Meine Wiederentdeckung des Extraits.

Jahrzehntelang griff ich beim Gebrauch von Düften meist zum Eau de Toilette. Ich denke mal, es lag einfach daran, dass ich sehr großzügig damit umgehen konnte. Dann wurde ich anspruchsvoller, noch mutiger und ja, im täglichen Leben in der Parfümerieabteilung musste ich bei meinem eigenen Duft "dagegen halten" können, oder aber ganz darauf verzichten. Was ich in den letzten Jahren des Berufslebens auch meist tat. Ich trug Düfte nur noch in der Freizeit. Reine Parfums bewunderte ich ob ihrer Kostbarkeit, oft wegen ihrer wunderschönen Flakons, aber sie waren mir meist zu körpernah und ich vermisste die große Sillage. Ich hatte keine Beziehung zu ihnen.

Seit ich im Alltag nicht mehr von Duftwolken umgeben bin, lerne ich die Extraits erst richtig schätzen und benutze sie nun auch oft und gerne. Beim Extrait ist es auch nicht so risikoreich, mal einen Vintageduft zu ergattern, denn es kippt ja bei weitem nicht so schnell wie ein EdP oder gar ein EdT.

Wer glaubt, ein Parfum wäre noch stärker, lauter, intensiver, wird - wie so manche meiner früheren Kundinnen - enttäuscht sein. Ein Parfum ist im Vergleich zum EdP meist sogar dezenter, jedoch auf alle Fälle persönlicher, intimer und vor allem es brüllt nicht, sondern flüstert. Aber was es flüstert ist so viel schöner, als das, was das eher plakative EdP als Aussage hat. Ein Extrait ist eine Allianz zwischen Duft und Trägerin, die manchmal sogar im Geheimen wirkt. Im Gegensatz zum EdP, das man im Vorbeigehen auch mal großzügig mit weit ausholender Handbewegung auf die Kleidung sprüht, ist der Akt des Beduftens auf der Haut schon viel persönlicher. Und so wird das dann wirklich "mein" Duft. Diese Liebesbeziehung öffentlich zu machen, das ist dann die Aufgabe des EdT, das man zusätzlich(!) tagsüber benutzt, um den Genuss zu verstärken oder zumindest zu verlängern und manchmal auch, um die Stimmung eines Duftes den Tageszeiten anzupassen. Das ist ja auch der Grund, warum die Pyramide der einzelnen Versionen oft erstaunlich unterschiedlich ausfällt.

Auch bei mir treten hin und wieder Zeiten ein, in denen ich keine Lust habe, Neuheiten zu testen, aber eigentlich würde ich mich doch gerne mit Parfums beschäftigen wollen. Was für ein Dilemma! Aber ich habe einen Ausweg gefunden. Ich mache mich auf die Suche, um Extraits testen zu können. Das ist gar nicht so einfach, denn oft gibt es davon überhaupt keine Proben. Umso schöner wenn man wie ich gerade Extraits von Carondüften entdeckt hat oder das reine Parfum von Audace/Rochas in die Sammlung aufnehmen konnte. Ich nehme das auch zum Anlass, um eine Bitte loszuwerden. Ich würde mich sehr freuen, wenn mir der ein oder andere Besitzer von Extraits zwei (in Worten zwei) Tropfen seines Parfums anbieten könnte. Meine Sammlung steht zum Tausch zur Verfügung, ich revanchiere mich gerne.

Ich möchte Euch ermutigen, nicht in Ehrfurcht vor den Extraits zu erstarren, sondern Euch auf diese Beziehung einzulassen, und Ihr werdet für Euch ein neues Parfumo-Kapitel eröffnen. Anspruchsvoll, schwierig in der Umsetzung, aber überaus bereichernd.