Soussanne

Seit dem Wochenende ist der Sommer ausgebrochen. Ganz plötzlich und mitten im Mai. Die bange Frage, wie lange er wohl diesmal bleibt, ersticke ich im Keim und gebe mich statt dessen dem starken Bedürfnis hin, einen tollen Sommerduft aufzulegen. Ich sprühe mir Donna von AdP ins Haar, mein Urlaubsstimmungsduft schlechthin.

Die Zitrusfrüchte kann ich fast auf der Zunge schmecken, echte Zitrone wird umschmeichelt von pudriger Würzigkeit und abgefedert durch Ingwer und feinen, frischen Moschus. So riecht der Sommer! Jasmin und Magnolie gehen eine zarte Liason ein und halten sich dezent im Hintergrund. Eine fast grüne, aber dennoch leichtfüßige Holzigkeit gibt dem Duft eine Basis. Sehnsüchtig denke ich ans Mittelmeer, das Türkisblau des Wassers, die warme Seeluft, das unglaubliche Licht. Kräuter wachsen an den Berghängen und angeregt durch die warme Mittagssonne geben sie ihre Aromen frei. Es zieht mich hinaus auf den heimischen Balkon, er muss jetzt als Ersatzdomizil herhalten. Es ist angenehm warm, eine leichte Brise spielt mit meinem Haar und umhüllt mich immer wieder mit Wolken voller Urlaubsfantasien. Im Radio läuft Novamenco. Hhhhmmmm, ich schließe die Augen, lasst mich einfach nur träumen...

Nach dem außerordentlichen Kommentar von Profumo traue ich mich fast gar nicht, meine Eindrücke dieses wundervollen Duftes zu schildern. Ich hoffe, eine kurze Einschätzung einer weiblichen Trägerin sei mir an dieser Stelle gestattet, da es sich hierbei um einen meiner absoluten Lieblingsdüfte handelt.

Dass die Duftlinie aus dem Hause Frapin-Cointreau mit Anklängen edler Spirituosen aufwartet, verwundert nicht wirklich. Dennoch wurde ich durch 1697 gleich beim ersten Testen überrascht, als ich die starken likörigen Noten im Auftakt wahrnahm, die so wunderbar einbettet sind in geschmeidige, gourmandige Substanzen. Lange habe ich überlegt, woran mich das erinnert, denn der erwähnte Rum trifft meiner Meinung nach nicht ganz den Kern. Jetzt weiß ich es, ich assoziiere eine Weincreme wie Zabaione damit. Ja, das trifft es ganz gut. Im einzelnen sind es Weißdorn, Pflaume, Zimt, Zistrose, Tabak und Vanille, die den Gesamteindruck einer köstlichen Nachspeise mit Schuss verstärken. Süchtig machend, jedoch geerdet durch transparente Holznoten und edles Leder und somit absolut tragbar von Mann + Frau.

Das Leder stellt mich allerdings vor ein Rätsel. Ich erlebe es auf meiner Haut mit ganz unterschiedlicher Intensität, mal dezent und dann wieder so kräftig, dass es mir fast zu viel ist. Und das wechselt je nach Tagesform und unabhängig von der Duftmenge, die ich aufgebracht habe. Möglich, dass meine Hautchemie sich verändert oder meine Nase unterschiedlich drauf ist.

Alles in allem ist 1697 für mich ein sehr runder, ausgewogener Duft, der sich auf Teststreifen und meiner Haut nicht wesentlich unterschiedlich darstellt. Er besitzt trotz seiner Opulenz für meine Begriffe eine gewisse Leichtigkeit und behält bis zum Schluss seinen Charakter. Die Haltbarkeit ist ganz ordentlich, die Silage bei mir eher dezent. Ich trage ihn gern zu besonderen Anlässen. Den Flakon finde ich schlicht und edel, ich bin stolze Besitzerin einer nummerierten Ausgabe der ersten, etwas kantigeren Version (siehe Bild oben), obwohl ich der Limitierung als Marketinginstrument etwas zwiespältig gegenüber stehe. Ich musste ihn einfach haben! Mittlerweile gibt es den Duft auch als EdP im „normalen“ Frapin-Flakon.

Keine Ahnung, die Damen und Herren sind mir bisher nicht vorgestellt worden. Aber ich habe eine Vorstellung davon, wie etwas riechen sollte, das so anrüchig ist. So unerhört gewagt. Fast verboten. Na gut, na gut, heute vielleicht nicht mehr so sehr wie früher, aber ein heißes Eisen ist das Thema allemal. Und damit kokettiert BA ganz ungeniert.

Jetzt will ich der Sache aber auf den Grund gehen und mich dem Rausch hingeben. Mutig lasse ich den Afgano an mich 'ran, ein Spritzer auf meiner Haut muss erst mal genügen. Ui, ist der kräftig! Dann plötzlich Alarm: Blausäure! Oder besser gesagt das Aroma von Bittermandeln. Kann doch nicht sein, das steht nicht in der Duftpyramide. Ist DAS etwa Cannabis? Habe ich mir völlig anders vorgestellt, irgendwie verruchter, oder rauchiger. Dazu gesellt sich schnell etwas süßlich Vanilliges – mag sein, das ist der Tabak – und ein blumiger Anklang unbestimmter Art. Harziges und Holziges nehme ich nur sehr dezent wahr. Dazu muss man wissen, dass meine Haut generell dazu neigt, sich als Gärtner zu betätigen. Soll heißen: Die Wurzeln vergraben in der Erde und die Blüten zum Himmel gereckt. Und das auch, wenn keine drin sein sollen.

Langsam rückt mir der Afgano immer näher, jetzt wird er mir schon ein wenig zu aufdringlich. Die Geister, die ich rief... Und er hat auch noch einen Kumpel mitgebracht. Darf ich vorstellen, meine Name ist Thierry M. und meine vornehmste Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Frau, die mit mir zusammen ist, nicht übersehen, äh überrochen wird natürlich.

Die beiden bleiben und bleiben und bleiben. Tschüss Leute, ich muss jetzt in die Küche und Essen machen. Ja fein, wir gehen mit und leisten dir Gesellschaft, bringt doch total Laune, wir drei beim kochen! Na, wenn ihr meint, seuftz, zu viele Köche verderben doch bekanntlich die Köchin, oder wie war das noch mal? Mein Hantieren mit Töpfen und Pfannen bringt die beiden nicht aus dem Konzept. Auch nicht, als ich anfange, Zwiebeln zu braten. Sie bleiben immer in meiner Nähe und was soll ich euch sagen, jetzt bin ich ihnen direkt dankbar, dass sie geblieben sind!

Thierry geht noch vor dem Essen nach Hause, seine Frau hat auch gekocht und Appetit holen, darf er sich woanders, aber gegessen... ihr wisst schon. Den Afgano 'rauszujagen bringe ich nicht über's Herz. Heute Abend, wenn ich in die Wanne gehe, dann ist aber wohl endgültig Schluss mit uns beiden.