigt uns Stefania Giannino ein paar unglaublich kostbar wirkende, filigran-verspielte Flakons, die speziell für die russische Nachfrage von ihr entworfen werden). Die Nummern Zwei und Drei der nationalen Märkte sind Italien und Deutschland. Das Parfum, das am meisten Beifall und Absatz findet ist „La Danza delle Libellule“.

Aber der „normale“ Parfummarkt ist nicht das einzige Feld. Die Duft- Gestalterin erzählt uns von dem Projekt, das sie am Wochenende vor unserem Interview nach Venedig führte: dort werden im Hotel Danieli für drei Zimmer Raumdüfte geschaffen mit den Themen Greta Garbo, Grace Kelly und Maria Callas. Es wird auch einen vierten Raumduft geben, für den Dogen von Venedig, die Ideen hierzu sind noch im Anfangsstadium.

Leben und Erfahrungen der Personen, die das gesamte Stil-Konzept der Räume inspirieren, sollen bei der Duftwahl berücksichtigt werden, mit Betonung der individuellen psychologischen Aspekte.

Dafür entstehen gerade die Entwürfe: Zu Greta Garbo passt möglicherweise ein Chypre, vermutet die Parfummacherin, und bei Grace Kelly bietet sich ein weißblütiger Ansatz mit einem duftenden Kontrapunkt, denn ihr Leben war wundervoll, wie im Märchen – bis zum tragischen Unfall.

Ein Duft, der ein olfaktorisches Bild von Maria Callas sein soll, müsste recht eigenwillig werden, denn sie war neben ihrer Größe und dem glänzenden Image nicht einfach und dabei sehr verletzlich. Als Griechin könnte für sie die Feige ein guter Ansatzpunkt sein, aber die dürfe dann nicht zu süß werden. Möglicherweise passt hier gut das Duftprofil des Parfums „Vespri Orientale“: energiegeladen zu Beginn, später dann kontemplativ.

Bei den Überlegungen zum Raumduftprojekt sprudelt Stefania Giannino vor Ideen und ihre Augen glitzern.

Als wir ein wenig zu Parfumo erzählen wollen und ausholen, was für eine Community wir vertreten und was da so passiert, lacht Stefania Giannino nickend und wir stellen fest, dass wir gar nichts erklären müssen – sie kennt Parfumo sehr gut. Ihr Team verfolgt sogar regelmäßig die Parfumo-Kommentare zu Parfums von Nobile 1942. Das Feedback, dass diese geben können, wird hoch geschätzt.

Das geht soweit, dass just in dem Moment, als wir da sind, die Parfumeurinnen-Praktikantin, die derzeit im Team arbeitet, den Vergleich von „Café Chantant“ mit „Vanille“ von Réminiscence auf ihrer To-Do-List hat, denn auf Parfumo wurden die beiden als Duftzwillinge bezeichnet und nun will man heraus finden, ob das zutrifft. Sie kommt aus dem Nebenraum rüber und wir werden gleich mit eingespannt. Alle riechen abwechselnd an Duftstreifen und Handgelenken. Ja, da ist eine Ähnlichkeit: beide Düfte starten mit Sternanis und münden in eine deutliche Cashmeran-Vanille-Basis. Das war es aber auch schon mit Gemeinsamkeiten – die beiden Parfums sind infolge der Grundrichtung verwandt aber dabei ziemlich unterschiedlich, selbst die Anisnote ist im Nobileduft krautiger, frischer und weniger fett, dafür ist die Réminiscence-Vanille dunkler.

Holt sich Stefania Giannino auch Inspirationen auf Parfumo oder anderen Internetseiten rund um Parfum? Das nun wieder nicht, erklärt sie. So willkommen diese Rückmeldung der Kundschaft ist, ist es doch kein direkter Impuls für ihre Arbeit: „Ich mache nie ein Parfum, um damit Erfolg zu haben oder einem Trend zu folgen.“

Was sind die kommenden Duftprojekte, die Ideen und Ziele für die Zukunft? „Wir wollen höhere Konzentrationen ausprobieren.“ erzählt sie uns. „Ein weiteres Vorhaben ist ein sehr männlicher Herrenduft um Tuberose herum, der Arbeitstitel ist „Gladiator“. Die Spannung zwischen der weiblich konnotierten Tuberose und einem männlichen, richtig machohaften Kontext, ist die Inspiration. Der kreative Prozess dürfte noch 7-8 Monate dauern.“

Wir fragen nach ihren Liebslingsdüften außerhalb des eigenen Hauses: als 20-25jährige hatte sie „Coco“ von Chanel als Signaturduft und verbindet daher mit diesem Parfum viele Erinnerungen, erzählt sie. Ihr aktueller Lieblingsduft ist „Le Parfum de Thérèse“ aus der Edition de Parfums Frédéric Malle“. Ein weiteres Parfum, das sie liebt, ist „Emeraude“. Überhaupt schätzt sie alles von Coty. „Ich bevorzuge Coty gegenüber Guerlain – ich mag die Klarheit und die Kontraste der Cotyparfums. Guerlain hat, wenn sie eine Idee von Coty aufgegriffen haben, immer eine eng verwobene Komposition gewählt. Mir sind aber Kontraste wichtig!“

Der reizvolle Kontrast ist der Kreativen sehr wichtig ob für ihr ganz privates Benutzen von Parfum oder das Gestalten von Neuem.

Zum Abschluss dieses selten sympathischen und offenen Gesprächs wollen uns Stefania Giannino und Massimo Nobile eine Freude machen und fragen nach einem Nobile 1942-Parfum, das wir gerne für unsere Nasen hätten. Wir sagen, dass wir den Amberduft „Ambra Nobile“, sehr schätzen und bevor wir bescheidene „Aber-das-wäre-doch-nicht-nötig“-Einschränkungen machen können, nimmt uns das Ehepaar mit ins Untergeschoss … um uns zu zeigen, was das eigentliche Dankeschön ist: Sie füllen uns persönlich diesen Flakon ab!


Im Lager, dem Allerheiligsten von
Nobile 1942, sehen wir Regale voller Düfte und leerer Flakons, große Flaschen mit den fertig gemischten, noch ungefilterten Parfums und die ganzen Geräte, die auf dem Weg vom Alufass zum edlen Flakon fachmännisch bedient werden müssen – und zwar von Hand, denn bei dem kleinen Label wird noch alles händisch und in Einzelarbeit gemacht. Die Nobiles machen sich gemeinsam ans Abfüllen, Vapo-Verschluss-Versiegeln und Etikettieren, dann versehen sie unser Parfum im nicht serienmäßigen Flakon mit einer Widmung. Exklusiver geht es wohl nicht.

Mit unserem Flakon, vielen Notizen, unterbelichteten Fotos, bunten und schönen Erinnerungen sowie mit vielmals wiederholten und bekräftigten Grüßen von Stefania Giannino und Massimo Nobile an Parfumo und alle Member der Community machen wir uns auf den Weg zum im Auto schlafenden Hund, während es inzwischen dunkel, aber nicht kalt geworden ist und eine pittoresk-idyllische Sternennacht über Genua funkelt.

Sehr italienisch, finden wir.

Vielen Dank an Louce & Ronin für das Interview

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