RaniJuli

RaniJuli

Rezensionen
Filtern & sortieren
6 - 10 von 17
RaniJuli vor 3 Jahren 15 4
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
9
Duft
Von Minze, Mokka & Mut
"J'ose" ist für mich ein Phänomen.

Ich habe ihn vor wenigen Tagen kennengelernt, als ich mit den vagen Suchkriterien "unisex, ungewöhnlich, alltagtauglich" eine Parfümerie betrat.
Was sich hinter diesen verschwommenen Eckpunkten versteckte, war allerdings viel komplexer: Eigentlich suchte ich nach einem Duft, der Mut macht. Die Art von Mut, die einem dazu verhilft, unkonventionelle Entscheidungen zu treffen. Und ja, ich glaube, dass ein Duft einem dabei helfen kann. Weil er einen über den Tag hinweg immer mal wieder leise daran erinnert, dass man sich selbst ein Versprechen gegeben hat.

Meist stöbere ich in Parfümerien lieber alleine, weil ich dann in Ruhe nachspüren kann, was ein Duft in mir auslöst. Aber an diesem Tag begrüßte mich eine Beraterin so nett und unaufdringlich, dass ich ihr meine fast hoffnungslos oberflächlichen Kriterien nannte. Sie - eine ältere Frau mit sehr kurzen blonden Haaren, einer auffälligen Brille und sympathisch-ironischem Lächeln - musterte mich kurz und führte mich zum Regal mit den Düften von Eisenberg Paris. Ein Haus, das ich bis dato noch gar nicht kannte. Sie griff zu einem schlichten Flakon, der gerade durch sein minimalistisches Design doch irgendwie elegant wirkte - und sagte: "Einer meiner Lieblinge. J'ose - das bedeutet: Ich wage!"

Unsere Blicke trafen sich ganz kurz, bevor ich an dem Papierstreifen schnupperte, den sie mir hinhielt. Ein wunderbarer Duft. Frisch und doch warm, ungewöhnlich, leicht, komplex - und irgendwie vertraut.

Objektiv betrachtet - wenn man das bei Düften überhaupt sagen kann - ist J'ose sicher kein "WOW"-Duft, der laut schreiend Aufmerksamkeit fordert oder einen gedanklich in eine bestimmte Situation katapultiert. Aber er hat eine oszillierende Ausstrahlung, die alles andere als gewöhnlich und dabei fest verankert in der Gegenwart ist. Wahrscheinlich rührt dieser schillernde Effekt von einer ungewöhnlichen Kombination der Duftnoten her: Minze und Mokka, Lavendel und Vanille, warmer Amber und kühles Moos. Ich war fasziniert.

Leider hielt der Duft nicht sehr lange auf meiner Haut: Nach ca. 4 Stunden roch ich ihn nur noch sehr leicht. Auf meinem Lieblings-Kaschmirschal, den die sympathische Verkäuferin großzügig eingesprüht hatte, hat er es sich aber gemütlich gemacht. Und so steigt mir seit Tagen immer wieder ein Hauch von "J'ose" in die Nase.

Und dieser Hauch flüstert dann vernehmlich: "Los, du hast es dir versprochen: Wage was!"

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ergänzung:
Dem Tipp einer Freundin folgend, habe ich eine tolle Layering-Kombination gefunden, die die Haltbarkeit von "J'ose" deutlich verlängert und dem Duft auf meiner Haut sogar noch eine zusätzliche, sehr angenehme Facette verleiht.
Von nun an sprühe ich "Molecule 02" als Basis auf, bevor der tolle wagemutige Begleiter von Eisenberg Paris zum Einsatz kommt. So begleitet er mich über mindestens 6 Stunden gut wahrnehmbar, danach weitere 2 als warm-kuschliger Skinscent.
4 Antworten
RaniJuli vor 3 Jahren 19 3
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Von mondbeschienenen Rosen, Nostalgie & kühler Eleganz
Was für ein Duft!

Das erste Mal habe ich ihn auf einer Reise gerochen. In einer baltischen Hauptstadt, umgeben von wunderschönen Jugendstil-Gebäuden, kurz vor Anbruch der Dämmerung. Die ganze Atmosphäre lud dazu ein, sich in eine andere Zeit zu träumen...
Wenn man sich die Straßenschilder und vereinzelte Werbeplakate wegdachte, hätte die Szenerie auch im ausgehenden 19. Jahrhundert sein können.

Und genau dorthin transportiert mich Moonlight Patchouli.
In eine mondäne Metropole zur Zeit der Belle Epoque. Elegante Boulevards, die von damals sehr modernen Gaslaternen in warmes Licht getaucht werden.
Das ratternde Geräusch von Pferdekutschen, die Passagiere in teurer Abendgarderobe zu Theateraufführungen oder Opernabenden bringen.
Die Damen in schimmernden Seidenkleidern mit schmaler Korsett-Taille; auf dem Kopf raffinierte Hüte; in der kleinen Handtasche einen Elfenbein- oder Perlmuttfächer für den bevorstehenden Abend in geschlossenen Räumen.
Am Zielort angekommen helfen die galanten Begleiter ihnen beim Aussteigen, denn die geschnürten Schuhe mit Absatz und Ledersohlen bieten wenig Halt.

Im Foyer des Operngebäudes wird ein eintretendes Paar von lautem Stimmengewirr und warmem Kerzenlicht begrüßt, das sich in bodentiefen Spiegeln und üppigen Vergoldungen bricht.

Innerhalb kürzester Zeit hat man den beiden Neuankömmlingen ein Glas Champagner in die Hand gedrückt. Der Blick der jungen Frau sucht die große Flügeltür am hinteren Ende des geräumigen Foyers - sie steht offen, dahinter sieht man einen mondbeschienen Innenhof mit wunderschönen Rosenarrangements.
Unauffällig lotst sie ihren Partner durch den großen Raum, hier und da Bekannte grüßend, bis sie an der Tür angekommen sind. Ein kühler erfrischender Lufthauch weht herein, bringt den Geruch von üppigen dunklen Rosen und glimmendem Pfeifentabak mit sich. Ein älterer Herr, der Uniform nach höherer Militärangehöriger, hat sich vor dem Stimmengewirr und der Hitze des Raumes in die Stille des Hofs geflüchtet. Der Duft seiner Pfeife mischt sich mit dem Geruch feiner Wildlederhandschuhe und dem von elegantem Holzparkett, das regelmäßig mit Bienenwachs gepflegt wird.
Die Stimmung im Raum prickelt wie der kühle Champagner in den Gläsern: Heute Abend tritt eine gefeierte Sängerin in einer neuen Rolle auf, von der man skandalöse Dinge gehört hat...

In diesen kleinen Mikrokosmos versetzt mich "Moonlight Patchouli".
Feinstes Wildleder, dunkle Rose und holzige Untertöne schaffen eine Duftimpression, die zu den elegantesten gehört, die ich bisher gerochen habe.
Und das Ganze in Verbindung mit einer wunderschönen Sillage und einer Haltbarkeit von mindestens 7 Stunden.

Mein neuer Favorit für den Herbst!
3 Antworten
RaniJuli vor 3 Jahren 10 3
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Von Hölzern, Kräutern und Bazaar-Träumen
"Cuirs" von Carner war für mich tatsächlich Liebe auf den ersten Sniff!

Ich hatte mich zuvor schon ein bisschen durch das Carner-Portfolio geschnuppert. Latin Lover ließ mich komplett kalt (trotz des heißen Namens). Der hochgelobte Tardes gefiel mir zwar prinzipiell sehr gut, erinnerte mich aber zu sehr an meine geliebte Mandel-Hautpflegeserie von L'Occitane, als dass ich eine Investition in ein zusätzliches Parfum in Erwägung gezogen hätte. Und bei Rima XI schwankte ich zwischen fasziniertem Immer-wieder-Hinschnuppern und Kenne-ich-schon-aus-dem-hochwertigen-Drogeriesegment.

Und dann - als ich Carner Barcelona für mich schon fast ad acta gelegt hatte - die Begegnung mit "Cuirs".
Vorweg muss ich sagen: Es handelt sich für meine Nase und trotz der vielen gelisteten Noten nicht um einen sehr komplexen Duft. Ich nehme über den gesamten Verlauf wenig "Tiefe" wahr, dafür aber eine sehr angenehme Wärme. Und: "Cuirs" hat einfach eine ungeheure Präsenz!

Die Ähnlichkeit mit "Black Afghano" würde ich absolut bestätigen!
Obwohl diese Carner-Komposition vielleicht nicht ganz so fein komponiert und abgestimmt ist wie Nasomattos olfaktorische Nulklear-Explosion mag ich ihn für den Alltag lieber...weil er mich leiser und dennoch merklich begleitet.

Nun aber zum Duft selbst:

Wie gesagt - "Cuirs"' Stärke liegt für mich nicht im Bereich hoher Komplexität oder raffinierter Komposition. Der Duftverlauf ist auf meiner Haut relativ linear. Ich nehme von Beginn an eine sehr präsente Oud-Note wahr, eine Menge Gewürze - und eine (angenehme!) Cannabis-Note.

Diese Melange hat für mich quasi eine teleportierende Wirkung: Ich befinde mich plötzlich mitten im Bazaar - oder richtiger: dem riesigen und weitverzweigten Souk - von Marrakesch. Einer meiner liebsten Reise-Orte...
Ich sehe mich durch die engen Gässchen mit ihren 1000 winzigen Läden schlendern, die allerlei Buntes & Glitzerndes feilbieten. Von feinsten Lederarbeiten, über schön ziselierte Lampen und glänzend silberne Teekannen, sirup-triefende Süßigkeiten mit Nüssen und getrockneten Früchten - bis hin zu Kräutern, getrockneten Blüten und Ölen, die (zusammen mit ein bisschen wohldosierter Magie) gegen alle Leiden der Welt helfen sollen.
Die Düfte all dieser Läden vermengen sich mit dem würzigen Rauch der Grillfeuer, die auf dem nahe gelegenen Hauptplatz - dem Djemaa el Fna - allabendlich entzündet werden...und mit den ebenfalls rauchigen Noten, die von der gemütlichen Dachterrasse eines Backpacker-Hostels in die schmale Gasse hinunterwehen.

Ich rieche diese Mischung - und fühle mich für einen kostbaren Moment gleichzeitig geborgen und frei!

Sind wir nicht alle genau aus diesem Grund duft-verrückt?
Weil einen nichts so unmittelbar an einen bestimmten Ort oder in eine gewisse Stimmung versetzt, wie eine vergessen geglaubte Dufterinnerung?
Danke, Carner Barcelona - für diese wunderschöne kleine Alltagsflucht mit "Cuirs"!

3 Antworten
RaniJuli vor 3 Jahren 10 3
9
Flakon
9
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Von Tropennächten, Tuberose & der Sehnsucht nach der Ferne
Wenn ein Duft einen in die Ferne trägt, ist das - gerade in der aktuellen Zeit - ein großes Geschenk.

Nichts lässt Erinnerungen so schnell lebendig werden, wie ein Geruch, den man mit Orten oder Erlebnissen verbindet. Er ist sozusagen die sinnliche Brücke zwischen den ins mentale Photo-Album eingeklebten Bildern und der Gegenwart, dem Hier und Jetzt.

Wenn ich die Augen schließe und Do Son auf mich wirken lasse, nehme ich vordergründig den intensiven Duft von weißen Blüten wahr. Leicht süß und metallisch wirkt dieser Geruch auf mich. Eindringlich und klar. Es ist wenig anderes zu erschnuppern, vielleicht ein ganz leichter Hauch von Holz und etwas, das mich an Kokosnuss erinnert.
Aber einmal abgesehen davon, dass ich diese Geruch insgesamt als sehr angenehm empfinde, transportiert er mich in Lichtgeschwindigkeit nach Asien. Genauer gesagt, nach Südost-Asien.

Der Tag neigt sich dem Ende, die Hitze lässt langsam nach. Die Dämmerung kommt sehr schnell, in diesem Teil der Welt. Und gerade deshalb gehört sie zu den kostbarsten Momenten des Tages.
Das Licht wird weich und diffus. Alles scheint aufzuatmen. Es ist die Zeit der Muße.

Wenn man nicht mehr damit beschäftigt ist, der Hitze zu entfliehen oder an einem bestimmten Ziel anzukommen, nimmt man die Umgebung viel bewusster war. Und plötzlich ist er da: Der unglaublich intensive Duft der weißen Blüten, die im Garten der kleinen Pension am Fluss wachsen. Sie ranken sich an der Mauer hoch, dekorativ und dennoch über weite Teile des Tages eher unauffällig. Aber jetzt - in der Dämmerung - zeigen sie, was in ihnen steckt.

Ich sitze barfuß auf der Veranda, in einem gemütlichen Rattansessel, das Haar noch ein bisschen feucht von der nach einem langen Reisetag ersehnten Dusche. Der Messing-Ventilator an der Decke sirrt leise, bewegt die Luft gerade genug um sanft zu kühlen, ohne einen Schal um die Schultern legen zu müssen. Und er vermischt die Düfte in meiner Umgebung.

Das alte, mit schönen Schnitzereien verzierte Holz der Veranda.
Das Kokosöl, dass ich nach dem Duschen dünn auf die sonnenstrapazierte Haut aufgetragen habe.
Und natürlich den mit nichts zu verwechselnden Duft kleiner weißer Blüten....

Sonst nichts. Und es ist genug.
Es ist genug um die Augen zu schließen, das aufgeschlagene Reisetagebuch noch einmal zur Seite zu legen und einfach ganz in diesem Moment anzukommen.

Danke, Do Son - für diese wunderbaren Erinnerungsmomente!

3 Antworten
RaniJuli vor 3 Jahren 9 3
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Von Filmdiven, Puderquasten & Mandelmilch
Ich kann mich meiner Vorrednerin nur anschließen: Auch ich wundere mich über die bisher eher verhaltende Bewertung des wunderschönen Dufts "Mandorla" von Ortigia.

Ich habe ihn aus einem glücklichen Impuls heraus in einem kleinen Laden in der Altstadt von Vilnius gekauft, der mich durch seine wunderschön nostalgisch und fantasievoll gestaltete Schaufensterauslage ins Innere zog.

Und was soll ich sagen: Die Magie setzte sich drinnen fort!
Jedes einzelne Stück der Sortiments war mit Liebe und viel Geschmack ausgesucht. Alles spiegelte die feine Originalität der Besitzerin des Ladens wieder. Eine Frau in den 40ern, elegantes Seidenkleid, blonder lockiger Bob-Haarschnitt, Körperhaltung und Gestik einer früheren Bühnen-Tänzerin.

Sie begrüßte mich freundlich, ließ mich dann beim staunenden Umherwandern aber völlig in Ruhe - die perfekte Mischung. Natürlich zog es mich direkt zum Regal mit den Parfums. Zwei Marken führte das kleine Geschäft: Ortigia und Papillon Rouge.

Nun muss ich erwähnen, dass sich meine Begeisterung für das Olfaktorische und das Visuelle beinah die Waage halten. Deshalb griff ich sehr angetan zu den originellen Flakons von Ortigia mit den wie direkt aufs Glas und authentisch handgemalt aussehenden Leoparden. Begutachten (der Duft heißt Mandorla, also Mandel, perfekt) - Schnuppern - hmmmm - Aufsprühen...HMMMM. Was hier von meinem Handgelenk aufsteigt, lässt unmittelbar ein Bild vor meinem inneren Auge entstehen.

Das einer Filmdiva der 30er Jahre, die in einem wunderschön bedruckten Seidenkimono vor ihrem ausladenden Kosmetiktisch sitzt und mit aller Zeit der Welt und einer großen weichen Quaste ihr teures Puder aufträgt. Nichts hetzt sie, die Welt da draußen wird auf sie warten. Dies ist ein Ritual, das Zeit braucht. Zwischen silbernen Haarbürsten, Kristallflakons und Puderdosen steht eine hohe schlanke Vase mit einigen Zweigen voll weißer Blüten - Mandelblüten, die sie an ihre letzte Reise nach Italien erinnern. Neben der Vase findet sich noch ein kleiner weißer Porzellanteller mit feinem Golddekor und dem zarten mit Puderzucker bestäubtem Mandelgebäck, das sie ebenfalls auf dieser Reise kennen- und lieben gelernt hat...

So, wie es in diesem Moment an diesem Ort riecht: So riecht "Mandorla"!
Der Duft hüllt mich für gute 7 Stunden ein, zieht sich zwischenzeitlich sanft zurück, um mir dann bei einer bestimmten Bewegung unverhofft wieder in die Nase zu steigen.
Er verändert sich dabei nur minimal. Zu Beginn nehme ich eine leicht gourmandige Mandelnote war, die nach ca. 2 Stunden einem weichen nie aufdringlichen Puderduft Platz macht.

"Mandorla" ist kein Duft für den großen Auftritt, sondern für die Stunden davor.
In denen man sich Zeit für sich nimmt und die Vorfreude langsam wächst.
Oder noch einen Spaziergang in der Dämmerung macht, weil gerade jetzt die Blumen in den Gärten ringsum besonders schön duften.

Dafür könnte ich mir keinen besseren Begleiter wünschen!

3 Antworten
6 - 10 von 17