Pluto
Plutos Blog
vor 11 Jahren - 06.10.2013
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Erinnerungen um (durch) Rive Gauche

Düfte und Musik setzen bei mir oft ein Kopfkino in Gang, plötzlich kommen alte Erinnerungen oder Bilder hoch, Und oft weiß ich nicht genau, warum mir auf einmal alte Kamellen durch den Kopf gehen. Jetzt gerade im Urlaub ist dies wieder passiert, diesmal war der Auslöser ein Duft, das weiß ich.

Wir saßen beim Essen im Lokal, am Nachbartisch saß eine muntere, gemischte Runde. Einer der Männer schob sich an meinem Stuhl vorbei, mit ihm kam eine kleine Duftwolke vorbei. Ah, KL, der populäre Klassiker aus den 80-ern, lange nicht gerochen. Nun, meins ist er nicht, habe ich ihn doch im Alter zwischen 18 und 25 an so vielen, meist überdosiert, gerochen, dass ich ihn eine Zeitlang kaum ertragen konnte. Aber die Dosierung war okay und ich fand ihn ganz angenehm. Nach einer Weile kam mit einer Dame vom selben Tisch wieder eine Duftwolke vorbei, hm, riecht gut, kenn ich, aber was ist es? Ich kam nicht drauf. Aber auf einmal dachte ich an meinen ersten Urlaub mit 18, ohne Eltern, aber mit Freund: Zelten in Frankreich, Anfang der 80-er. Und dann machte es klick, der Duft war Rive Gauche.

Mein Liebster war in Lübeck stationiert, weit weg vom Rheinland. Von seinem Bundeswehrkumpel Detlev kam die glorreiche Idee, mit ihm nebst Freundin nach Frankreich, in die Nähe von Paris, zelten zu fahren. Detlev hatte einen alten Käfer und das gab den Ausschlag, waren wir doch noch autolos und ohne Führerschein. Fröhlich habe ich im Büro verkündet, es geht nach Frankreich. Ich war noch in der Ausbildung und ein lieber Sachbearbeiter aus der Garantieabteilung hatte direkt einen Auftrag für mich. Er drückte mir einen Zettel in die Hand, darauf stand: Rive Gauche, YSL. Was ist denn das? Strafender Blick. Schätzchen, ein Superparfum, das bringst Du mir mit, hier ist es teuer und schwer erhältlich. Klar, mach ich, war er doch ein ausnehmend netter und gut aussehender Kollege und wie ein großer Bruder für mich. Und zum Bedauern einiger Kolleginnen für die Damenwelt verloren, weil er vom anderen Ufer war. Und ich hatte damals keine Ahnung – trotz Französisch Leistungskurs – was Rive Gauche bedeutet.

Der 1. Wehrmutstropfen passierte schon vor der Fahrt, die Freundin des Kumpels durfte nicht mit, entsprechend schlecht war die Stimmung. Kurz vorm Ziel platzte dann der Reifen, den Ersatzreifen hatten wir natürlich im Keller gelagert, sonst wäre ja kein Platz fürs Gepäck gewesen. Dies riss schon mal ein großes Loch in unsere Urlaubskasse, die aus insgesamt ca. 700,-- DM für alle bestand. Nun ja, wir kamen nachts an, das Zelt entpuppte sich als ein Beipackzelt fürs Motorrad, welche Freude für mich, wo mein Chef mir doch eine komplette Ausstattung leihen wollte, aber nein, Schatz warum denn, wir haben doch alles, grrh..

Okay, machen wir das Beste draus, Baguettes machen auch satt und ein Besuch in Paris und einer im Vergnügungspark ist noch drin. Im Pariser Kreisverkehr hatten wir dann einen Auffahrunfall, alle gestikulierten wild, schrien und kurz drauf fuhren alle weiter, als wäre nichts gewesen. Detlefwar den Tränen nahe, hatte sein heißgeliebter Käfer doch eine Beule. Aber ich war glücklich, hatte ich doch endlich eine winzige Parfümerie entdeckt und sogar einen Parkplatz. Rive Gauche gekauft (hätte ich doch besser den Vorschuss vom Kollegen angenommen) und schon waren wir wieder auf der Autobahn in Richtung Vergnügungspark. Dort machten wir eine Tour auf Kamelen, die sich alle Mühe gaben, uns abzuwerfen, ich blieb oben und war ganz stolz. Später vergnügten sich die Jungs auf einem Trampolin, ich schaute nur zu, weil es mir nicht geheuer war. Kurz drauf stürzte mein Freund mit dem Knie auf die Umrandung, die sich als scharfe Metallkante erwies. Vorbei war es mit dem unbeschwerten Tag, wir konnten bis auf seine Kniescheibe gucken. Das Sani-Büro war nicht besetzt und wir wurden zum einzigen Arzt in den Ort geschickt. Der war leider auf Hausbesuch und so fuhren wir in die nächste größere Stadt ins Krankenhaus. Dort wurde das Knie geröntgt, genäht und netterweise mussten wir nicht alles zahlen, die Schwester hatte Mitleid mit uns und versorgte meinen Freund noch umsonst mit Zäpfchen gegen die Schmerzen. Für die jüngeren Mitglieder hier, man konnte damals nicht einfach eine Krankenkassenkarte zücken, man musste Vorkasse leisten, es gab kein Handy, keine Geldautomaten, kein Navi usw. und Kreditkarten hatten wir schon mal gar nicht. Wir kehrten müde und erschöpft zurück zum Campingplatz. Dort wurden wir von einer netten französischen Familie zum Abendbrot eingeladen, ein tröstlicher Ausklang.

Wir radebrechten uns mit einem Mix aus Englisch, Französisch und Deutsch durch den Abend und der Vater füllte uns mit seinen selbstgebrannten Likören ab. Alle mussten wir probieren und immer auf sein gutt, gutt strahlend nicken. Unnötig zu sagen, dass es uns am nächsten Morgen sehr schlecht ging. Zu allem Überfluss hatte es die ganze Nacht geregnet, das Zelt wurde undicht und das Wasser tropfte uns auf die Stirn. Es reichte uns, das Geld war auch so gut wie alle, wir packten ein und fuhren Richtung Deutschland.

Am ersten Arbeitstag nach diesem, zumindest unvergesslich bleibenden, Urlaub brachte ich meinem Kollegen sein ersehntes Rive Gauche. Er strahlte übers ganze Gesicht, die Packung wurde rasch aufgerissen und er sprühte sich großzügig ein. Hatte ich zuvor Bedenken, weil es doch ein Damenduft war, wurden sie in diesem Moment vom Tisch gewischt. An ihm duftete es großartig, leicht pudrig, trotzdem frisch, nicht süß, aber aromatisch. Und ich war völlig fasziniert von diesem ungewöhnlichen Flakon, in dem ich eigentlich kein Parfum vermutet hätte. Später ist der gute Kollege der Liebe wegen zu einem Chirurgen nach Berlin gezogen, ich habe lange nicht an ihn gedacht, aber ich hoffe sehr, es geht ihm gut! Und ich würde wirklich gerne mal wieder ein Näschen Rive Gauche nehmen, ich schau gleich mal in die Souks!

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