Sarungal

Sarungal

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16 - 20 von 69
Sarungal vor 9 Jahren 25 10
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Design - nur Schein?
Tasmanische Scheinulme? Wahnsinn!
Der Duft muss sehr speziell sein. Gerade sechs Kreationen mit dieser exklusiven Duftnote listet Parfumo. Meggis antarischen Sittich hätte ich zwar auch noch ganz gern in Versaces Sapphischer Oude gefunden, aber das Parfum riecht nicht nach Vögeln (weder so noch so!). Außerdem bin ich ja bescheiden, vor allem, wenn das Ergebnis - ungeachtet alles pyramidaler Verrenkungen - so angenehm duftet wie „Pour Homme Oud Noir“.

Versace kredenzt einen olfaktorischen Charmebolzen. Weder über- noch unterfordert er seinen Träger; stattdessen setzt er auf Bewährtes, geriert sich an keiner Stelle unerrochen innovativ oder gar fordernd, vermeidet gleichzeitig aber auch die schlichte Nacherzählung allzu bekannter Duftmuster. Ich bin beeindruckt und gebe das hier nachdrücklich zu Protokoll – nicht zuletzt deshalb, weil ich bei der Erstbegegnung (brav sämtlichen Parfumo-Klischees folgend) eher erwartungsarm sprühte. ‚Wird schon so ein Designerdüftchen sein’, hatte ich vermutet, und mich darauf eingestellt, bestenfalls eine die Geschmacksgrenzen tangierende Durchschnittskomposition zu erleben. Danke für die Korrektur – an dieser Stelle schütte ich mal rasch etwas Erde in den oft so engagiert vertieften Graben zwischen Nische und Mainstream.

Die Eröffnung ist bestes Parfumhandwerk: Ein leicht geschärfter dunkel-zitrischer Orangenakkord erlaubt für einen kurzen Moment den Gedanken an Terre d’Hermes EdP. Bevor die Assoziation wirklich greifen kann, setzt der Duft rasch den Blinker und biegt ab auf die Oudstrasse. Ob das nun – analog zur Ulme – laotisches Scheinoud ist oder nicht, interessiert mich nicht; wahrnehmbar ist in jedem Fall die für das Adlerholz oft typische, fast medizinisch anmutende kleine Spitze. Sie vermeidet jede Orangenfäule, krallt sich zur Unterstützung noch ein paar frische Kardamon-Aromen und blinzelt sodann harmlos-freundlich ins Bouquet. „Ich würze nur und holze nicht!“, flüstert das Oud augenzwinkernd und gibt einem etwas trägen Weihrauch anschließend einen Tritt, auf dass er seinen Auftritt nicht verpasse.

Für den erklärten Weihrauchfreak – und als solchen dürft ihr mich sehen – ist Versaces Kreation eher unbefriedigend: Geräuchert wird nur sehr zurückhaltend! Macht aber nix; hier zeigt er sich als exzellenter Teamplayer. Wie ein Diffusor bündelt er die Aromen, dickt sie zurückhaltend harzig an und bietet so dem Adlerholz die Chance, endlich seinerseits ein wenig holzig-harziger aufzutreten. Wirklich auseinanderklamüsern lassen sich die Noten übrigens nicht; Versace lässt sie elegant verblendet paradieren. Meine Schilderung bemüht sich um eine Differenzierung des Vorgangs, der faktisch sehr viel subtiler abläuft.

Eine harmlose Süße schleicht sich schließlich ins Bouquet; sie ist aller Klebrigkeit unverdächtig und sorgt für eine charmante Balance zwischen Würze, einer klitzekleinen Idee von Exotik, die - eher abendländisch verfasst – den Orient zitiert, und sanft balsamischer basis-typischer Holzigkeit. Wir können ja einfach einmal annehmen, dass dafür auch und nicht zuletzt die Scheinulme verantwortlich ist, die Tasmaniens Natur gewiss spektakulär ziert. Letztlich habe ich keine Ahnung, ob ihr das olfaktorisch auch in Versaces Duft gelingt – ich kann nur feststellen, dass das Resultat überzeugt!

„Versace Pour Homme Oud Noir“ ist kein Langstreckenläufer, aber gut für die solide Mittelstrecke; laut zeigt er sich bestenfalls am Start und entwickelt sich dann zu einem sehr angenehmen hautnahen Nasenschmeichler. Das qualifiziert ihn auch für den Tagesgebrauch. Überhaupt erlebe ich den Duft als erstaunlich vielseitigen Immergeher: Er ist nämlich auch ausreichend aufregend, um einen Abend im Club zu begleiten; in diesem Fall betätigen Sie bitte den Sprühkopf etwas häufiger!

Angesichts von Versaces Neigung, a bit over the top zu designen, ist der Flakon nachgerade ein Musterbeispiel eleganter Zurückhaltung: Die rauchige Farbgebung mit Verlauf ins Transparente korrespondiert hervorragend mit dem goldenen Emblem auf dem Flakonbauch. der Sprüher ist in der gleichen Farbe gehalten; besonders hübsch ist die Gravur in der unteren Einfassung des Sprühkopfs. Das Ganze krönt ein schwarzer (Plastik-)Deckel.

Fazit: Versace präsentiert einen Duft, für den das Attribut „solide“ höchstens in Bezug auf die Haltbarkeit legitim ist. Abseits dieser minimalen Einschränkung ist „Versace Pour Homme Oud Noir“ ein wirklich guter Duft für alle Gelegenheiten – oder, um es in Parfumo-Sprech zu sagen: Pokal – hochverdient!
10 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 9 6
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Verräucherter Sex-Appeal
Einen souveränen Start-Ziel-Lauf legt er hin, dieser baltische Weihräucherer mit dem klangvollen, aber sperrigen Namen „Juozas Statkevicius“. Er ergänzt Heeleys asketischen, aber nichtsdestotrotz attraktiven „Cardinal“ um exakt die Portion Sinnlichkeit, die Mancher in Letzterem vermissen könnte.

Dennoch ist die DNA vor allem zu Beginn unverkennbar ähnlich: auch im Baltikum wird erst einmal sakral geräuchert. Selbst das etwas steifleinern-trockene Element, das Heeleys Komposition über weite Strecken begleitet, darf kurz im Juozas „Statkevicius“ mitspielen, auch wenn sich die Verursacher meinem Duftverständnis entziehen: Dass die Jasmin dem Duft Licht verschafft, glaube ich gerne - als Staubspender habe ich sie noch nicht erlebt.

Der Koriander geht ohnehin rasch eine solide Verbindung mit dem vom Start weg aktiven (und insgesamt jederzeit dominanten) Weihrauch ein. Das ergibt eine feine Würzigkeit im balsamischen Geschehen und eine erfreuliche Frische, ist aber noch immer kirchentauglich. Zu Ostern ließe sich damit perfekt räuchern – als fröhliches Signal des Aufbruchs.

Schließlich wird der Duft dann doch eindeutig sinnenfroher – einen sakralen Kontext kann ich mir jetzt bestenfalls noch in der Wieskirche oder in Vierzehnheiligen vorstellen. Benzoe schickt den Weihrauch in eine gesüßte Verlängerung voll harziger Versuchung - und lässt sich dabei von einer maßvoll präsenten Vanille unter die Arme greifen. Die Dosis passt: Die Schote lockt dezent, aber sie überwältigt nicht – so geht Verführung „in professionell“.

Angenehm unauffällig bleibt das Patchouli, das – unangemessen dosiert – für mich jeden Duft um die Ecke bringt. Hier sendet es im Verein mit dem Moschus sanfte Wellen eines angenehm menschlichen Geruchs ins Geschehen: ein bisschen erdig, leicht cremig und von jener Süße, die unserer Haut fallweise entströmt, bevor Schweiß sie salzig löscht. Ihr seid im Bilde? Für die Abstraktion sorgen holzige Aromen; auch die werden verräuchert, bleiben aber kokelfrei – und bieten der gesüßten Basis ein standfestes Fundament.

Standfest ist das Stichwort: „Juozas Statkevicius“ ist kein Extremist wie andere Räuchermännchen; er weist aber eine anständige Haltbarkeit auf. Die Sillage ist vermutlich gut; sie wäre es sicher bei mir insofern, als ich mich mit dem Duft vermutlich nicht allzu sparsam eindieseln würde, weil er so gut riecht wie erhofft! Deshalb danke ich an dieser Stelle Ergoproxy, der mir die Probe charmanterweise hat zukommen lassen. Ich vermute, er handelte letztlich aus Notwehr, weil mein Sabbern hier in München seinen Bildschirm in Hamburg beschlagen ließ. Verzeih… :-)

Fazit: Für Weihrauchfreunde beinahe ein Muss.
6 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 22 9
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Boswelia Psychotika
Endlich mal ein Parfumname, der passt wie die Faust aufs Auge: Tauers „Incense Extrême“ ist tatsächlich eine Herauforderung für die Nase. Schon die Eröffnung gleicht einem olfaktorischen Laserstrahl: gleißend-blendend fahren bitter-würzige Aromen in die Nase und hinterlassen dort ein Duftecho wie von vulkanisiertem Gummi – das kennt jeder, der schon mal einen Fahrradschlauch geflickt hat. Die Lektüre der Duftpyramide entzerrt die Wahrnehmung nur minimal: Ich „kaufe“ den Koriander, schreibe seinen Blättern die schräge Gumminote zu – und bleibe mit meiner Wahrnehmung dennoch im synthetisch-chemischen Bereich gefangen. Faszinierend – oder widerlich, je nach persönlichem Gusto.

Boswelia Serrata – der indische Weihrauch – drängt schon sehr früh über die Wahrnehmungsschwelle. Im Vergleich zu seinem uns vertrauteren Bruder „Sacra“ duftet er heller und grüner. Die Komposition bemüht sich erst gar nicht darum, den Weihrauch bequem zu inszenieren: In der Kombination mit der grellen Kopfnote könnte man stattdessen meinen, er habe sich „sein Näschen gepudert“. Dieser Weihrauch begegnet der Nase nämlich komplett überdreht, fast ein wenig giftig und laut. Selbst seine Aromen erscheinen verfremdet: Auch das Feuer brennt auf Speed – und nährt sich von gummierten Kräutern in bitterer Marinade. Irisseitig wird ein wenig Grau in die synästhetische Duftwahrnehmung gemischt, ohne dass auch nur ansatzweise geblümelt würde; bestenfalls winkt der Parfumeur kurz mit der Puderquaste, verschwendet aber keinen Gedanken an barocke Opulenz.

Dennoch ist das Bouquet reizvoller als es mein Text vermuten lässt: Wie der Weihrauch hier als leuchtender Krachmacher auftritt, das ist spektakulär. Mit einigem Abstand zur Haut wirkt „Incense Extrême“ fast schon als aromatherapeutischer Wachmacher, weil ihm eine fröhlich lodernde Frische zuwächst, die aus unmittelbarer Nähe im Geschrei der Aromen versinkt.

Wohl lese ich, dass ich noch auf Ambra treffen soll; ich glaube gerne, dass es seinen Teil zur Fixierung beiträgt, habe aber massive Schwierigkeiten damit, die Note zu erhaschen. Vielleicht manifestiert sie sich auch als Dämpfer und Weichmacher, denn tatsächlich wird das Geschrei irgendwann matter und auf angenehme Weise dumpfer. Den Charakter wechselt es dabei aber kaum; höchstens einen schwachen Hauch von Süße kann man im Drydown feststellen. Die trockenen Hölzer werden ohnehin verfeuert; immerhin schreien sie nicht, während sie den Flammentod sterben, und stehen damit der geschilderten Beruhigung des Dufts nicht im Weg.

Chemisch wirkt auch die Haltbarkeit: Tauer hat hier ganze Arbeit geleistet und verpflichtet den Träger zur Konstanz. Was abends aufgesprüht wurde, widersteht auch der Dusche am Morgen. Für die sehr gute Projektion zeichnet der grelle Charakter verantwortlich: So wie hohe Töne im Raum besser tragen, so strahlen in diesem Fall die überbelichteten Aromen satt und nachhaltig in die Umgebung.

Fazit: Garantiert nix, um sein Näschen in der Haut zu vergraben, aber weitaus besser als es der erste Eindruck vermuten lässt. Individuell, frisch auf eine in dieser Weise bislang unerrochene Weise und prägnant dazu – Tauer gelingt das Kunststück, einen sehr authentischen indischen Weihrauch auf Koks zu präsentieren. Ihn zu verabscheuen wird dabei die leichtere Übung sein, ihn zu mögen vermutlich weniger schwierig als man denkt.

Mein Dank gilt Ergoproxy für seine nachgerade enzyklopädische Weihrauch-Probenspende!

EDIT vom 11.11.:
Meine kleine Abfüllung habe ich dann doch noch häufiger genutzt - und mit jedem Sprüher rückten Tauers Duft und ich enger zusammen. Die geschilderte Wahrnehmung bleibt dennoch weitestgehend zutreffend; geändert hat sich mein Zugang zum Duft. Was mich anfangs irritierte, begeistert mich inzwischen: selten habe ich ein Parfum erlebt, das auf mich (!) eine solch' starke aroma-therapeutische Wirkung hat. "Incense Extreme" ist tatsächlich olfaktorisches Doping; den oben erwähnten "Wachmacher-Effekt" unterstreiche ich an dieser Stelle deshalb doppelt und ergänze ihn um eine (eingebildete) konzentrationsfördernde Wirkung. Vor allem aber genieße ich die schräge Frischeformel des Dufts, der es minzfrei gelingt, die Nüstern durchzupusten. Weitestgehend verschwunden sind die Gummi-Assoziationen; ihre kümmerlichen Reste immerhin machen die Komposition für mich besonders spannend.

Fazit II: Weihrauch auf Speed stimmt noch immer - aber heute vergrabe ich die Nase auch gerne unmittelbar ins Duftgeschehen. Tauers "Incense Extreme" ist einfach ne heiße Nummer - und ich komme deshalb nicht umhin, ihn in den kleinen Kreis meiner 100-Prozenter aufzunehmen!
9 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 15 7
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
7
Duft
Ja, wo isser denn?
Bis auf kleine Unterschiede in der Wahrnehmung ist Seeroses Kommentar nichts hinzuzufügen: „Lye“ ist ein überaus angenehmer, sehr zugewandter, beinahe herzerwärmender Duft – die parfum-gewordene Kuscheldecke. Leider ist diese Decke zu transparent gewoben: Es ist mir schleierhaft, wieso man einen Duft von derartig blamabler Haltbarkeit entwickelt – zumal angesichts der Tatsache, dass die harzigen Ingredienzien theoretisch ein weitaus größeres Durchhaltevermögen an den Tag legen könnten.

Das bringt mich zum Kern der Komposition (und der angesprochenen Wahrnehmungsdifferenz): „Lye“ begegnet mir durchaus als Weihrauch-Duft; selbst im recht erfrischenden Opening wabert rasch ein kleines, zart orientalisches Wölkchen im Geschehen. Die Kopfnote bleibt aber unter der zurückhaltenden Regentschaft zitrischer Einflüsse. Sie stellen im Entrée sicher, dass der Duft licht bleibt - und verwehren den Räuchernoten geschickt jede sakrale Färbung.

Die Iris zu konkretisieren fällt mir schwer, aber ich unterstelle, dass sie nun die Aufgabe von Bergamotte und Zitrone übernommen hat. „Lye“ bleibt weiterhin hell, ja beinahe sonnig. Vielleicht finden sich die Aromen der Schwertlilie in den pudrigen Staubkörnern, die im Weihrauch zu tanzen scheinen und einen floralen Hauch in den harzigen Dunst zaubern – aber diese Metapher ist eigentlich zu groß für den kleinen wahrnehmbaren Effekt.

Deutlich strebt bereits in der Herznote eine elegant dosierte Süße ins Duftgeschehen; auf mich wirkt das, als ändere der Weihrauch seine Färbung. Tatsächlich dürfte das dem erwachenden Opoponax zuzuschreiben sein, das nun sanft weiterräuchert. Mit seinem weichen, honigfeinen Aroma verbindet sich die Vanille, als ob sie natürlicher Bestandteil der süßen Myrrhe wäre. Ihr Einfluss ist deutlich, aber dezent: Sie moduliert die Süße ins Würzige, verhindert alle Klebrigkeit und adelt dabei auch noch das sehr zivilisierte Patchouli. Das benimmt sich nachgerade vorbildlich und verzichtet auf schweißig-schwüle Erdigkeit. Übereinstimmung gibt es, das Leder betreffend: Seine Gegenwart ist pure Behauptung und findet in meiner Wahrnehmung keine Entsprechung.

Weil die Sillage der traurigen Haltbarkeit entspricht, bin ich zickig – umso mehr, als die Komposition insgesamt großartig duftet. Nachdem aber nach rund 4 Stunden Schluss ist und der Duft schon vor Ablauf der Frist danach strebt, sich so tief wie möglich in der Haut zu verkriechen, gibt es Abzüge; andernfalls wäre „Lye“ ein wunderbarer Neunzigprozenter.
7 Antworten
Sarungal vor 9 Jahren 16 9
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Die Süßgras-Chroniken – Teil V: Der Pate
Liebe auf den ersten Blick war es nicht - aber Guerlains „Vetiver“ ist kein Schmeichler, der sich willig der aktuellen Duftmode unterordnet. Kaum erstaunlich ist es deshalb, dass er bei unserer ersten Begegnung noch gegen den Enkel verlor (an dem außer dem Namen übrigens nichts extrem ist). Der startet zitrischer, fröhlicher und verbirgt so einen etwas strengen Vetiver hinter seifig-spritzigen Noten.

Der Senior dagegen schlägt schon in der Eröffnung einen seriösen Weg ein; der Zitrusakkord wirkt auf mich verhaltener, in jedem Fall aber dunkler. Vielleicht dimmt die Orange, was beim Junior so keck zitronig sprudelt.

Kupferrost beschreibt am besten meine farblichen Assoziationen zu Guerlains „Vetiver“. Der für Grünspan so typische matt-hellgrüne Farbton - manchmal changierend in der Intensität und hier und da durchbrochen von bronzenem Schimmer - ist meine visuelle Entsprechung zum Duft, dem der Tabak eine ähnliche Patinierung besorgt. Ein bisschen süßlich duftet der, aber auch krautig-bitter, ohne dadurch den Vetiver zu bedrängen. Stattdessen verstärkt er dessen holzig-kratzige Aromen - und stellt damit eindeutig klar, dass ein y-Chromosom im Spiel ist. Kaum aufdringlich sorgt der Pfeffer für eine vornehme Schärfe im Duft, während eine recht würzige Muskatnuss der Patina milden Glanz verleiht. Im Drydown bewahrt die Tonkabohne den Duft davor, sich allzu roh zu verabschieden, ohne ihm dabei zu verharmlosen. Da wird nichts ins Liebliche gewendet und keine vanillige Verharmlosung betrieben – die Veranstaltung behält ihre distinguierte, aber eben auch etwas raue Strenge.

Guerlains „Vetiver“ zeigt klare Kante, weil seine Komposition nicht um Nasenschmeichelei bemüht ist. Keine Seide, nirgends Samt – und dennoch gelingt ihm das Kunststück, einen eleganten Auftritt hinzulegen. Vermutlich ist das das Geheimnis hinter dem Duftzauber, den Guerlain gewoben hat: „Vetiver“ ist ein Kind seiner Zeit – und transportiert damit auch das Männerbild jener Jahre. Der einsame Wolf im maßgeschneiderten Anzug, Don Draper, James Bond – Prototypen, die kraftvoll sind und verwegen, rau in der Außenwirkung, sehr maskulin obendrein und immer stilvoll.

Bekommt man die etwas altväterlichen Assoziationen aus dem Kopf, die Jungs meines Alters sozialisationsbedingt spazieren tragen (so roch dein Opa / Uropa etc.), dann bietet „Vetiver“ eine interessante Alternative zum aktuellen Mainstream – was insofern interessant, ja, fast schon paradox ist, weil Guerlain selbst mit diesem Duft – vermutlich nolens volens - einen Mainstream begründet hat.

Reformulierung hin oder her – der Duft bleibt ein hervorragender Oldschooler mit exzellenter Haltbarkeit und guter Projektion, den ich mir problemlos auch an Jungs unter 30 vorstellen kann: Markant zu riechen ist kein Vorrecht von uns ollen Säcken ;-)!
9 Antworten
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