Senecca65

Senecca65

Rezensionen
Senecca65 vor 5 Jahren 43 16
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Verblasste weiche Farben
Kennt Ihr das?
Wenn man älter wird, verblassen die Farben...

Ich meine damit nicht nur die Dioptrienanpassungen, die mittlerweile fast halbjährlich zu bewerkstelligen sind, sondern die Farben der Emotionen.

Man hat so viel durch nach 50 Jahren: erst das anstrengende Streben nach Unabhängigkeit, danach herauszufinden, wer man eigentlich selber ist.

Dann trifft man, wenn man Glück hat, einen, mit dem man dieses Ich und sein Du in einen Topf schmeißen kann. Und dann wagt man vielleicht sogar das -im Rückblick unfassbare- Risiko, diesem Typen zu versprechen, dass man für den Rest seines Lebens bei ihm bleiben wird. Hab ich gemacht, ich Wahnsinnige! Und bin immer noch an seiner Seite.

Drei Kinder haben wir bekommen, die jetzt auch schon groß sind. Im Kopf natürlich noch nicht (das sage ich jetzt einfach mal so), aber als Muttertier stehst Du daneben und musst und willst sie machen lassen. Staunend und manchmal ein bisschen neidisch sehe ich, wie sie ihre strahlenden Farben leben, ohne Helm. Das Leben ist so schön... ohne Aber!

Und das Muttertier hat solche Angst um sie, wünscht ihnen Liebe ohne Leiden und weiß doch, dass das fast nie so wunderschön geht. Gehen lassen. Da sein, wenn nötig und erwünscht. Sich zurücknehmen.

Es sind so viele gegangen inzwischen: Eltern, Freunde, Weggefährten. Endgültig und manchmal leidvoll und elend. Nach jedem dieser für mich so aufwühlenden und schmerzvollen Tode musste ich mich wieder sortieren und die Kraft zum Weitermachen finden.

Wikipedia:
“Samsara (Sanskrit, n., संसार, saṃsāra; Pali: saṃsāra; wörtlich: „beständiges Wandern“) ist die Bezeichnung für den immerwährenden Zyklus des Seins, den Kreislauf von Werden und Vergehen oder den Kreislauf der Wiedergeburten in den indischen Religionen Buddhismus, Jainismus und Teilströmungen des Hinduismus.“

Ich bin -inzwischen- nicht mehr gläubig, aber trotzdem bin ich ergriffen von diesem „Alles fließt“-Gefühl, welches dieses wunderschöne Parfum mir vermittelt.

„Samsara“ von Guerlain ist -wie ich- ein alter Schinken, aber gerade DAS macht es für mich aus, weil er mich all die Jahre wie eine zweite Haut begleiten konnte.

Als ich die diesen Duft in den 90ern entdeckte, erschien er, als ob er das Neue an und in mir unterstrich: er war klar, wie ein frisch gestrichenes Tiefdunkelrot. ein wenig orientalisch, strahlend, rein, ehrlich und groß. Er war wie eine Orientierung, hatte ein Kämpferherz, war eine Leitplanke für mich und unterstrich zudem jugendliche Attraktivität. Er war kompromisslos, straight. Manchmal auch bissig. So wollte ich immer sein.

30 Jahre später ist er an mir nicht mehr tiefdunkelrot, so wenig wie ich. Heute riecht er etwas stone washed, ein verwaschenes bräunliches Rotorange. Der Stoff ist viel weicher geworden, an manchen Stellen sogar ein bisschen fadenscheinig, aber er hält anscheinend noch allen Belastungen stand.

Er ist immer noch klar, immer noch ehrlich, aber er ist so viel milder geworden. Anschmiegsamer, freundlicher und auch toleranter, der Tatsache ergeben, dass die Dinge sind, wie sie sind.

Aber deshalb doch nicht weniger schön!

Ich bin neugierig, wohin Samsara und ich noch gehen werden...
16 Antworten
Senecca65 vor 5 Jahren 71 19
Gute Reise, Papa!
Letzte Woche ist mein Vater verstorben, friedlich, ganz leise und ohne Aufsehen.
So war er immer und er ist gestorben, wie er gelebt hat. Bloß nicht auffallen, was sollen denn da die Leute denken?
45 Kilo blieben ihm zum Schluss noch, letztlich hatte er einfach keine Kraft mehr, und nun ist er nicht mehr da.

Ich war bei ihm in seinen letzten Tagen, Tag und Nacht. „L‘heure de Nuit“, mein Lieblingsduft, war bei uns und trug zumindest mich in diesen anstrengenden und anspruchsvollen Stunden. Auch als seine Stunde der Nacht dann tatsächlich anbrach, war dieser Duft dabei - kraftvoll, tragend und präsent.


Ich habe, Wochen vor seinem Tod, gehadert, ob diese Wahl wohl richtig sein wird. Ob ich den Duft „danach“ noch mögen werde, weil er ja immer diesen Zusammenhang haben wird.

Und JA! Ich liebe diesen herrlichen, sauberen, starken, tiefgründigen Duft jetzt und immerdar!

Der Papa hat ihn auch gemocht - sobald seine Eingangstür aufschloss, um ihn zu besuchen, wusste er Bescheid, dass ich da war, und man konnte beobachten, wie er sich entspannte.

DAS, ja genau DAS, werde ich diesem Parfum nicht vergessen und jedesmal, wenn ich es künftig auswähle, wird mein geliebter Papa dabei sein und mir unsichtbar den Rücken stärken.

Ein paar, für mich zwar irrelevante, aber für den Parfumo-Kommentar nicht ganz unwichtige Charakterzüge des Duftes:
pudrig und weich, wie so oft bei Guerlain. Erwachsen und selbstbewusst - keine Parallelen zu den neueren Quietschis unter Thierry Wasser. Und - langlebig, sprich haltbar. Hier -so finde ich- hatte er eine echte Sternstunde.

Wahrscheinlich -lächel!- wegen meines Papas. Das hat wohl so sein sollen.

Okay, ich weiß:
zum Duft selbst und seiner Performance habe ich jetzt nicht allzu viel erzählt, aber irgendwie fällt mir das in diesem Zusammenhang eher schwer. Aber es gibt ja genügend andere, ganz tolle Kommentare, die mehr den Duft als eine Geschichte dahinter beschreiben.

19 Antworten