Sarungal

Sarungal

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66 - 69 von 69
Sarungal vor 9 Jahren 15 3
7.5
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Wenn Contenance zu Duft wird…
…dann verdient sie auch einen entsprechenden Kommentar, keine verschwurbelt-metaphorische Paraphrase, wie sie mir sonst gerne aus den Fingern rutscht.

Guerlains Vetiver Extreme beginnt mit einem elegant komponierten Zitrusakkord: frisch, präsent und sommerlich – eine beeindruckende Charme-Offensive, die geschmackssicher ihr erstes Thema intoniert. Der lange Schatten der Zeder ist hier noch Ahnung, das Lakritz ein würziger Hauch und der Pfeffer immerhin ein glaubwürdiges Versprechen. Ein echter Kavaliersstart, allerdings im buchstäblichen Sinne: fröhlich, aufmerksam, zugewandt und sehr schmeichelnd begegnet uns Guerlains Vetiver Extreme in der Exposition, wenn auch noch arm an Tiefgang.

In der Durchführung wächst der Komposition ein wenig mehr Schärfe zu: Der Pfeffer wird präsenter, schüchtert die Bergamotte ein und würzt die Zitrone. Das sonnige Gelb der Kopfnote flackert und changiert ins Grünliche: das Vetiver tritt an die Rampe. Vornehm ist es, dieses Gras, und kein Drängler, ein charismatisches Aroma, das seinen Weg auch ohne Rempeleien findet. Seine Gegenwart ist klar und akzentuiert. Während es in Laliques Encre Noire erfolgreich als finsterer Bösewicht brilliert, erscheint es hier distinguiert, leicht und strahlend, ohne zu blenden. Seine Präsenz ist so selbstverständlich, dass sie auch den bittersüßen Muskatnoten Raum zur Entfaltung lässt. Sie konturieren nicht, sondern umschmeicheln das Gras. Eine Spur von Weihrauch steht als Vermutung im Bouquet; der Schatten der Zeder wächst.

Als uneingeschränkter Souverän des Dufts präsentiert sich das Vetiver schließlich in der Coda. Es entwickelt im Duett mit der endlich couragiert auftretenden Zeder eine holzige Rundung, ohne deren Schatten zu suchen. Die Komposition bleibt hell und gewinnt dennoch an Tiefgang, weil die Tonkabohne Wärme beisteuert. Dazwischen – und darin zeigt sich die Expertise hinter der Komposition – blitzen immer wieder zitrische Spitzen als Reminiszenz an den Auftakt. Traten sie dort als Feuerwerk auf, so begegnen sie uns jetzt als glitzernde Sterne: weit entfernt, mal kaum wahrnehmbar, dann wieder von überraschender Leuchtkraft.

Guerlains Vetiver Extreme ist eine aromatische Sonate: formbewusst, mit Verstand und Gefühl komponiert und im besten Sinne traditionell. Die gelegentlich seifige Anmutung spielt mit der Erinnerung an Großvaters Rasierwasser, während der Verzicht auf allzu krautige Nuancen der Gegenwart Respekt zollt. Der Duft wirkt dadurch modern, ohne modisch sein zu wollen. Im Zentrum seiner Aura steht die Distinktion – alles Gewöhnliche ist ihm fremd; insofern erscheint die Namensgebung nicht nur unpassend, sonder völlig deplatziert: extrem ist hier nichts. Souveränität, natürliche maskuline Gelassenheit, ein selbstbewusster Auftritt fernab jeder Arroganz – das sind die ideellen Ingredienzien, die Vetiver Extreme auszeichnen. Der Duft ist vielseitig, aber sicher nicht für jeden geeignet: Wannabes sollten die Finger davon lassen!

Der Flakon – schmal und hoch mit dezentem Schliff – ist klassisch und zeugt vom selben Understatement wie sein Inhalt. Der überzeugt auch mit seiner Ausdauer: vom Morgenkaffee bis zum Feierabendbier hält Vetiver Extreme durch. Die Sillage passt zum Auftritt: sie ist wahrnehmbar, ohne aufdringlich zu sein, oszilliert im Tagesverlauf und wird schließlich körpernah schmeichelnd.

Als Aufreißerduft ist Vetiver Extreme denkbar ungeeignet – und dennoch ein formvollendeter Nasenschmeichler.

Ein Duft für Männer, die nicht nur vorgeben zu wissen, wer sie sind.
3 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 24 11
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Clementine auf Speed?
Zuallererst möchte ich ein Kompliment und einen Dank loswerden – verbunden mit einem sorgenvollen Raunzen aus den leider nicht so unergründlichen Tiefen meines Portemonnaies: Die Vielfalt der dokumentierten Dufteindrücke und die stellenweise beinahe atemberaubende Fähigkeit mancher Teilnehmer, Sinneseindrücke erlebbbar zu schildern, erschaffen eine fast unerschöpfliche Fundgrube. Sie weckt Neugier, regt an, fordert dazu auf, das Urteil zu prüfen – und öffnet den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus.

Die erste Konsequenz: ein Blindkauf. „Encre Noir“ wird voraussichtlich morgen an der Tür klingeln – unbesehen und vor allem unbeschnuppert. Allerdings lässt die Informationsvielfalt gerade bei diesem Duft die Vermutung zu, dass er in mein Raster fällt: Was dunkel, holzig, trocken riecht, das hat bei mir fast immer Chancen.

Infusion d’Homme passt nun so gar nicht in dieses Raster – aber die Kommentare zu diesem Duft haben andere Rezeptoren angesprochen. Schon als Kind hing ich stundenlang mit der Nase in Omas luftgetrockneter Bettwäsche. In deren Frische nahm ich Weite wahr und den nahen Waldrand, Sauberkeit, Ordnung. Bis heute schätze ich diese spezielle olfaktorische Note, genieße den Geruch frisch gewaschener Kleidung am Leib, in Bad und Bett. Meine Düfte allerdings …

Bis auf das obligatorische aquatische Abenteuer in den Neunzigern liegt mein Schwerpunkt immer auf betont maskulinen, eher herb-holzigen Eau de Toilettes. Dass dabei die Zeder oft eine (mal größere, mal kleinere) Rolle spielt, schafft auf den ersten Blick die einzige Brücke zu Pradas Infusion d’Homme, während der Weihrauch zumindest nominell die zweite Verbindung etabliert.

Deshalb habe ich den Blindkauf in diesem Fall vermieden und bin heute am Vormittag zum Probeschnuppern gefahren. Ein Spritzer aufs Papier … hoppla! Für einen Moment habe ich keine Ahnung, wie ich diese angriffslustige, beinahe schwer anmutende Süße mit dem zuvor Gelesenen in Einklang bringen soll. Beim Nachschnuppern wandelt sich der Eindruck leicht – aber der Papiertest wird nicht weiterhelfen.

Auf dem Handrücken klappt’s dann besser, auch wenn der allererste Eindruck beinahe unerträglich bleibt. Doch dann – ein Hauch von Orange schwebt in der Luft, dem die Iris allerdings sehr rasch und massiv einen allzu raschen Tod zu bescheren scheint. Ich bin verwirrt. Dann wird’s staubig, aber nicht trocken: Der Pudereffekt setzt ein. Zum ersten Mal ahne ich den erhofften Wäscheduft, ergänzt von noch schwer sortierbaren Noten: eine Spur von Holz, eine Ahnung von Kirche und darüber – scheinbar schwerelos – hellgrüner Puderzucker. Richtig – Vetiver steht ja auch auf der Liste der Ingredienzien. Der stechende Akkord des Beginns und die beinahe betäubende Süße des ersten Eindrucks werden milder – eine Aura von Lieblichkeit umschwebt meine geäderte Hand.

Ich fremdle – aber ich bin nicht xenophob. Neugier und Abenteuerlust gewinnen die Oberhand: der dekorative Flakon samt Verpackung wandert entschlossen in meine Tasche. Das Portemonnaie mault.

Nase und Handrücken befreunden sich im Tagesverlauf intensiv miteinander. Die Bitterorange hat nun doch ihren Platz gefunden, wenn auch auf den hinteren Plätzen; die Iris dominiert. Auch die Zeder behauptet ihren Platz, ohne auch nur zu versuchen, den Anschein von Männlichkeit zu simulieren. Das Thema lautet eindeutig „Androgyne Sauberkeit“. Da ist keine Spannung in den Komponenten, kein noch so zarter Widerstreit der Farben; die Komposition ist von perfekter Rundung, dabei auffallend weich und durchaus frisch. Allein die immer wieder kurz durchbrechende Süße sorgt für einen klitzekleinen Schatten auf dem makellos weiß glitzernden Dufterlebnis: dann nämlich schleicht sich für Momente eine Schwere in den Duft, die mir zu unmännlich erscheint.

Immerhin aber unterscheidet sich die irislastige Komposition signifikant von meinem olfaktorischen Erzfeind Dior Homme; deshalb verzeihe ich die schwülstigen Ausbrüche gerne: keine süßlich müffelnde bräunlich-graue Pudrigkeit stört meine Nase – bei Infusion d’Homme bleibt der Eindruck licht und hell.

Trotz der vielfältigen Nuancen erlebe ich übrigens auch hier keine stundenlange Reise hin zur Basisnote, sondern bestenfalls eine Stabilisierung der Eindrücke binnen einer guten Stunde. Was danach folgt, ist Handwerk auf hohem Niveau: beste Haltbarkeit und eine nicht zu verachtende Sillage – der am Vormittag benetzte Handrücken reicht auch am frühen Abend aus, um eine Duftahnung im Badezimmer zu hinterlassen.

[EDIT: Auf der Haut sind Sillage wie Haltbarkeit weniger beeindruckend, aber immerhin anständiges Mittelmaß!]

Ist das sexy? Eher nicht – oder unbedingt, wenn die Prämisse lautet: weiche Schale, harter Kern. In jedem Fall fordert Infusion d’Hommes das Selbstbewusstsein heraus, weil es alle Klischees von Männlichkeit negiert. Gleichzeitig bietet es eine wunderbare Folie, um eben diese Männlichkeit dezent in den Vordergrund zu schieben. [Das, liebe Mitkerle, müssen wir dann aber selbst leisten.]

Ich freue mich darauf, den Wolf im Schafspelz auch olfaktorisch ins Repertoire aufgenommen zu haben. Für den kerligen Auftritt, die schmutzige Variante gibt es ja genug Alternativen; ich empfehle für solche Fälle Ecsentric 01.

EDIT: Im Zuge einer Bewertungsrevision stufe ich Infusion d'Homme um 10 Punkte auf 90% herauf - nicht nur, weil er mir immer besser gefällt, sondern um die Relationen zu meinen anderen (subjektiven) Duftbewertungen zu wahren.
11 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 22 4
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
8
Duft
Eau d'Industrie - vom Überleben in der Fisternis
Die zweite Hälfte der Nullerjahre. Ich treffe einen guten Kumpel. Er riecht – speziell. Nach einem Moment der Irritation erwacht Neugier. „Wie Kerosin, oder?“ meint er – und ich speichere den Duft in einem imaginären Hangar. Zu diesem Zeitpunkt dominiert Kenzo Air meinen olfaktorischen Geschmack; vorläufig keine Chance für Ecsentric 01.
Aber es bohrt im Hinterkopf….

Kenzo Air und sein optimierter Bruder Intense sind Geschichte – der Tod dieser Duftfamilie ist bedauerlich, unverständlich, frustrierend. Kleinste Reste im blauen Flacon werden gehütet, bis sie irgendwann sinnfrei umkippen.

Der Auftritt von Terre d’Hermes füllt um 2010 die klaffende Lücke – in Teilen. Aber da war doch was?

Ich besuche meinen imaginären Hangar – und stelle fest: dort ist Ecsentric 01 nicht wirklich zu Hause – nicht bei mir! Zu sauber. Ecsentric im A380? Absurd! Mich beamt er in …

…eine finstere Industriestadt. Künstlichkeit. Abgrund. Niedertracht. Synthetisches Gefühl. Kampf. Korruption.

Gotham ohne Batman!

Abenteuerurlaub unter Lebensgefahr. Ich atme, trinke die Atmosphäre, genieße die seltsam kranke, leicht perverse Männlichkeit der Düsternis, die über der Stadt droht. Revolver, Pulverdampf. Stilettos, das Etuikleid als weibliche Uniform. Die Sonne ein milchiger Kreis im graubraunen Abendlicht. Nebel, Dampf, Tod.
Als Begleitmusik der unerbittliche Rhythmus stampfender Kolben in gewaltigen Maschinenhallen, der Herzschlag pumpt Öl. Menschen in Grau, kalkulierte Kälte. Kapitalismus pur.

Will man so riechen? Ich schon – und bekomme davon noch nicht mal Depressionen, sondern das schräge Gefühl, mit diesem Eau d’Industrie sogar Gotham City problemlos zu überleben.

Ecsentric 01 ist ein exemplarisch künstlicher Duft; selbst sein leicht holziges Element riecht, als hätte man Holzscheite in Öl gebadet. Der Weihrauch erinnert mehr an Schwarze Messen denn an ein katholisches Hochamt, und die grüne Limette ruhte Wochen in Benzin, bevor sie Duft wurde. Irgendwo dazwischen ahnt man einen selbst gebrannten Whiskey mittlerer Qualität: Handarbeit ohne Expertise, aber mit Druck! Es raucht. Duftverlauf? Entwicklung? Nada! Ecsentric steht im Raum wie ein Fels; geheimnislos, monumental, finster.

Dass ich dennoch Ähnlichkeiten mit dem weitaus vornehmer einher schreitenden Terre d’Hermes wahrnehme, dürfte am Iso-E-Super liegen: es ist das olfaktorische Bindeglied, das – formvollendet integriert – den Düften Tiefe, eine zendernartige Note und einen dunklen Anker gibt. Wo aber Hermes die Eleganz zelebriert, wirkt Ecsentric 01 ungestüm, ja, fast schon unhöflich: Hier bin ich! Schmier dir Öl in die Fresse und sei ein Kerl!

Ich steh auf Kriegsbemalung!

PS: Haltbarkeit und Sillage sind exzellent – aber ich bin gerne mal etwas roh in der Außenwirkung und frische auf, was auch ohne Nachhilfe stundenlang vernehmbar seine Präsenz behauptet.

PPS: Nachdem ich nicht an Zufälle glaube, stelle ich fest, dass auch Kenzo Air (Intense) zu einem angeblich nicht geringen Anteil Iso-E-Super enthielt. Irgendwas muss das Zeug also haben, das meiner Nase schmeichelt – auch wenn es mir pur (Molecule 01) zu harmlos, zu leicht und hell (!) daherkommt….
4 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 10 6
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Krawatte auf nackter Haut!
Ich stehe unter Nadelbäumen. Sanft weht der Wind durchs Geäst.
Der Boden ist felsig – hier und da krallt sich Moos in den harten hellgrauen Untergrund.
Vor mir eine Senke, ein künstliches Tal.
Stein wird abgebaut.
Links dunkler Schiefer, mit goldenen Adern durchzogen, rechts rötlicher Sandstein.
Staub schwirrt durch die Luft, simuliert flimmernde Hitze.
Ich friere.
Vorsichtig klettere ich den Abhang hinunter, tauche ein in den helldunklen Nebel aus Gesteinspartikeln.
Langsam klärt sich mein Blick. Es wird wärmer.
Arbeiter.
Sie tragen Anzüge – schmal geschnitten, elegante Revers, schlanke Silhouette. Ich sehe Grautöne, verschiedene Nuancen in Blau. Krawatten in gedeckten Tönen an nackten Kehlen – da und dort ein roter Akzent. Keiner trägt Hemd oder Unterhemd: Jackets auf nackter Haut.
Die Arbeiter schwingen Hacken, spreizen Steinplatten, bis sie brechen. Funken sprühen vom Metall.
Kein Geräusch dringt zu mir – nur die Nadelbäume in meinem Rücken rauschen sacht im Wind.
Mit blutrot glühendem Schein versinkt am Horizont hoch über mir eine riesige Sonne.
Die Nacht bricht herein.
Eisen auf Stein.
Blitze.
Stille…

Terre d’Hermes ist ein dunkel grundiertes olfaktorisches Ereignis, in dem zitrische Noten vor allem in der Kopfnote für lichte Flammen sorgen. Vetiver bleibt anfangs noch dezent im Hintergrund, erdet die vorlaute Orange, deren großer Auftritt von dunkleren Pfeffernoten gebunden wird. Präsenter ist die Grapefruit. Sie erhellt funkensprühend den grauen Schieferton, der die Basis dominiert. Dort: ein unerbittliches Ostinato aus kühler trockener Dunkelheit - versteinerter Vetiver.

Trotz dieser Schilderung erlebe ich keinen spektakulären Duftverlauf, sondern eine rasch ablaufende Kaskade von Eindrücken, die den Schlusspunkt schon am Start offenbart: der grelle Zitrusakkord zu Beginn ist bereits verflogen, wenn der Duft getrocknet ist.

Das ist es auch, was diesen Duft so attraktiv macht: er ist ehrlich, verspricht nichts, das er nicht bis zum Ende hält. Linearität im besten Sinne; eine Eigenschaft, die – der Spezialist möge mir verzeihen – meinem persönlichen Geschmack sehr entgegenkommt. Ich mag keine Wundertüte auf der Haut; von meinem Duft erwarte ich Geradlinigkeit: „Komm zum Punkt!“

Terre’d’Hermes kommt zum Punkt, ist angenehm trocken in der Anmutung, „dunkelrund“ in der Wirkung und glänzt auf dieser Basis mit frischen, manchmal leicht metallisch anmutenden Zitrusspitzen. Die strahlen im Eau de Toilette mehr als im Parfum, das eine Ahnung von Süße in die Komposition einbringt. Das ist im Übrigen mein einziger Kritikpunkt: bei mindestens vergleichbarer Haltbarkeit und beinahe größerer Sillage punktet das Eau de Toilette mit größerer Frische als das hier besprochene Parfum.

Extrem ergiebig ist der Duft übrigens nicht: auf meiner Haut ist nach spätestens 6 Stunden weitgehend Schluss – und eine funkenlose Nacht sinkt auf meine Haut…
6 Antworten
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