Das Experiment: Ein Oud-Parfum ganz ohne Oud - Incense Oud by Kilian

Auch dieses Jahr erfreut uns das Nischenlabel ,,by Kilian" wieder mit einem neuen Oud Duft. Schon in der Vergangenheit hat Monsieur Hennessy die verschiedenen Facetten des begehrten Räucherholzes in Parfums eingefangen. Da war das überaus raue und erdige "Pure Oud". Im zweiten Duft wurde das Oud gezähmt und in ein Meer aus süß/fruchtigem Rosenlikör eingebettet, "Rose Oud". Während diese beiden von Calice Becker kreiert wurden, stammt der neue Arabian Nights Duft von Sidonie Lancesseur, welche bereits "Cruel Intentions" und "Straight to Heaven" für Kilian kreiert hat. Also haben wir nun "Incense Oud". Und was ich erst jüngst in Erfahrung bringen konnte ist, dass "Incense Oud" gar kein Oud enthält. Mme Lancesseur hatte die Aufgabe, den Geruch von Adlerholz durch eine Kombination von Sandel- und Zedernholz mit Patchouli heraufzubeschwören. Sparmaßnahmen im Hause Kilian? Betrug? Oder spannendes Experiment? Die Antwort muss jeder Parfumfreund für sich selbst finden. Der Preis für Incense Oud ist dem der anderen arabischen Kilians gleich: 295€ für 50 ml Eau de Parfum. 50 ml Refill gibt es für 125€. Man zahlt also eine Menge für die Verpackung. Ob nun auch der Duft Wert ist, was der Preis verspricht? Weihrauch und Oud, das ist keine ungewöhnliche Kombination. Allerdings ist auch "Rose Oud" besser als ich zunächst annahm. Daher gebe ich auch Incense Oud eine Chance und gehe ganz unvoreingenommen an den Duft heran.

Incense Oud beginnt mit dem Geruch kühler Weihrauchschwaden. Es riecht trocken, mit einem leicht zitrischem Beiklang. Dieser kommt vom Duftstoff "methyl pamplemousse", welcher dem Geruch von Grapefruit nahe kommt. Die erste Assoziation ist kühle Wüstenluft in einer Nacht die so klar ist, dass man die Sterne am Himmel erkennen kann. Ein angenehmes Frösteln löst Incense Oud aus und schlägt nur wenige Minuten später eine neue Richtung ein. Was geschieht nun? Vermag die kühle Wüstenluft an wärme zu gewinnen, mitten in dieser eikalten, sternenklaren Nacht? Ja, das Sandelholz lenkt den zuerst sehr kühlen Duft in eine etwas wärmere Richtung und verleiht ihm einen kleinen Anteil an Süße. Dennoch bleibt der Duft sehr trocken und nimmt mit der Zeit auch an Würze zu. Die Weihrauchschwaden senken sich, sie verschmelzen mit dem Sandelholz und einer Spur Kardamom und Pfeffer. Es entsteht eine dissonante Harmonie, sinnlich und zugleich distanziert gibt sich Incense Oud. Gegensätze ziehen sich an, so ist es auch mit den Duftnoten dieses Eau de Parfums. Einerseits haben wir die einladenden Hölzer und Gewürze, andererseits sind da die kühlen Weihrauch und Moos Akzente (leider nur noch Weihrauch Akzente...). Doch beide Seiten vertragen sich, keine tut der anderen weh, sie unterstützen und ergänzen sich perfekt. Von hier an wird der Duft immer leiser. Und hier sind wir schon bei meinem großen Kritikpunkt angekommen. Incense Oud ist etwas ZU zahm für einen Parfum mit dem Begriff ,,Oud" im Namen. Es fehlt ganz einfach echtes Oud. Das Experiment von Sidonie Lancesseur, den Geruch von Adlerholz durch Kombination anderer Noten zu erreichen, ist fehlgeschlagen! Im Fond bemerkt man die Abwesenheit des voluminösen Räucherholzes am Meisten. Es bleibt lediglich ein süßliches Wispern, mit dem kleinsten Hauch von Weihrauch. Wenn man sich konzentriert, vermag man noch zu erahnen dass hier mal ein gutes Parfum aufgetragen wurde. Aber es bleibt bei der Ahnung. Dieses Phänomen beobachtet man leider sehr oft bei Parfums: Sie beginnen wundervoll und prächtig, gehen in ein noch akzeptables Herz über und brechen anschließend in sich zusammen. Bei Incense Oud tut mir das besonders leid, denn aus diesem Duft wäre sehr viel mehr herauszuholen:

Oud! Man hätte wie auch bei den Vorgängern mit Oud arbeiten müssen und keine Experimente à la ,,wir machen kein Oud rein und schreiben es trotzdem drauf" machen sollen. Das ist irreführend und letztendlich (meiner Meinung nach) Betrug. Die Abwesenheit von Oud ist sehr deutlich zu erkennen, wird aber zunächst noch vom Weihrauch kompensiert. Aber schon ab dem Herzen beginnt die ganze Angelegenheit stark abzuflachen und an Volumen zu verlieren. Etwas mehr Holz oder Würze hätten hier gut getan, vielleicht noch mehr Weihrauch. Denn der wird nach einer halben Stunde schon recht schwach. Was bleibt? Ein Eau de Parfum namens ,,Incense Oud", welches kein Oud enthält und über eine sehr instabile Weihrauch Note verfügt. Es ist so schade, war der Auftakt doch so vielversprechend...

Incense Oud ist eindeutig der unspektakulärste Duft aus der Arabian Nights Kollektion. Wo Pure Oud durch raue Erdtöne überzeugen konnte und Rose Oud einen mit seinem Kontrast aus samtig und rau einwickelte, kann Incense Oud lediglich eine ca. 1 Stündige Präsentation aus Weihrauch, Sandelholz und Kardamom bieten, welche äußerst sinnlich wirkt, aber zu schnell verebbt. Die erste Enttäuschung aus Kilian's arabischem Duftportfolio. Ist es mittlerweile ein Trend mittelmäßige Parfums zu verkaufen? Auch Love and Tears (aus der L'Oeuvre Noire Kollektion) konnte in keiner Weise mit seinem einseitigen aber intensiven Seinfeblasenjasmin-Geruch überzeugen. Lieber Monsieur Hennesy, seien Sie doch so Gnädig und lassen Sie beim nächsten Arabian Nights Duft wieder Calice Becker an die Arbeit, denn ich habe große Erwartungen an ,,Amber Oud".

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