Traviata

Jemand zermörsert Wacholderbeeren im Hof, während ich durch die Tür ins dämmrige Raucherzimmer schlüpfe. Noch so ein orientalisches Raucherzimmer. Ich war gestern schon im "Cozé" von Parfumerie Generale. Diesmal ohne knarrende Sandelholzböden oder Zedernholzinventar, nur dicke weiche Teppiche und Ledersitzkissen. Parfümierter frischer Tabak liegt für die Pfeife schon auf einem Tischchen bereit, Schwaden seines süßherben Geruchs breiten sich aus und mischen sich mit dem Duft verschiedener aromatischer Balsame. Zig Bienenwachskerzen schwelen vor sich hin, und der Samowar dampft. Zum Tee mit Rum werden kandierte Rosenblätter, süße Trauben und Lebkuchen gereicht, gesüßt wird der Tee trotzdem noch mit diesem göttlichen weißen Honig. Ein herrlicher Strauß Rosen schmückt den Raum.... Ich weiß zwar dass draußen vor dem Fenster in der Nachtluft der Jasminstrauch vor sich hin duftet, aber seine helle Süße vermag kaum durch die schweren indischen Vorhänge zu mir ins innere zu dringen. Herrlich.
Könnte mich in Versuchung, sprich zum Kauf (ver)führen.
Edit:Hat mich verführt.

Ewas herb ja, aber weich, ein warmer Raum. Ich sitze Pfeife rauchend (Tabak mit Gras gemischt) auf dicken orientalischen Kissen, sie riechen nach Patchouli. Vor mir liegt verführerische Chili-Schokolade auf dem niedrigen Ebenholztischchen. Die Zedernholzschatulle birgt stark duftende pfeffrige Gewürze. Da schreitet jemand über den weichen Vanilleteppich der über dem federnden Sandelholzparkett liegt und stellt eine kleine Tasse schwarzen Kaffee vor mich hin. Mit etwas Kardamon drinne. Ohne Zucker, mir ist heut nicht nach Süßem. Nur ein kleines Stückchen von der dunklen Chili-Schokolade.

Haaach! Diesen Raum werde ich öfters mal aufsuchen.

Ich hab mich auf Anhieb verliebt in dieses Mädchen mit dem dunklen Haar. Es schreitet im nachtfarbenen Nadelkleid barfuss über den noch sonnenwarmen trockenen Boden eines Pinienwaldes. Sie meidet das Licht. Jedenfalls finde ich nichts Helles in "Fille en Aiguilles". Eher feierliche Abgeschiedenheit in dem stillen Halbdunkel unter den Bäumen. Sorry, dass es bissl pathetisch wird, aber ich kann nichts dafür, das ist der Weihrauch!
Ich hab das Mädchen vor mir. Sie lebt im Wald. Sie zerreibt frische Piniennadeln zwischen ihren erdigen Fingern und hält sie mir unter die Nase. Ich kann leicht die Schokolade wahrnehmen, die wohl an ihren Händen kleben muss, ich kann sie riechen und den ambratischen Duft ihrer Haut, während das zerriebene Harz der Nadeln mir prickelnd in den Kopf steigt.

Von Beginn an ist der Duft sehr dunkel und sehr warm. Ambratisch würzig würde ich ihn klassifizieren. Von Serge Lutens "Ambre Sultan" unterscheidet ihn seine noch wesentlich dunklere Duftfarbe und der würzig herbe Geruch eines südlichen Nadelwaldes. Eben. Wie wenn man im Sommer über den knisternden Boden eines Nadelwaldes geht. Er besitzt für mich einen ganz leicht schokoladigen Touch. Die frischen Piniennadeln überragen jedoch anfangs den weichen Grundtonus und während sich der Duft sonst nicht großartig verändert, wird das Harz schließlich auch weicher und trockener, bettet sich ein. Diese leichte Herbe - ist das das nur das Nadelholz? Oder Lorbeer & Lakritz? Jedenfalls kommt es bei mir harzig an, wirkt aber kein bischen knarzig oder rau - dieser leicht bitteren Ton mischt sich mit dem ambratischen Grund und der leichten Süße der Früchte die ihn wunderbar einhüllen und alle Kanten abschleifen. Alles bleibt weich, rund und tief.

Würde ich das tragen? Ja. Ja! Mal sehen wie lange ich mit meinem Pröbchen zurechtkomme. Mich dünkt nicht allzu lange! Momentan ist meine Assoziation eher "Männerhaut". An einer Männerhaut würde ich sie umwerfend finden, aber wer weiß, ob ich mich nicht bald mit dem Mädchen (Fille) mit der Nadel (aiguille = Nadel) i(nfi)dentifiziere.

KOPFNOTEN: Weihrauch, Gewürze HERZNOTEN: Piniennadeln, fruchtige Noten, Lorbeer BASINOTEN: Vetiver, Ambra

"Fille en Aiguilles" ist ein starker Duft, der aber trotzdem recht körpernah bleibt, man/frau zieht also keinen meterlangen Duftschleier hinter sich her. Der Weihrauch wird aber von vielen Menschen als "strange" wahrgenommen, ich würde sagen das ist nicht unbedingt ein Büroduft. Nö, da passt sie auch nicht hin, die Tochter des Waldes.
Trotz des Nadelwaldthemas kommt übrigens glücklicherweise kein bisschen ein Fichtennadelschaumbadfeeling auf. Sie erinnert mich einwenig an WONDERWOOD von Comme des Garçons, der aber unter seiner mystisch weihrauchschwenkenden Schale wesentlich kantiger, rauer und brachialer daherkommt. (Trotz seinem weichen Herz aus Holz) Vielleicht ist das ja ihr Ehemann.
Nuja.. dann ist aber der Ambre Sultan, der im prächtigen Palast an der Sonne lebt, zumindest ihr Liebhaber. ;-)

Die Piniennnadeln auf dem Boden, bilden eine weiche Schicht.
Wenn sie darauf geht, dann trägt sie federnd ihr Gewicht
und die hohen, dichten Bäume spenden Schatten und grünes Licht,
dort umtanzen sich zwei weiße Falter...

Extrem passender Liedauszug aus Wo soll ich suchen "Zwei Falter" von Dota.

Rose. Unverkennbar. Aber anders als alles rosige was ich so kenne. Süß? Ja. Aber auch unsüß. Die schwere Süße wird zumindest gebrochen durch...ich nenne es mal dunkle Einflüsse. Zart ist sie jedenfalls nicht diese Rose.
Auch wenn ich die Kernseife deutlich herausrieche, ist Dark Rose für mich KEIN frisch-sauber Duft. Eher sauber-verrucht. Das riecht als hätte ich mich zwar mit edler Kernseife gewaschen, mich dann aber sofort in üppigen Bergen schwarzer Rosenblätter gewälzt, danach in transsilvanischer Erde. Und anfangs liegen dieser frisch gemörserte Safran und der Rauch eines schwelendes Kochfeuers deutlich in der Luft. (Nein für mich keine Medizin, oder gar Schwimmbadchlor, das ist Safran! Ich koche oft Basmatireis, den ich stets mit frischem Safransud aromatisiere, von daher hab ich den Safranduft in seiner reinen Form hier tatsächlich wiedergefunden. Ein Perser roch ihn hier bei der Probe auch sofort heraus. Zusammen mit Rauch.)
Alles zusammen muss ich sagen, dass mich seit Jahren kein Duft so sehr mitgenommen hat. Das Pröbchen lachte mich dauernd an und meinte: „Sprüh mich!" So. *mich zügel * PAUSE. Lass die lockende Dark Rose mal ein paar Tage stehen und probier sie später, nach einer Karenzzeit noch mal. Als ich abends fröstelnd in meine Fleecejacke schlüpfte, verschlug es mir den Atem. Eine Wucht! Dark Rose hing da noch sehr intensiv in meinem Ärmel auf Handgelenkhöhe. TAGELANG. Auf der Haut hält sie gar nicht so gut, aber in den Kleidern ist sie bombastisch haltbar die holzige Safran-Rose. Und ich eilte von dannen und kaufte mir diesen tollen blutroten Flakon. Als blutrot empfinde ich den Duft auch, ich denke dabei stets an etwas fruchtiges Rotes. Keine Kirsche aber irgendwas in der Richtung, eine Rose, die sich zu einer strange anmutende Frucht wandelt, eine die ich nicht vernaschen will, sondern eine deren Duft mich lockt und lullt, die sich aber beim Verzehr wohl eher als ungenießbar, wenn nicht giftig herausstellen würde.
Bombastisch! Eine Wucht! Rose! Erde! Holz! Asche! Vermischt sich zu einem kaum fassbaren, warmen, starken, roten, einlullenden und doch unterschwellig gefährlichen Etwas. Ob der Träger von Dark Rose Mann oder Frau ist spielt keine Rolle! Ich kann nicht mehr davon lassen.

Seine Duftschwester heißt übrigens REGAL und sie stammt von von der keltischen Heerführerin Boadicea the Victorious ab.

Uah! Was hab ich da geordert!?

Ein wahres Eau de TOILETTE. Mit Betonung auf Letzteres. Bronnleys Lavender EDT riecht nach ollen Lavendelduftsäckchen in einem ungelüfteten Altbau, im besten Falle noch nach Lavendel-Klostein.
Ich verstehe nicht, wie ein so wunderbarer unkaputtbarer Duft wie Lavendel, eigentlich der einzige Duft der Welt, den man universal nennen könnte, der zu allem und jedem passt, von der Wiege bis zur Bahre, zur Prinzessin wie zum Underdog, der in der Sockenschublade ebenso gut aufgehoben ist wie im Liebesbriefkuvert, himmlisch für das Brautbett, erfrischend für den Bodybuilder nach dem Training - wie dieser Duft so.. streng und muffelig daherkommen kann, dass er plötzlich nur noch zur Frau um die 80 passt. Den eigentlichen Lavendel-Charakter habe ich nicht gefunden ... er macht auf mich, wie gsagt, einen mottenkugeligen Klostein Eindruck. *duck* Ich weiß, ich weiß ... ein alter ehrwürdiger Duft aus dem englischen Traditionshaus Bronnley. Für deren ehrenwerte Seifenkultur immerhin die 10 %. Und es hört sich ja eigentlich auch so schön an: reines Lavendelöl mit Akzenten von Rosmarin, Pomeranze und der Basisnote Sandelholz gemischt mit Rosenholz. Es finden nur reine Blütenessenzen, sowie pflanzliche Öle ihre Verwendung. Tja, hören ist nicht riechen.
Merke Dir, dumme Traviata: Kaufe nie wieder einen Duft, den Deine Nase nicht kennt.

Hey! Vielleicht roch ja so die Queen Mum? Bronnley beliefert ja schließlich das englischen Königshaus mit ihren Seifen und Wässerchen.
Es gibt bestimmt viele, die diese alte englische Lavenderezeptur mögen, sonst gäbe es diese Komposition schon längst nicht mehr. Deshalb, niemand soll sich auf den Schlips getreten fühlen, Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Was hab ich mit der kaum angebrochenen Flasche gemacht? Ich schenkte sie meiner Stiefmutter. :-D
(Sie mag es :-)


Tipp: Das herrlich rauchige Encens et Lavande von Serge Lutens, der reinste Lavendelduft den ich kenne. Oder das pudrig-himmlische Lavendel Eau de Toilette von L'occitane!
Auch KIKI von Vero Profumowill ich nennen. Sehr schön... ist der üppige Lavendel irgendwann nach Stunden doch verflogen, verbleiben ganz sanft auf der Haut cremiger Karamell und zarter Moschus.