Undine

Undine

Rezensionen
Filtern & sortieren
11 - 15 von 30
Undine vor 12 Jahren 1
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6
Duft
Lederklau und Jägermeister
Lieber Bandit,

bei unserem letzten Treffen hast du leise geseufzt, du seist nicht froh mit deinem Ruf. Ob ich – als eine, die sich vor dir nicht erschreckt hat – da was tun könne? Keine Ahnung, ob ich kann. Ich versuch's mal.

Was auch immer die Fama behauptet, man muss dich nicht fürchten. Deinen Namen trägst du zwar nicht zu Unrecht, nur beschränkt sich deine kriminelle Ader auf mindere Eigentumsdelikte – doch dazu später. Gewalt liegt dir jedenfalls fern; du setzt einem nicht die Pistole auf die Brust, hast keine Keule auf der Schulter, keine abgesägte Schrotflinte in der Tasche, kein Messer im Stiefel.

Du kommst vielmehr galant daher, auf eine Art, die frau seit der (Nach-)68er-Zeit kaum mehr kennt. Zu jedem Rendezvous begrüßt du mich mit einem gigantischen Blumenstrauß, ganz Kavalier alter Schule. Das Bouquet, Aldehyde plusplus, ist so riesig, dass es mich fast in die Knie zwingt. Doch wenn ich allmählich wieder auftauche aus der Blütenfülle, vermisse ich was. Leder satt habt ihr mir versprochen, deine Bande (=dein Parfümhaus) und du. Aber das unterschlägst du. Erst wenn du schon im Aufbruch bist, ziehst du was Gegerbtes aus der Tasche: Waschleder, weich, proper, und auch davon nur ein Fitzelchen – nee, mein Lieber, das war anders abgemacht. Das ist Lederklau. Du bist ein Dieb, ein Betrüger.

Auch sonst ist dir nicht zu trauen. So gibt es nach dem ersten blümeranten Geblümel ein wunderliches Intermezzo: Du schenkst mir Kräuterbitter ein, und nicht zu knapp. Leider ist Estragon nicht gerade mein Lieblingskraut, auch in der Küche nicht. Und leider hast du davon eine enorme Portion in den Trank gepackt. Dein Herz sei freundlich und lieblich, sagst du? Und da sei noch ein Zweitblumenstrauß, Rosen und Nelken inklusive? Pardon, das kriege ich, hicks, vor lauter bitterer Kräuterei nur halb mit. Schade.

Unsere Zweisamkeit bleibt distanziert. Erst nach ein paar Stunden rücken wir näher zusammen. Dann nämlich zeigst du deine Basis. Und was ich da wahrnehme, vom weichen, dunkelgrünen Moos über ebenso dunkles, raues Vetivergras bis hin zu mildem Harz und – endlich, siehe oben! – einer Winzigkeit Leder, das mag ich sehr.

Was ich, so insgesamt, von dir halte? Du bist ein interessanter Typ. Schön, dich kennengelernt zu haben; ich habe nichts dagegen, dich mal wieder zu treffen. Gelegentlich – eine Sache von Liebe und Leidenschaft wird das mit uns beiden nicht.

Ach so, das war dir ja wichtig: Nein, lieber Bandit, als Wilden habe ich dich nicht erlebt. Nur als Lederdieb. Und, nebenbei: Willst du wirklich Leute zur Jägermeister-Fraktion bekehren?

Beste Grüße
Undine
1 Antwort
Undine vor 12 Jahren
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft
Chapeau - aber: Bitte etwas frische Luft
"Schnörkellos gut komponiert": Was das angeht, stimme ich Ergoproxy (und natürlich auch Profumo) zu. Aber an Bauhaus-Entwürfe lässt mich dieser Duft ganz und gar nicht denken; von deren Kühle und Nüchternheit ist er weit entfernt.

Dunkel ist das Zimmer tatsächlich, das man mit dem Aufsprühen betritt (wenngleich für mich nicht "schwarz"), nur ein paar Kerzen brennen. Und nach einer mild-pikanten Begrüßung an der Türe umgeben einen beim nächsten Schritt ins Dämmerlicht warme Schwaden süßen Rauchs. Pflaume und Leder? Ja, das passt. Wobei ich im Verlauf, der sich sehr langsam vollzieht und jeweils nur in Nuancen, würzig-holzige Noten deutlicher wahrnehme als ledrige.

Das ist sinnlich, vielleicht auch erotisch – wenn's nicht so süß und vor allem nicht so viel wäre: Das exotische Räucherwerkaroma füllt den Raum ganz und gar. Spätestens nach zwei Stunden habe ich das dringende Bedürfnis nach frischer Luft, dann muss ich raus aus diesem Zimmer (konkret: Dann muss der Duft runter von der Haut).

Ganz leicht erinnert mich "Chambre Noire" an "Nu" von YSL (den ich zufällig grad getestet habe). Hier wie dort tropische Exotik, Süße, Würze, Rauch. Aber "Nu" strahlt weniger offensiv nach außen ab, bleibt näher an der Haut – das macht ihn für mich auf raffiniertere Art sinnlich als "Chambre Noire".

Für mich persönlich ist weder der ältere noch der jüngere Duft tragbar, ich würde mich damit verkleidet fühlen. Aber ich zolle fasziniert Respekt.
0 Antworten
Undine vor 12 Jahren 5
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
2
Duft
Der Hyperlativ oder: Stress im Schlaraffenland
Unsere französischen Nachbarn machen feine Unterschiede. Neben dem "Supermarché" kennen sie den "Hypermarché". Das Wort bezeichnet jene riesigen Konsumentenhöllen, durch die man veritable Einkaufs-Lkws schiebt und in denen man am liebsten Rollschuhe trüge, um seinen Zettel rascher abzuarbeiten.

Im Deutschen ist beim Superlativ Schluss. Obwohl man gelegentlich einen Hyperlativ gebrauchen könnte. "Dolce Acqua" ist so ein Fall – aber der Reihe nach.

Der Umschlag duftete, als ich ihn aus dem Briefkasten fischte. Beim Öffnen wehte mir dann eine kräftige Wolke entgegen. Sehr kräftig. Und unglaublich mandelig-süß (vor meinem geistigen Auge trappelte eine Herde rosa Marzipanschweinchen im Schweinsgalopp vorbei) – ein Vierteltröpfchen "Dolce Acqua" hatte sich selbstständig gemacht. Zum Glück hatte die vorsichtige Absenderin das Behältnis in eine Plastiktüte gehüllt, die war fix entsorgt. Doch die kraftvolle Süße strömte weiter, aus der Versandtasche, aus papierenen Beilagen, von der Außenseite des gläsernen (!) Sprühers. Also auch den Umschlag entsorgen. Und ab mit dem Rest in ein derzeit unbenutztes Zimmer unterm Dach, Fenster auf, Tür zu. Die gnadenlose Süße schlich sich dennoch ins Erdgeschoss. Aber da war sie auszuhalten. Und zwei Tage später verflogen.

Anderswo blieb sie. Aus der Mülltonne wehte sie mich eine gute Woche lang bei jedem Deckelöffnen an, bis zur Leerung. An den Papphüllen anderer Proben, vorm Fenster unterm Dach deponiert, hängt auch jetzt, zwölf Tage später, noch energische Süßwasser-Aura, obwohl die Frühlingssonne draufgeknallt hat.

Auf der Haut – einmal habe ich's riskiert – erwies sich die Sillage als noch überwältigender, trotz dezentester Dosis. Die Haltbarkeit ebenso, Abwaschen war mühsam. Musste aber sein. Denn je länger es dauert, desto schwerer lässt sich dieses Hyperlativ-Süßwasser ertragen. Keinerlei Duftentwicklung. Kein Pfiff, keine listige Beweglichkeit wie beim Süße-Superlativ "Doolciiisssimo" (siehe Kommentar dort). "Dolce Acqua" stand einfach nur vor mir wie ein gewaltiger Monolith aus Konditorenkram – eine Kinderbuch-Erinnerung lebte auf: Schlaraffenland, Leute futtern sich am Eingang durch Süßigkeitenberge, verzückten Blickes. Hier würden sie gequält und furchtsam gucken angesichts des pappig-zähen Mandelsirupzuckerzeugs mit Synthetik-Touch.

Stress im Schlaraffenland. Quietschrosa Marzipanschweinchen, so weit das Auge reicht – oder sind es Marzipanelefanten? Keine Ahnung, ich seh' nichts mehr, ich deliriere, alpträume ;-))… (Hatte ich schon erwähnt, dass ich Marzipan nicht mag?)

Danke, Calliste, für das bemerkenswerte Dufterlebnis. Ich möcht's nicht missen. Aber auch nicht wiederholen ;-).
5 Antworten
Undine vor 12 Jahren 9
5
Flakon
10
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6
Duft
Frau Juno lacht
Süß? Nö, danke. Und ist der Name des Dufts nicht Warnung genug? Aber beim Pröbchen-Auspacken (danke, Ergoproxy!) siegte die Neugierde – so heftig süß kann’s doch kaum sein?

Doch, kann es, holla die Waldfee: So also riecht Süße im Suuuperlativ, mit Getöse und Rattatazong. Woran erinnert mich das bloß? Marzipan? Nein, das ist es nicht. Frankfurter Kranz, das kalorienbombige Original mit purer Buttercreme und sehr zuckrigem Mandelkaramel? Ist näher dran, aber noch nicht nah genug.

Ah, ich hab’s: Cantuccini! Die knallsüßen italienischen Mandelgebäckschnitten, steinhart, genießbar erst nach dem Eintunken in süffigen Vin Santo oder in Espresso. Der Duft ist freilich noch (!) süßer. Und sowieso keine Kekskopie. Aber ähnlich wie bei den Cantuccini kriegt man hier mandelig-aromatisches Zuckerzeug der gut getrockneten Art geboten, nichts pappt oder klebt.

Das hat was. Interessant. Bei genauerem Hinriechen sogar elegant. Dazu lugt ein Schalk um die Ecke, pfiffig kichernd… Kopfkino: eine Rubensfrau, die fröhlich ihre junonischen Formen durch die Welt trägt und stets für einen Spaß zu haben ist. (Nach den Fotos im Net ist die Parfümeurin Hilde Soliani tatsächlich eine Juno, und sie scheint gern herzlich zu lachen.) Ironie ist bei dem superlativisch süßen Wässerchen ganz gewiss dabei – und lässige Könnerschaft auch.

Bis auf leichtes Herunterdimmen entwickelt sich der Duft kaum. Er hält gut, aber duschfest ist er (zum Glück) nicht. Nach der Dusche war dann ein Espresso fällig. Klassisch, "heiß wie die Hölle, schwarz wie der Teufel, rein wie ein Engel..." – nur ausnahmsweise ohne Zucker ;-).

Für mich kein tragbares Parfum. Aber wer es süß mag, sollte mal testen – wer möchte als nächste/r?
9 Antworten
Undine vor 12 Jahren 2
10
Flakon
4
Duft
Eine saubere Sache
Erster Eindruck: Seife pur. Aber das kann's doch nicht gewesen sein bei einem Duft, der zu den Klassikern gezählt wird? Zweiter, dritter, vierter, fünfter Test, morgens, mittags, abends – das Ergebnis bleibt stets gleich: Ich rieche ausschließlich Seife, vom Start (weiße Kernseife satt) bis zum Drydown (Waschpulverbeigabe).

Sauber, diese Zukunft – aber sonst nichts. Der Duft setzt bei mir kein Kopfkino in Gang, keine Vision, keine Emotion. Grün? Solche Noten errieche ich hier nicht. Der Duft steht einfach nur frisch gewaschen vor mir.

Es wird nichts mit "Futur" und mir. Weder in der Zukunft noch in der Gegenwart.
2 Antworten
11 - 15 von 30