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vor 6 Jahren - 23.04.2018
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But Darling! It’s not me! It’s on TV!

Wenn ich mir so vorstelle, wie es früher, als es noch nicht Wandregale oder gar ganze Läden nur mit Parfums gab, so an den Menschen und um sie herum gerochen haben mag, kommen mir vielerlei und leider auch üble Gedanken dazu. Zum einen sind da die Ausdünstungen derer, die tagelang, bleiben wir bei Tagen, nicht gebadet haben oder nur einfach im Fluss, die schon fast sichtbar dunklen Schleier, die den ungepflegten und halb zahnlosen Mündern entweichen oder die aufsteigenden Dämpfe der schmutzigen Gassen vermischt mit allerlei Küchengerüchen oder menschlichen und tierischen Gasen.

Natürlich gab es parfümierte Öle und Wässerchen, aber im Vergleich zu heute noch nicht für jeden erschwinglich. Als armer Schlucker hatte man weiss Gott andere Prioritäten, als gut zu duften, wenn der Steuereintreiber wiedermal vor der Türe stand oder feindliche Truppen vor den Toren der Stadt. Bis zur heutigen Zeit hat sich der Stellenwert des Duftes doch sehr verändert. Früher eher dem Adel oder anderen wohlhabenden Menschen vorenthalten, kann sich heute jeder einen Duft leisten. Der Preis kann sogar selbst nach Budget oder Gutdünken ausgesucht werden, wenn man geduldig durch die Parfumgeschäfte oder online in den Seiten der Anbieter umherwandelt. Die Auswahl ist riesig und für jedes Näschen ist etwas dabei. Parfum ist längst ein fester Bestandteil der täglichen Garderobe und zum Accessoire geworden. Für manche ist sein Stellenwert der eines Aphrodisiakums, eines Antidepressivums oder Aufhänger eines Gesprächs zur Kontaktaufnahme. Da kommt die nächste Stufe: Geruchsfernsehen. In der Scheibe sind abertausende mikroskopisch winzige Öffnungen verteilt, die alles was wir sehen, auch als Dufterlebnis transportieren. Der Clou dabei wäre dass, egal aus welcher Epoche oder aus welchem Land die Sendung ist, sie durch Nachbearbeitung genauso realistisch beduftet wäre wie eine Liveübertragung. Gäbe es Geruchsfernsehen, so käme man in den Genuss der Düfte, die auf roten Teppichen getragen werden. Man wüsste, wie eine Julia Roberts oder eine Nicole Kidman duftet und auch welche Duftvorlieben Hugh Jackman hat, der die beiden backstage begrüsst und wüsste, welches After Shave Michael Fassbender benutzt, der gerade dazukommt. Man wüsste endlich, wie die Szenerie der Schlüsselszene aus "Casablanca" mit den beiden Protagonisten riecht. Man würde erfahren, wie der Sportmoderator riecht, sein Stargast oder die Nachrichtensprecherin nach seiner Sendung. Man könnte in Naturdokumentationen die Lüfte, die Bäume und Blumen, die Meere und die verschiedenen Tiere riechen. Riecht frisch geschnittenes Gras auf der ganzen Welt gleich? Welche orientalischen Bazare riechen am meisten? Trägt das weisse Marilyn Monroe -Kleid aus „das verflixte 7. Jahr“ womöglich noch einen Hauch ihres Chanel N°5? Es kommen mir abertausende Ideen von Dingen, von denen ich zu gerne wüsste, wie ihre Duftnoten sind.

Ich würde gerne die Verwandlung der Rezepte zu Gaumenfreuden in Kochshows zeitgleich erschnuppern können und wahrscheinlich durchdrehen, weil ich gerade diese Zutaten ausgerechnet nicht gerade im Haus habe, um alles gleich nachkochen zu können. Als Sportfan könnte man die quietschenden und qualmenden Reifen riechen, wenn sich Rennwagen und Motorräder energisch in die Kurven legen. Man könnte auch den Champagnerregen, der auf den Sieger herabprasselt, deutlich wahrnehmen und das edeldurchnässte Obermaterial seines Overalls. Oder man lässt die beiden Boxchampions, die sich gerade kraftvoll gegenseitig die Gesichter malträtieren und dauerhaft umformen, uns die Absonderungen ihrer schweissnassen Körper durch die Scheibe entgegen drücken.

Wir wüssten aber auch, wie Armut riecht und Krieg. Flucht und Angst. Hunger oder Tod.

Man müsste auf der Fernbedienung einen besonderen Knopf haben. Wenn man genug hat, schaltet man die Duftberieselung einfach aus. Ja einfach drück-und-weg. Während dort alles weiter besteht. Dort gibt es ja keinen Ausschaltknopf. Wie gut haben wir’s da im Vergleich.

Sonnen- und Schattenseite von Geruchsfernsehen sind gegeben, dennoch möchte ich die positiven und besonderen Momente einmal auf diese Weise erleben. Als erklärter Duftjunkie möchte ich mir die schönen Düfte dieser Welt reinziehen und auf ihnen durch Zeit und Raum reisen. Die verschiedenen Esskulturen olfaktorisch erleben und geniessen. In Blumengärten über Duftintensitäten der verschiedenen Blüten fachsimpeln.

Geruchsfernsehen könnte aber auch für Ausreden herhalten.

Während sich die vornehme englische Lady gerade für die Oper fertigmacht, beklagt er sich aus dem Nebenraum über ihr zu dick aufgetragenes Parfum.

Da kann sie getrost und mit gespielter Unschuld antworten:“But Darling! It’s not me! It’s on TV!

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