StenLaurel
StenLaurels Blog
vor 1 Monat - 20.03.2024
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Von Keksen, Düften und Besitzern

Ja, es hat mit Parfum zu tun. Das vorweg. Aber blicken wir zunächst einmal über den Tellerrand. Das muss sein. Wegen des Verständnisses. Weil es da einen Zusammengang gibt. Des Verständnisses, Genetiv. Aber das nur nebenbei.
Ich werfe mich in Schale, gehe zum Konzessionär, möchte mir eine teure Uhr kaufen. Da werden mir Kekse serviert, da wird mir Kaffee angeboten, Champagner, da wird mir Zucker in den Popo geblasen. Entschuldigen Sie bitte diesen Ausdruck. Ich lasse einen fünfstelligen, manchmal auch einen sechsstelligen Betrag da. Für eine, ja, für eine Uhr. Die Quarzuhr für einen Zehner bei Aldi hätte es auch getan. Zeigt die Zeit auch an. Sogar genauer. Ist aber nicht dasselbe. Ist von Aldi und nicht von Rolex. Wie bei Parfum. Ist von Cliff Barnes und nicht von Cliff Christiansen.

Jetzt habe ich eine Uhr. Eine sauteure Uhr. Und ich habe eine Schatulle. Da ist die Uhr drin. Und einen Karton. Da ist die Schatulle drin. Und die Uhr. Die Uhr in der Schatulle im Karton. Auf der Uhr klebt eine kleine grüne Plakette. Wie beim TÜV. Und eine Schnur bammelt da dran. An der Uhr. Mit einem purpurroten Siegel aus Plastik, schweizer Plastik. Hang Tang heisst das Ding. Oder so ähnlich. Das ist wichtig. Alles ist wichtig. Gehört alles zur Uhr. Wie bei Parfum. Ohne das Drumrum ist die Uhr nur halb. Genau wie ich. Ohne Kekse bin ich nur halb. Ohne Kaffee, ohne Champagner war das alles für die Katz. Aber um Katzen soll es hier nicht gehen, mag ja nicht jeder. Satire auch nicht. Mag auch nicht jeder. Es geht um Parfum.

Nochmal zur Uhr zurück. Ich mache es auch kurz, versprochen.
Ohne Kekse kein Kauferlebnis. Dann habe ich eine Uhr, aber ich besitze sie nicht. Ohne Kekse fehlt das Kauferlebnis. Das brauche ich aber. Das Kauferlebnis. Deshalb kaufe ich ja eine Uhr. Beim Konzessionär, nicht bei Aldi. Bei Aldi kriege ich keine Kekse.

Als Parfummensch geht es mir nicht anders. Gut, ich werde bei Miller oder Glasgow auch keine Kekse kriegen oder gar Sekt. Oder kennen Sie einen Parfumkäufer, der vor dem Kauf eines Cliff Christiansen ein Glas Rotkäppchen zusich nehmen durfte? Oder Kekse essen? Nein, bei Parfum ist das Kauferlebnis anders. Abgespeckt sozusagen.

Und doch ist das so. Oder so ähnlich. Verwandt sozusagen. Seelenverwandt, wenn man so will, es gibt Parallelen. Wenn ich ein Parfum habe, dann habe ich es nämlich gar nicht. Es sei denn, ich habe es doch. Das ist kompliziert. Kompliziert zu verstehen. Ein Parfum haben aber es nicht haben, obwohl man es hat. Da streichen manche die Segel, das will nicht rein. Nicht rein in den Schädel. Kann man sogar verstehen. In Wirklichkeit ist das alles ganz einfach, das ist nämlich so:

Wir sind  alle gleich gestrickt. Manche gleicher als andere. Aber das ist ein anderes Thema und gehört nicht hierher.
Ob wir nun Sebastian oder Beate heissen, ob wir eine Uhr in Besitz nehmen wollen oder ein Parfum. Es spielt keine Rolle. Was wir besitzen wollen, wollen wir besitzen. Richtig besitzen, nicht nur haben, nicht nur halb. Also nicht nur halb besitzen. Nein, wir wollen es ganz. Ganz besitzen. Besitzen mit Haut und Haar, metaphorisch gesprochen. Kekse und Kaffee kriegen wir ja nicht. Jedenfalls nicht bei Parfum. Dann aber wenigstens mit Drumrum.  Denn jetzt kommt die Psychologie ins Spiel. Der Duft selbst steht gar nicht an vorderster Stelle. Den hat man, aber man besitzt ihn noch nicht. Dafür müssen weitere Kriterien erfüllt sein. Zum Besitz brauche ich das Gesamtpaket. Sonst bin ich nicht zufrieden. Das Gesamtpaket inklusive Kaffee und Kuchen. Inklusive Schachtel und Cellophan. Aber ist ja keine Uhr. Also keine Kekse. Haben wir oben schon gesehen. Diesen Teil des Kauferlebnisses müssen wir streichen. Das ist der Nachteil von Parfum, Parfum ist keine Uhr. Keine Uhr, keine Kekse.

Was heisst das nun für mich? Betrachten wir es an einem Beispiel.
Ich liebe die Düfte von Zermoff. Nun ist ein Zermoff ist nicht gleich ein Zermoff. Hört sich zunächst komisch an, ist aber ganz einfach. Eine Abfüllung Laxus mag wie Laxus riechen, ist aber kein Zermoff. Weil ich mit der Abfüllung den Duft zwar habe, ihn aber nicht besitze. Ein riesen Unterschied! Ohne diesen Unterschied hätten die Psychologen nichts zu tun, könnten ihre Praxis zumachen. Zum Besitz eines Zermoffs gehört nämlich ein Flakon. Ein Flakon von antikem Antlitz, als hätte man ihn eben erst bei Ramses dem Zweiten aus der Grabkammer geborgen. Ein Miniatur Sarkophag mit polierter Mütze aus Gold, beigesetzt auf Samt in einer ledernen Schatulle. Darin verborgen schlummert der edle Duft. Das ist eine Einheit. So gehört sich das. So besitze ich den Duft. Abends singe ich ihm ein Schlaflied. Die Abfüllung habe ich weggesperrt, die muss das nicht mitkriegen. Schliesslich besitze ich sie nicht, die habe ich nur.

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