SirAddy

SirAddy

Rezensionen
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6 - 8 von 8
SirAddy vor 6 Jahren 25 9
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht...
Dieser Kommentar hat eine lange Vorgeschichte die ich für mich persönlich wichtig fand, weil es auch etwas die Komplexität von Amouage Düften widerspiegelt. Zudem war es mein erster bewusst selbst gekaufter Duft im Luxus-Segment. Für mich eine recht persönliche Sache. Wen das alles nicht interessiert am Besten direkt zu "Dufteindruck" springen.

Vorgeschichte:

Ich wollte mir zur Abgabe meiner Abschlussarbeit einen wirklich tollen und edlen Duft gönnen. Ersten Kontakt mit Amouage hatte ich in einer sehr schönen Parfümerie in Bielefeld. Dort gibt es fast ausschließlich Nischen-Düfte und viele Klassiker. Ich muss ehrlich gestehen Amouage hat es mir überhaupt nicht leicht gemacht. Mehrere Düfte wurden mir an diesem Tag vorgestellt von Interlude, über Jubilation XXV, Epic, Honour, Gold und schließlich Sunshine. Eigentlich habe ich eine gute Nase (vor allem durch mein Whisky-Hobby) aber bereits nach Interlude habe ich nur noch Oregano, Weihrauch und Asche gerochen. Die Komplexität und Wucht dieser Düfte hat mich so überfordert, dass ich erstmal dankend abgelehnt habe. Gekauft an diesem Tag habe ich schließlich Habit Rouge von Guerlain. Der ist zwar fantastisch, aber jetzt nun mal eher ein Standard Duft, den jeder gut sortierte Parfumo-Mann in seiner Sammlung haben sollte. Ein Klassiker eben. Zum Abschied hat mir der nette und versierte Kundenberater noch eine Probe von Bracken Man mitgegeben, die ich völlig uninteressiert in meinen Rucksack steckte.

Immer wieder, mit Blick auf die Bewertungen bei Parfumo, bin ich mehrmals die Woche in die Parfümerie gegangen, um verschiedenste Amouage-Düfte auszuprobieren. Ich war so fasziniert und gleichzeitig abgeschreckt (vielleicht auch überfordert?), dass ich mich lange Zeit gar nicht für einen Duft entscheiden konnte. Tests auf der Haut, weitere Proben und sogar Abfüllungen hier über Souks. Nichts half meiner "ich-möchte-einen-Amouage-aber-weiß-nicht-welchen-Phase". Bracken derweil, obwohl in der Parfümerie auch ein Flakon stand, blieb weiterhin ungetestet. Mit Blick auf die Preise der Amouage-Düfte kam mir dann folgender Gedanke "Vielleicht fällt die Entscheidung so schwer, weil dir für das Geld einfach keiner so gut gefällt?". Ich sprach mit Freunden und Bekannten darüber. Die sahen das ähnlich. Ich solle doch einfach was anderes probieren. Ich gab Amouage somit auf und suchte aber auch nicht nach anderen Alternativen.

Jetzt folgt tatsächlich eine etwas klischeehafte Wendung für die ich mich zwar nicht Schäme, die ich rückwirkend betrachtet trotzdem etwas peinlich finde, da ich ein absoluter Fougère-Fan bin. Etwa sechs Wochen später, beim Aufräumen, fällt mir die völlig ignorierte Bracken Man Probe auf. Als ich den Deckel der doch recht hochwertigen Probe aufmachte, fühlte ich mich sofort an den ersten Tag in der Parfümerie zurückversetzt. Durch den Ruck am Deckel kam mir schon die erste Ladung Lavendel so energisch entgegen, dass ich erst dachte ich hätte den Deckel samt Sprüher abgezogen und den Inhalt in der Bude verteilt. Diesmal waren wir aber in meinem Territorium. Ich lies mir bewusst Zeit, roch und roch und roch...wie an einem guten Whisky.

Dufteindruck:

Lavendel und Gewürznelke, grün-frisch und mit einer Sauberkeit- anders kann ich es kaum beschreiben. Der Auftakt hat eine Natürlichkeit die ich bei vielen anderen Parfums vermisse, die in eine frischere Richtung gehen. Ich würde nicht sagen, dass der Duft etwas seifiges hat. Definitiv assoziiere ich mit Bracken Man aber Reinheit und konträr dazu rohe Natur. Stellt Euch vor man würde frisch gewaschen und rasiert, bereit für große Taten, auf einen mit Farn überdeckten Waldboden treten. Hinzu kommt vor allem in der Herznote eine sehr schöne blumig-holzige Note, die durch die Gewürze wirklich fein daher kommt. Zimt nimmt man wirklich sehr sehr dezent wahr, welches vermutlich am Patschuli in der Basis und am Zedernholz liegt. Vor allem letzteres fügt eine frisch-holzige Note hinzu, welche die Gewürze etwas überdeckt. Die Basis könnte man vermuten wäre etwas schwer, dies ist aber absolut nicht der Fall. Hier wurde wirklich ganze Arbeit geleistet. Das Patschuli und Moschus sind bei Bracken sehr ausgewogen und so gut integriert, dass sie die ganze Komposition zusammenhalten und schön abrunden.

Sillage und Haltbarkeit sind sehr gut bei diesem Duft. Ich persönlich nehme Bracken an mir nach etwa 1-2 Stunden nicht mehr wahr, jedoch nach 8-9 Stunden und generell über den Tag hinweg kommt einem immer etwas von diesem sehr eleganten Fougère flüchtig in die Nase. Gerade bei authentisch und natürlichen Düften ist das völlig normal, da die Nase sich da einfach dran gewöhnt. Mehrere Personen haben mir auch bereits bestätigt, dass sie das "flüssige Farnkraut" aus guter Entfernung an mir riechen können. Nicht Raum einnehmend, aber auch nicht unauffällig. Irgendwo dazwischen. Bisher habe ich jedenfalls ausschließlich Komplimente bekommen.

Fazit:

Das Fougère-Thema wurde hier von den Amouage-Parfümeuren äußerst gekonnt umgesetzt und an die heutige Zeit angepasst. Ein perfekter Allrounder der sich bei milderen Temperaturen (Frühling, Herbst) bestimmt noch einmal selbst übertreffen kann. Ein absolutes Meisterstück. Nach dieser Offenbarung habe ich mich wirklich geärgert, dass ich die Probe solange unbeachtet in der Ecke hab liegen lassen.
9 Antworten
SirAddy vor 6 Jahren 20 8
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Much Ado About Nothing
Manchmal frage ich mich ob andere Männer morgens ebenfalls so lange brauchen wie ich um zu entscheiden, welches Outfit getragen werden soll. Ist man daheim bietet der Kleiderschrank schon so einiges an Auswahl. Viel einfacher ist es, wenn man unterwegs ist. Sei es nun eine Dienstreise oder der Besuch von Freunden über das Wochenende: Ich hab weniger dabei und die Entscheidung fällt relativ leicht. Was hat das jetzt mit Aventus zu tun? Ich komme später darauf zurück.

Aventus ist mit eins der beliebtesten Parfums zur Zeit. Mit über 1200 Bewertungen hier bei Parfumo eine 8.4 (zum Zeitpunkt dieses Kommentars) zu erreichen, das ist schon eine beachtliche Leistung. Natürlich musste ich ihn deshalb in meiner Stamm-Parfümerie testen. Flakon genommen, auf einen Teststreifen gesprüht und wie ich es nun einmal auch bei Whisky mache: Die Augen geschlossen, intensiv und konzentriert daran gerochen. Diesen Vorgang habe ich in den letzten Wochen mehrmals und an verschiedenen Tagen wiederholt. Selbstverständlich auch auf der eigenen Haut. Was jetzt kommt wird wohl nicht jedem Aventus-Fan schmecken, entschuldigen tue ich mich dafür trotzdem nicht.

Vorab möchte ich sagen, dass Aventus gut riecht. Der Duft riecht wirklich gut und wem das reicht, der kann ab hier aufhören zu lesen und sich selbst mit dem Duft befassen. Falls jemand aber interessiert daran ist weshalb ich mir keinen Flakon gekauft habe, der darf gerne weiter lesen. Hierfür möchte ich nochmal auf meine Kleiderschrank-Situation vom Anfang zurück kommen.

Ich habe einen sehr guten Freund, der vor kurzem im Urlaub war. Als wir uns trafen trug er ein gut sitzendes Basic-Shirt in Schwarz, welches er sich im Urlaub gegönnt hatte. Ich sage bewusst gegönnt, da er sich zwei Stück für jeweils 100€ gekauft hatte. Ein Designer-Name in schöner Schrift war gut platziert und dennoch dezent genug, um nicht übertrieben zu wirken. Sicherlich zu jeder Situation im Alltag ohne Probleme tragbar. Genau das schlägt bei mir die Parallele zu Oliver Creeds Aventus. Der Duft ist schön gemacht und lässt sich sehr gut tragen, jedoch würde ich das kaum machen, wenn er in meiner Duft-Sammlung wäre. Wenn ich eine große Auswahl habe ich würde immer den Duft wählen, der einen bestimmten Aspekt von mir für diesen Tag unterstreicht oder betont. Ich möchte immer etwas eigenwilliges. Creeds Aventus ist wie ein Basic-Shirt welches man einpackt, um nicht lange überlegen zu müssen. Er ist sehr massen tauglich. Hier liegt meiner Ansicht nach das Kernproblem dieses Parfüms und am Basic-Shirt meines Freundes: Beide sind schön und gut gemacht, trotzdem haben sie etwas so grundlegend normales und generisches, dass es einem direkt ins Auge springen sollte.

Der Grund dafür, dass ich Aventus nicht gekauft habe ist simpel. Ein gut sitzendes Basic-Shirt, von mir aus auch aus Bio-Baumwolle, das ich beinahe universell tragen kann, kostet nicht viel. Ein schönes Parfüm, was die gleichen Kriterien erfüllt, lässt sich ebenfalls für relativ wenig Geld finden (ich denke hier vor allem an bspw. Cool Water von Davidoff oder Eau Sauvage von Dior). Ein guter Name ist für mich noch lange kein Grund, für ein sonst massen taugliches Produkt horrende Summen auszugeben. Der Name wirkt hier wie ein Aphrodisiakum und gilt eher einer blendenden Eigenschaft: Man fühlt sich selbst gut, weil man sich was gegönnt hat. Andere sind möglicherweise beeindruckt, weil man so einen bekannten Markennamen auf seinem Shirt stehen hat.

Fazit: Ich finde den Duft sehr gut, jedoch fühle ich mich persönlich mit diesem Duft wie verkleidet und als würde ich mich selber belügen. Sehr gehypter Duft, dem aber gerade deshalb eine gewisse Gleichgültigkeit widerfährt. Wenigstens eine luxuriöse Gleichgültigkeit...

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Dies war erst mein zweiter Parfumo Kommentar. Ich freue mich über Feedback und Anregungen!
8 Antworten
SirAddy vor 6 Jahren 15 3
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Eine schöne Beziehung auf Zeit
Liebe Community,

dies hier ist mein erster Parfumo-Kommentar. Ich bin sehr gespannt auf Eure Rückmeldungen und hoffe ich kann trotzdem weiterhelfen, inspirieren und informieren!

Bleu de Chanel kam raus als ich gerade neu in der Welt der Parfums und auf der Suche nach einem Signature-Duft war. Ich weiß noch genau wie ich in eine recht verbreitete Parfümerie-Kette lief und den Duft auf einen Teststreifen sprühte. Plötzlich flog mir in die Nase, was mir an Gerüchen gefiel: ein absolut frischer, klarer und reiner Zitronen-Mandarine-Akkord mit darunter liegenden Hölzern als dezente und verfeinernde Würze. Ich war so baff, dass ich, ohne einen Test auf der Haut und ohne anderen Düften auch nur einen hauch von Aufmerksamkeit zu schenken, den letzten eingepackten 100 ml Flakon aus dem Regal riss und diesen kaufte. In all den vier Jahren seit dem habe ich nie wieder so schnell eine Entscheidung für einen Duft gefällt und wie sich später herausstellen wird, war von Anfang an klar, dass die Wahl dieses Duftes als Signature-Duft nur eine zeitlich begrenzte Angelegenheit werden würde...

Drei Jahre lang hatte ich eine Beziehung zu diesem wunderbaren Duft und kaufte Ihn sofort nach, wenn der Inhalt des Flakons zu Ende ging. Mir gefällt diese wunderbare frische, die sich über die Zeit in eine süß-kühle und präsente holzige Note entwickelt. Oft wurde ich auch auf den Duft angesprochen, auch wenn die Sillage jetzt nicht besonders stark ist, für einen zitrisch-frischen Duft aber durchaus ordentlich. Er setzt ein Statement: "Hier bin ich. Sauber, rein und gepflegt. Mit gesundem Selbstbewusstsein und Stil". Das wollte ich sein und deshalb dachte ich es passt wunderbar.

Seit einem halben Jahr nun etwa liegt der letzte Rest eines Flakons oben in einem Reise-Kulturbeutel. Es dürften noch so in etwa 10 ml sein. Mit der Zeit lernte ich viele verschiedene andere Düfte kennen und neben meinem Geruchssinn entwickelte ich mich persönlich (vor allem durch mein Studium) weiter. Mir fiel auf, dass das was der Duft ausstrahlt zwar schön und erstrebenswert ist, aber nicht mehr vollständig zu mir passt. Ich mag den Duft sehr, aber es gibt so viel mehr komplexere, ausdrucksstärkere und vor allem überraschende Düfte. Mit der Zeit und immer mehr Trägern dieses Parfums, wurde Bleu de Chanel für mich leider eher wie ein gut sitzender Anzug: "Ich hoffe kein anderer Trägt die gleiche schöne Krawatte". Zu besonderen Anlässen ziehe ich Ihn an, aber ansonsten hängt er nur im Schrank...

Fazit:

Ein schöner Duft, der wie ich finde durch die balancierte Mischung aus Frische und Holz ruhig ganzjährig getragen werden kann. Als Signature-Duft für mich persönlich inzwischen nicht mehr passend, aber durchaus nützlich wenn man beruflich oder auf Veranstaltungen einen guten Duft-Eindruck nach Außen hinterlassen möchte. Wie ein gut sitzender Anzug eben- den trägt man aber nicht immer. Ich zumindest nicht.
3 Antworten
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