Turandot

Ich liebe alte Düfte, nicht nur weil sie mich an früher erinnern, sondern weil sie oft noch diese Unverwechselbarkeit haben, die den modernen Mainstream-Düften längst abhanden gekommen ist.

Je Reviens gehört dazu. Sicher wird er mit der Original-Version aus den 30er Jahren nicht mehr vergleichen lassen. Leider oder in diesem Zusammenhang gnädigerweise muss ich feststellen, dass sich mein Geruchssinn mit zunehmendem Alter nicht verbessert, deshalb ist dieses Manko für mich nicht so aussschlaggebend. Der Wiedererkennungswert ist durchaus noch vorhanden.

Entsetzt war ich, dass ich im Kaufhaus auf dem "Redudziert-Tisch" den 30ml Zerstäuber für 6,39 Euro gefunden und natürlich gleich zwei Exemplare gekauft habe. Da wird ein ehemals edler Duft sehr verramscht.

Es gibt Tage, da liebe ich meinen grauen Hosenanzug, dazu eine weiße Bluse zu meinem grauen Haar und Weissgoldschmuck. Das sind die Tage, an denen ich nichts Buntes, Lautes, Hektisches und Vordergründiges mag. Trotzdem sind das keine Graue-Maus-Tage, denn dann trage ich mit Vorliebe No.19 von Chanel sozusagen als Kontrapunkt.

Gepflegtes Understatement könnte vielleicht die passende Umschreibung sein für das Gefühl, das mir dieser Duft vermittelt.

Duftcrissi hat schon recht, er duftet grün, aber nicht einfach nach Wiese am Morgen, sondern erinnert mich eher an einem englischen Landschaftspark in dem sich eine elegante Abendgesellschaft zu einem five-o-clock-tea trifft, wobei es ja nicht unbedingt nur Tee sein muss, der genommen wird.

In meinen über 40 Jahren in der Parfümerie habe ich natürlich viele aufregende Düfte kommen und gehen sehen und noch viel mehr, denen ich nicht nachtrauere. Selbstverständlich hat mich No.5 mein ganzes Berufsleben begleitet.

Sobald ich es mir als junge Frau leisten konnte, habe ich es mir selbst geschenkt und fühlte ich das erste Mal als "Dame". Später kamen natürlich viele andere Düfte dazu und ich war irgendwann No.5-müde, ich fand No.19 viel interessanter. Das Thema war für mich abgehakt.

Dann wurde es üblich, erfolgreiche Parfums mit "leichteren" Versionen zu ergänzen. Ich bin ehrlich, ich mag diese abgespeckten Light-Produkte nicht, sie kommen mir irgendwie kastriert vor. Als Eau Premiere avisiert wurde, war ich deshalb nicht besonders interessiert, ja fast enttäuscht, dass Chanel nun auch auf diesen Zug aufspringt. Aber ich muss zugeben, ich habe mich gründlich getäuscht

Ich erlebe No.5 völlig neu und fühle mich trotzdem in dem Duft wieder in die Jugend zurückversetzt. Vielleicht mag ich ihn ja gerade deshalb, weil der Unterschied eben nicht so gewaltig ist, Eau Premiere aber eben lange nicht so agressiv seifig und aldehydig ist wie No.5. Der Duft strahlt, ist transparent und vermittelt mir das Gefühl, als wenn man Licht atmen könnte.

Auch viele jungen Frauen, die No.5 nie tragen würden, weil die Oma es schon hatte, kaufen Eau Premiere übrigens, weil es halt eben doch das Image des berühmtesten Parfums der Welt in die nächste Generation trägt.

Bei uns in der Parfumerie (nicht die türkise) gibt es ein geflügeltes Wort, das leider immer öfter zutrifft, wenn wieder ein neuer Duft geliefert wurde und jeder von uns nach dem Tester greift:

Ganz nett, die Welt hätte es aber nicht gebraucht und wo nehmen wir noch einen halben Meter Regalfläche her?

Oder noch schlimmer: Da könnte auch MEXX draufstehen. Ob ich so weit gehen würde, bin ich mir noch nicht sicher. Ich befürchte aber Kannibalismus gegen Allure-Sport.