Picknicker

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Rezensionen
Picknicker vor 11 Jahren 15 7
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Heiraten?
Welchen Duft sucht man sich für den ersten eigenen Kommentar aus? Nun, es sollte wohl ein Parfum sein, zu dem es noch relativ wenig Rezensionen gibt, zudem sollte es sich idealerweise um einen Duft handeln, den man persönlich sehr schätzt, der evtl. sogar als (verborgenes?) kleines Meisterstück angesehen werden kann. Da trifft es sich gut, dass auf Frapins L`Humaniste beides zutrifft.

Manchen ist der Name Frapin zuallererst in Verbindung mit Cognac bekannt, ist das 1270 gegründete Haus Frapin doch einer der bekanntesten Hersteller überhaupt was jenen berühmten Weinbrand angeht. Seit 2002 gibt es nun zudem Frapin-Düfte, die bisher alle bestimmte Charakteristika gemeinsam haben: Einen Bezug zur Unternehmensgeschichte und zur Landschaft der Grande Champagne, eine meiner Meinung nach immer sehr gut ausgewogene Komposition, hochwertige Rohstoffe und oft eine gewisse „Booziness“, also eine gut eingewobene Duftnote, die jeweils an ein bestimmtes alkoholisches Getränk erinnert. Auf der Homepage kann man ein schönes Probenpaket der Frapindüfte zu einem guten Preis erstehen, man wird hier schwer einen Duft finden, der nicht gut komponiert wurde. Vom meiner Meinung nach unterschätzten „Speakeasy“ mit Rum, Minze und Leder, über Caravelle Epicee, bei dem man die alten, mit Gewürzen oder edlem Cognac gefüllten Eichenfässer zu riechen glaubt bis hin zu 1270, einem der schönsten Gourmands auf dem Markt. Neben 1270 ist aber L`Humaniste der Edelstein im Sortiment von Frapin.
Ich pflichte meinen Vorrednern bei, natürlich ist L´Humaniste ein weiteres, zitrisch angehauchtes Sommerparfum und doch ist es deutlich mehr.
Gewidmet ist der Duft einem berühmten Mitglied der verzweigten Frapin-Dynastie, Francois Rebelais, einem bekannten Autor der französischen Renaissance und Anhänger des sich neu formierenden Humanismus. Seine Werke waren satirische, moralisch häufig unkorrekte und surreal-witzig übertriebene Romane. Augenzwinkernd verweist Frapin darauf, dass L´humaniste eine Anspielung sei auf die „göttliche Flasche“, sie soll dem Riesen Gargantua in einem Roman Rebelais die Frage beantworten, ob er heiraten soll oder eben lieber doch nicht.
Ob Heiratswillige oder -unwillige in L´humaniste eine Antwort auf diese Frage finden, wage ich dann doch zu bezweifeln. Auf jeden Fall soll der schöne Holzdeckel des schlichten Flakons an die Frapin-Cognacfässer erinnern, er wird angeblich in der Gegend des Stammhauses von Hand produziert.
Der Humanist startet sofort mit einem würzig-pfeffrigen, wunderbaren Zitrus-Kick, doch bereits hier erkennt man, dass es sich eben nicht um einen "Allerwelts-frisch-geduscht-Sportduft" handelt. Denn gleich wird die Frapin-DNA erkennbar, die Booziness, ein Gin-Tonic-Akkord, eine wunderbare, leicht „alkoholisch“ angehauchte Wacholder-Minz-Erfrischung. Ich sehe mich mit weißem Hemd, Leinenhose und gebräunter Haut an einem sonnigen Spätnachmittag oder frühen Abend an einer Freiluft-Bar am Mittelmeer (in Südfrankreich?). Ein kühlender Luftzug von See weht mir leicht den Geruch eines eiskalten Gin-Tonic mit Minzblättern in die Nase. Um mich herum gut aussehende und elegant gekleidete Frauen und Männer, die sich an der Bar auf die kommende Sommer-Ausgehnacht einstimmen, die Bar ist erst der Anfang, der Abend ist noch jung! L`Humaniste passt hervorragend dazu, denn unter dem zitronigen Gin-Tonic-Kick wird bereits die unaufdringliche und doch deutlich wahrnehmbare Eleganz und Sinnlichkeit der Tonkabohne mit Anklängen an Mandeln und Tabak deutlich. Der scheinbar einfache und doch vielschichtige Duft, die durchaus gute Haltbarkeit , die Vielseitigkeit und eine gut abgestimmte Projektion machen L´Humaniste meiner Meinung nach zu einem kleinen aber feinen Meisterwerk. Mit dem Humanisten aus dem Hause Frapin dürften Verehrerinnen nicht lange ausbleiben, man muss sie ja nicht gleich heiraten!
7 Antworten