Poldinchen1

Poldinchen1

Rezensionen
Poldinchen1 vor 2 Jahren 17 8
Mein Leid mit der blauen Stunde...
Liebe Heure Bleue,
so viele schöne Dinge sind schon über Dich gesagt worden, und nun komme ich und muss Dir gestehen: Wir werden leider keine Freundinnen werden...
Wie habe ich mich auf Dich gefreut, Dein guter Ruf eilt Dir meilenweit voraus, Dein Schöpfer ein Genie der Parfumkunst, Deine Duftnoten lesen sich ganz wunderbar - und dann kamst Du endlich, dank einer ganz lieben Parfuma, in meinen Besitz. Schnell aufgemacht und gleich am Sprühkopf geschnuppert - und würg - das kann nicht wahr sein - so riecht der Tod!
Langsam vor sich hin welkende Blumenkränze im wächsernen Flair einer Aufbahrungshalle - heure bleue? heure morbide würde es eher treffen...
Puh, nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte und den Sprühkopf durch ein paar Blindsprüher entleert hatte (ich habe schon oft festgestellt, dass die abgestandenen Reste im Sprühkopf eines Flakons offenbar mit dem Sauerstoff reagieren und sich dann manchmal ganz komisch verändern, meist in Richtung seifig - muffig) ein neuer Test aufs Handgelenk. Nein, für heute wird das nichts mehr, der erste Schock war zu groß.

Tage später ein neuerlicher Versuch aufs Handgelenk, mutig den nach wie vor morbiden Auftakt abgewartet - und was muss ich sagen, Du gefällst mir leider nie. Weder der Auftakt, noch die Herznote, es verändert sich bei mir auch nicht wirklich was, kein noch so langes Abwarten auf die ersehnte Guerlinade, die Pudrigkeit, die weiche Vanille-Tonka Schmeichelei... wir beide werden leider keine Freundinnen, trotz mehrfachem Versuch mit großen Abständen.

Ich möchte Dich nicht bewerten, weil ich vor Deinem Schöpfer und all Deinen VerehrerInnen zu großen Respekt habe, und es schade wäre, wenn ein so bedeutender historischer Duft abgewertet würde - ist er doch ein charakteristisches Zeugnis seiner Zeit. Daher lasse ich Dich ziehen und wende mich anderen warm-vanillig-pudrig-würzigen Kolleginnen Deines Hauses zu - leb wohl und ziehe hin in Frieden...

8 Antworten
Poldinchen1 vor 3 Jahren 15 1
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Sooo schön...
Ich lasse mich immer wieder und sehr gerne von den vielen schönen Kommentaren hier inspirieren und bin dabei über Umwege zu Le Parfum gelangt. Die Umwege sind durchwegs interessant, denn ich habe festgestellt, dass ich eine Reihe sehr ähnlicher Düfte besitze und bin über die Recherche nach den Parfümeuren zu Lalique gestoßen. Eigentlich sind es unter anderem die Düfte von Nathalie Lorson, die ich sehr gerne mag und besonders schön und alltagstauglich empfinde. Alltagstauglich ist für mich eine besondere Qualität, denn ich möchte alle meine Düfte so oft wie möglich tragen, und das ist bei mir nun einmal der Job und nicht der große Ballauftritt oder Opernbesuch oder Abendempfang... Nathalie Lorson hat einige Düfte für Lalique kreiert, und aufmerksam wurde ich erst über Perles und dann über Amethyst. So ein schöner Flakon, aber möglicherweise ist der Duft zu beerig, zu klebrig süß... und ja, mit einer Probe gebe ich mich selten zufrieden, will ich doch den Duft meiner Begierde gleich üppig verwenden. Also habe ich mich weiter inspirieren lassen und bin auf Dominique Ropions Kreation Le Parfum gestoßen, natürlich habe ich gleich einen großen Flakon bestellt - allein der wäre einen Fehlkauf wert! Ohne besondere Erwartung hab ich das Päckchen aufgemacht und ja, der Flakon allein ist den Kauf wahrlich wert! Und dann der erste Sprüher: wunderschön! Dieser Duft vereint alle Nuancen um die ich laufend kreise: ein pudrig frisch herber Auftakt lässt kurz die Perlen aufblitzen, aber viel sanfter und ohne jegliche Mottenkugel-Assoziation, nimmt dann einen dezent eleganten Vanilleverlauf, ohne je zu süß zu sein. Traumhaft schön, der Lorbeer in Kombination mit der Bergamotte und dem rosa Pfeffer hält den Verlauf stets interessant und würzig. Blumen und Süße bleiben dezent im Hintergrund, kaum wahrnehmbar, dafür ist Puder allgegenwärtig - und vollendet diese elegante Komposition. Für mich ein Meisterwerk, und ja, ich schließe mich Surprise1908s Meinung beinahe an: müsste ich mich für einen einzigen Duft in meiner Sammlung entscheiden - Le Parfum wäre dabei und nur der berühmte Wurf der Münze könnte mir die Entscheidung abnehmen...
1 Antwort
Poldinchen1 vor 3 Jahren 19 2
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Nochmals pssssst - ein Duft, in den sich auch Frauen verlieben...
Was für ein wunderschöner Duft! Habe ihn kürzlich, völlig vernachlässigt, in der untersten Reihe eines Regals einer Parfümerie entdeckt. Direkt an die Damendüfte anschließend, und vom Design des Flakons her sehr ansprechend, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass dieser Duft männlich zugeordnet ist, maximal Unisex. Ein wunderschöner und wertiger Flacon, der mich neugierig macht, zusammen mit dem geheimnisvollen Namen. Leicht zitrisch beginnend entwickelt dieser Duft eine wunderbare orientalische Wärme, immer dezent, nie überbordend, meines Erachtens auch kaum süß, eher sanft würzig orientalisch kommt er daher, wunderbar für die kältere Jahreszeit, aber durch den zitrischen Auftakt durchaus auch ein Ganzjahreskandidat, ausgestattet mit dem Prädikat "Alltagstauglichkeit". Alltagstauglich durch seine dezente Sillage, meines Erachtens sehr harmonisch und mit Vintage Charakter, weit fern abseits der modernen Plomben-Reißer (süß-fruchtige Kirmes-Bobon-Knüller...), ich bin begeistert!
2 Antworten
Poldinchen1 vor 4 Jahren 12 3
1
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
2
Duft
Exzentrischer Früchtekorb der Superlative
Dieses Meisterwerk an überbordender Fruchtigkeit lernte ich bei einem Bummel durch das wunderschöne Amsterdam kennen. Am Ende einer anstrengenden Konferenzwoche hatte ich noch ein paar Stunden Zeit für ein bisschen Sightseeing, und schon leicht ermüdet blieb ich vor der Auslage einer sehr exclusiven Innenstadtparfümerie stehen. Als Neuling in dieser Community war ich natürlich von den vielen Kommentaren und wunderbaren Duftbeschreibungen hier sehr beeindruckt und mein Interesse, Neues zu erkunden, war geweckt. Also hinein in die gute Stube und bei ein paar Duftproben ein bisschen entspannen und sich inspirieren lassen... so dachte ich zumindest.

Die super freundliche Verkäuferin meinte schon nach ein paar Düften, die ich probeschnupprte, meinen Geschmack erahnen zu können, und wir wanderten vom Mainstream immer weiter in Richtung Nischendüfte. Schließlich präsentierte sie mir zwei sehr unterschiedliche und von ihr als ganz außergewöhnlich bezeichnete Düfte. Schwupps, hatte ich am linken Handgelenk eine Sprühstoss Erba Pura und am rechten einen üppigen Pfingstrosenschwall aufgetragen.

Boaaaa... beide super toll! Aber links, wow, was ist das, diese Süße, diese Früchte, zart cremig, ein bisschen Karamell, aber doch frisch, wirklich außergewöhnich, zum Reinbeißen, so etwas hatte ich noch nie gerochen! Ich wandelte und schmökerte durch die Parfumerie, von Regal zu Regal, ohne jedoch auch nur ein einziges anderes Parfum wahrnehmen zu wollen, ausser diesen Wahnsinnsduft! Nichts interessierte mich mehr, außer ständiges Schnuppern an meinem linken Handgelenk, und das Verfolgen des exzentrischen und überschwenglich fruchtig süßen Duftverlaufes. Rechts üppige Pfingstrose, sonst nichts. Also wieder links schnuppern, herrlich!
Und dann, irgendwo zwischendrin im Duftverlauf der ersten halben Stunde, ein kurzer Geruchs-Flashback in meine frühe Kindheit: da war etwas, das ich kannte, ein Moment des Zurückversetzens in den Genuss einer unglaublich gut riechenden und ebenso traumhaft schmeckenden Süßigkeit...
Diesen Duft musste ich haben, und zwar unbedingt und sofort. Schließlich muss man sich ja auch manchmal was gönnen, egal wie teuer. Und nein, nicht die kleine Packung, wenn schon, dann gleich die große (und sehr teure...) - so hatte mich dieser Duft voll und ganz eingenommen.
Verpacken, Plaudern, Zahlen, noch ein paar Pröbchen, unter anderem auch von der Pfingstrose, auf Wiedersehen, bis hoffentlich zum nächsten Mal. Ein wunderschönes und absolut befriedigendes Einkaufserlebnis!

Noch ganz von dem Duftereignis überwältigt, schlenderte ich gedankenversunken und sehr zufrieden mit meinem Beute-Päckchen am Arm weiter durch die Gassen, immer wieder an beiden Handgelenken riechend. Doch alsbald geschah etwas, das mich aufschrecken liess: Die Fruchtbombe begann sich langsam richtiggehend penetrant festzusetzen, das frisch-zart Cremige wandelte sich in abgestandene Fruchtpampe - rieche ich richtig? kann das sein? Vergleich mit dem rechten Handgelenk - gleichbleibender Pfingstrosenschwall, mittlerweile von mir als weit angenehmer empfunden. Je weiter ich von der Parfumerie entfernt war, desto mehr bereute ich, mich nicht doch für die Pfingstrose entschieden zu haben. Die wäre, wenn auch üppig, so zumindest eindeutig im Verlauf und für mein Alter passender gewesen, als der mittlerweile langsam vor sich hinmodernde Jungmädchen-Früchtetraum... Aber zum Umtauschen war ich schon zu weit weg, und die Zeit zur Heimreise drängte, also fuhr ich mit meinem sich an mir immer weniger attraktiv entwickelnden Beuteduft in Richtung Bahnhof.

Die Fahrt dorthin wurde langsam unangenehm für mich, ich begann mich umzuschauen, ob die Leute rundherum schon Ansätze zur Flucht machten... Bei nächster Gelegenheit versuchte ich jedenfalls, den mittlerweile von mir als unerträglich penetrant empfundenen Fruchtglubber mit viel Seife abzuwaschen - vergeblich. Ein kleiner Sprühstoss von der Pfingstrose vielleicht, zum Übertünchen? Vergebens, Erba Pura hält und hält und hält...

Viele Stunden später zu Hause angekommen, fragt mich mein Mann, was da so komisch rieche - nicht wirklich schlecht, recht außergewöhnlich, aber definitiv nicht passend für mich.
Heute, drei Monate später, habe ich den Flakon mittlerweile erfolgreich an eine junge Dame weitergegeben, mit den besten Wünschen. Das Armband meiner Uhr, die ich beim Kauf am linken Arm getragen und das einen Hauch des Sprühstoßes abbekommen hatte, riecht heute noch leicht abgestanden nach dem verwunschenen Kraut - bzw. der weiter unten beschriebenen Aromachemikalie. Mittlerweile würde ich diese aus allen Parfums dieser Welt sofort und auf Anhieb herausriechen - mit einem leichten Würgen im Hals.

Fazit: Dieses Erlebnis war für mich faszinierend und lehrreich, ein Ausflug in olfaktorische Höhenflüge und ein ebenso tiefer Fall. Ein Wahnsinnsduft, Chapeau für die Komposition, die unendliche Haltbarkeit, die Exzentrik, das Außergewöhnliche! Ob Chemiekeule oder nicht: Dieser Duft verdient eine wunderbare Bewertung und eine passende Trägerin. Ich bin es definitiv nicht.

Diese Erkenntnis lässt mich zufrieden zu meinen gewohnten Klassikern zurückkehren - aber der Ausflug in diese Richtung war wunderschön! Bis zum nächsten Mal :-)

3 Antworten