12.08.2010 - 11:35 Uhr
Profumo
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Profumo
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Kein Duft für Doris Day; aber einer für Mia Farrow!
Dieser Duft hatte ein eigenwilliges Leben: entstanden, bzw. lanciert 1967 und schon sieben Jahre später, 1974 wieder eingestellt. Warum der Duft eine so kurze Lebenspanne hatte, entzieht sich meiner Kenntnis, aber es war eben auch die Zeit, in der das Haus Piguet sich endgültig in Auflösung befand – allein das Geschäft mit den Düften überlebte den Tod Robert Piguets um einige Jahre, mehr schlecht als recht allerdings.
Wie auch immer, 1974 wurde Futur vom Markt genommen und blieb seither verschwunden. Einige Flaschen aber zirkulierten noch Jahre durch die Hände vieler Parfumbegeisterter und nährten die Fama vom großartigsten aller grünen Düfte. Nachdem vor einigen Jahren dann Parfums Piguet wiederbelebt wurde und die alten Klassiker, allen voran Bandit und Fracas, erneut die ihnen gemäßen vorderen Plätze in der Phalanx der Meisterwerke ihrer Zunft einnahmen, war es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch Futur, nach Visa und Baghari erneut lanciert werden würde (Calypso soll noch folgen und das leider verunglückte Cravache harrt seiner Umarbeitung hinsichtlich einer Annäherung an das Original).
Das Team, das Futur wieder zum Leben erwecken sollte, bestand aus dem Parfumeur Aurelien Guichard, dem Präsidenten von Robert Piguet Parfums Joe Garces, dem Duftkritiker Luca Turin und einer Flasche des originalen Futur aus den 70er Jahren, die wundersamer Weise an einem kuriosen Ort in Mexiko die Zeit unbeschadet überstanden hat. Gemeinsam machten sie sich ans Werk und schufen das neue Futur. Mächtig stolz waren sie, als sie es im Frühjahr 2009 im Londoner Harrods präsentieren konnten – und stolz sein durften sie wirklich. Das neue Futur enttäuscht nämlich in keiner Hinsicht und füllt endlich die alte Legende mit für jedem nachvollziehbarem Inhalt. Dabei behaupten die Beteiligten, dass der neue Duft dem alten verblüffend nahe käme, dass er sozusagen der perfekte Wiedergänger sei, geschaffen mit den Möglichkeiten (und Beschränkungen) die sich heutzutage einem Parfumeur bieten und zugleich gewappnet gegen zukünftige Anfechtungen seitens der IFRA.
Nun ist es also wieder da und steht selbstbewusst in den Regalen, neben den großen Geschwistern Bandit, Fracas, Visa und Baghari – was für eine großartige Reihe!
Und absolut zu Recht steht Futur neben diesen Großen: kaum aufgesprüht entfaltet sich ein frisches, leicht seifiges Aroma von seidig-feinen grünen Noten, erhellt von etwas Bergamotte und Neroli. Diesem hellen Auftakt folgen dezente Blütenakkorde von Veilchen, indolischem Jasmin und scharfkantigem Ylang Ylang, auf einer Basis von leicht bitterem Galbanum, moosigen Noten (kein Eichen- oder Baummoos!), ledrigem Isobutyl Quinoline (ein Gruß an Bandit), etwas rauchigem Vetiver, pudrigem Coumarin, sowie poliertem Zedernholz und cremigem, leisem Patchouli. Alles ist derart gut miteinander verwebt und verblendet, dass die Isolierung der einzelnen Noten sehr schwer fällt und man sich auf die Angaben des Parfumeurs und des Herstellers stützen muss, da die eigene Nase sich als wenig zuverlässig erweist. Dennoch, die genannten Noten meine ich erkennen zu können – sicher sind es noch viele mehr. Jedenfalls machen sie für mich den Charakter dieses Duftes aus, einen wirklich einzigartigen Charakter. Denn obwohl es viele grüne Chypres gibt – Futur ist von einer derart eigenwilligen Textur, dass der Duft einfach heraus sticht aus der Menge seiner Artgenossen, so als habe man für ihn eine völlig neue Textur, einen gänzlich neuartigen Stoff geschaffen – wie so viele neue Stoffen entwickelt wurden in den Raumfahrt-seligen Zeiten seiner Entstehung. Und wirklich: man könnte den Eindruck gewinnen Futur sei nicht in einem der ehrwürdigen Institute in Grasse oder Paris komponiert worden, sondern vielmehr in einem Labor auf dem Raumschiff ‚Discovery’ aus Kubricks ‚2001: Odysse im Weltraum’, auf dem Weg zum Jupiter – immer vorausgesetzt, das neue Futur ist wirklich dem alten so nahe stehend.
Jedenfalls entstand ein grüner Chypre-Duft mit ledrig-animalischen Untertönen in der Tradition des Galbanum-strotzenden Vent Verts und des legendären Miss Dior, mit Reminiszenzen an das, schon erwähnte, hauseigene Bandit von Germaine Cellier. Auch Cabochard und Ma Griffe schwingen da mit, bereiten sozusagen den Boden auf dem Futur entstehen konnte. Doch im Gegensatz zu den vorgenannten, die allesamt entweder das natürliche, das salonhafte, das mondäne oder erotisch-abgründige Moment kreieren wollten, bleibt Futur durchweg abstrakt: seine Blüten-Nuancen scheinen auf Anhieb keine natürliche Entsprechung zu haben, ebenso das feine buttrig-animalische Gewebe, dass sämtlich Phasen dieses Duftes durchzieht: kein Tier fiele mir ein von dem es stammen könnte.
Solcherart ist Futur in gewisser Weise mit dem vollkommen verschiedenen, zu einer ganz anderen olfaktorischen Familie zählenden Jicky von Guerlain verwandt, denn wie dieser über achtzig Jahre zuvor entstanden Duft scheint sich Futur einer Dechiffrierung entziehen zu wollen. Und wie Jicky durch seine radikale Abstraktheit alles vor ihm Dagewesene bieder und altmodisch aussehen ließ, so erhebt sich Futur in seiner Modernität in ähnlicher Weise über sein allzu betulich-braves, und wie manche auch sagen: miefiges Umfeld - das der 50er und frühen 60er Jahren. Stellte ich mir eine ideale Trägerin für diesen Duft vor, so käme mir eher das schlaksig-dünne Model Twiggy, oder die junge Mia Farrow (die auch für den Duft warb!) in den Sinn, als Crace Kelly oder gar Doris Day. Denn mit Pepitakleid und ondulierter Stahlhelmfrisur ist dieser Duft nun wirklich nicht kompatibel, ebenso wenig allerdings mit dem Erscheinungsbild eines Teils der heutigen Damenwelt: exakt gescheiteltes, glattes langes Haar, adrettes Blüschen und das Handtäschchen à la Queen Mom herumgetragen. Nein, Futur ist der Duft einer modernen, eher androgynen Frau mit burschikosem Kurzhaarschnitt und unkonventioneller Weltsicht – eben der Duft Mia Farrows, bzw. ihrer modernen Wiedergängerinnen, derer es hoffentlich bald mehr geben wird, damit Futur ganz viele ideale Trägerinnen finden und nicht erneut in sieben Jahren das Zeitliche segnen wird.
Den Männer, auch jenen, die im - neudeutsch gesagt: ‚gender bending’ – geübt sind, also hin und wieder androgyne Damendüfte erfolgreich zu tragen wissen, rate ich von diesem Duft eher ab. Anders als Bandit, hat Futur, obwohl der Duft überhaupt nicht süß oder allzu blümelig ist, keine wirklich erkennbare maskuline Substanz – ihm fehlt einfach das männliche Chromosom.
Dennoch liebe ich – als Mann – diesen Duft, ich trage ihn nur nicht. Hin und wieder aber sprühe ich ihn auf und genieße das großartige Aroma - ganz privat und ganz allein.
Übrigens hat der Duft perfekte Projektion: er ist vernehmbar aber nicht laut, und hält zudem recht lange. Vor allzu üppiger Dosierung sei jedoch gewarnt – der Duft ist zu gut und in seinem Charakter zu freundlich und zurück haltend. Er verträgt keinen offensiven Auftritt, und braucht ihn auch nicht.
Wie auch immer, 1974 wurde Futur vom Markt genommen und blieb seither verschwunden. Einige Flaschen aber zirkulierten noch Jahre durch die Hände vieler Parfumbegeisterter und nährten die Fama vom großartigsten aller grünen Düfte. Nachdem vor einigen Jahren dann Parfums Piguet wiederbelebt wurde und die alten Klassiker, allen voran Bandit und Fracas, erneut die ihnen gemäßen vorderen Plätze in der Phalanx der Meisterwerke ihrer Zunft einnahmen, war es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch Futur, nach Visa und Baghari erneut lanciert werden würde (Calypso soll noch folgen und das leider verunglückte Cravache harrt seiner Umarbeitung hinsichtlich einer Annäherung an das Original).
Das Team, das Futur wieder zum Leben erwecken sollte, bestand aus dem Parfumeur Aurelien Guichard, dem Präsidenten von Robert Piguet Parfums Joe Garces, dem Duftkritiker Luca Turin und einer Flasche des originalen Futur aus den 70er Jahren, die wundersamer Weise an einem kuriosen Ort in Mexiko die Zeit unbeschadet überstanden hat. Gemeinsam machten sie sich ans Werk und schufen das neue Futur. Mächtig stolz waren sie, als sie es im Frühjahr 2009 im Londoner Harrods präsentieren konnten – und stolz sein durften sie wirklich. Das neue Futur enttäuscht nämlich in keiner Hinsicht und füllt endlich die alte Legende mit für jedem nachvollziehbarem Inhalt. Dabei behaupten die Beteiligten, dass der neue Duft dem alten verblüffend nahe käme, dass er sozusagen der perfekte Wiedergänger sei, geschaffen mit den Möglichkeiten (und Beschränkungen) die sich heutzutage einem Parfumeur bieten und zugleich gewappnet gegen zukünftige Anfechtungen seitens der IFRA.
Nun ist es also wieder da und steht selbstbewusst in den Regalen, neben den großen Geschwistern Bandit, Fracas, Visa und Baghari – was für eine großartige Reihe!
Und absolut zu Recht steht Futur neben diesen Großen: kaum aufgesprüht entfaltet sich ein frisches, leicht seifiges Aroma von seidig-feinen grünen Noten, erhellt von etwas Bergamotte und Neroli. Diesem hellen Auftakt folgen dezente Blütenakkorde von Veilchen, indolischem Jasmin und scharfkantigem Ylang Ylang, auf einer Basis von leicht bitterem Galbanum, moosigen Noten (kein Eichen- oder Baummoos!), ledrigem Isobutyl Quinoline (ein Gruß an Bandit), etwas rauchigem Vetiver, pudrigem Coumarin, sowie poliertem Zedernholz und cremigem, leisem Patchouli. Alles ist derart gut miteinander verwebt und verblendet, dass die Isolierung der einzelnen Noten sehr schwer fällt und man sich auf die Angaben des Parfumeurs und des Herstellers stützen muss, da die eigene Nase sich als wenig zuverlässig erweist. Dennoch, die genannten Noten meine ich erkennen zu können – sicher sind es noch viele mehr. Jedenfalls machen sie für mich den Charakter dieses Duftes aus, einen wirklich einzigartigen Charakter. Denn obwohl es viele grüne Chypres gibt – Futur ist von einer derart eigenwilligen Textur, dass der Duft einfach heraus sticht aus der Menge seiner Artgenossen, so als habe man für ihn eine völlig neue Textur, einen gänzlich neuartigen Stoff geschaffen – wie so viele neue Stoffen entwickelt wurden in den Raumfahrt-seligen Zeiten seiner Entstehung. Und wirklich: man könnte den Eindruck gewinnen Futur sei nicht in einem der ehrwürdigen Institute in Grasse oder Paris komponiert worden, sondern vielmehr in einem Labor auf dem Raumschiff ‚Discovery’ aus Kubricks ‚2001: Odysse im Weltraum’, auf dem Weg zum Jupiter – immer vorausgesetzt, das neue Futur ist wirklich dem alten so nahe stehend.
Jedenfalls entstand ein grüner Chypre-Duft mit ledrig-animalischen Untertönen in der Tradition des Galbanum-strotzenden Vent Verts und des legendären Miss Dior, mit Reminiszenzen an das, schon erwähnte, hauseigene Bandit von Germaine Cellier. Auch Cabochard und Ma Griffe schwingen da mit, bereiten sozusagen den Boden auf dem Futur entstehen konnte. Doch im Gegensatz zu den vorgenannten, die allesamt entweder das natürliche, das salonhafte, das mondäne oder erotisch-abgründige Moment kreieren wollten, bleibt Futur durchweg abstrakt: seine Blüten-Nuancen scheinen auf Anhieb keine natürliche Entsprechung zu haben, ebenso das feine buttrig-animalische Gewebe, dass sämtlich Phasen dieses Duftes durchzieht: kein Tier fiele mir ein von dem es stammen könnte.
Solcherart ist Futur in gewisser Weise mit dem vollkommen verschiedenen, zu einer ganz anderen olfaktorischen Familie zählenden Jicky von Guerlain verwandt, denn wie dieser über achtzig Jahre zuvor entstanden Duft scheint sich Futur einer Dechiffrierung entziehen zu wollen. Und wie Jicky durch seine radikale Abstraktheit alles vor ihm Dagewesene bieder und altmodisch aussehen ließ, so erhebt sich Futur in seiner Modernität in ähnlicher Weise über sein allzu betulich-braves, und wie manche auch sagen: miefiges Umfeld - das der 50er und frühen 60er Jahren. Stellte ich mir eine ideale Trägerin für diesen Duft vor, so käme mir eher das schlaksig-dünne Model Twiggy, oder die junge Mia Farrow (die auch für den Duft warb!) in den Sinn, als Crace Kelly oder gar Doris Day. Denn mit Pepitakleid und ondulierter Stahlhelmfrisur ist dieser Duft nun wirklich nicht kompatibel, ebenso wenig allerdings mit dem Erscheinungsbild eines Teils der heutigen Damenwelt: exakt gescheiteltes, glattes langes Haar, adrettes Blüschen und das Handtäschchen à la Queen Mom herumgetragen. Nein, Futur ist der Duft einer modernen, eher androgynen Frau mit burschikosem Kurzhaarschnitt und unkonventioneller Weltsicht – eben der Duft Mia Farrows, bzw. ihrer modernen Wiedergängerinnen, derer es hoffentlich bald mehr geben wird, damit Futur ganz viele ideale Trägerinnen finden und nicht erneut in sieben Jahren das Zeitliche segnen wird.
Den Männer, auch jenen, die im - neudeutsch gesagt: ‚gender bending’ – geübt sind, also hin und wieder androgyne Damendüfte erfolgreich zu tragen wissen, rate ich von diesem Duft eher ab. Anders als Bandit, hat Futur, obwohl der Duft überhaupt nicht süß oder allzu blümelig ist, keine wirklich erkennbare maskuline Substanz – ihm fehlt einfach das männliche Chromosom.
Dennoch liebe ich – als Mann – diesen Duft, ich trage ihn nur nicht. Hin und wieder aber sprühe ich ihn auf und genieße das großartige Aroma - ganz privat und ganz allein.
Übrigens hat der Duft perfekte Projektion: er ist vernehmbar aber nicht laut, und hält zudem recht lange. Vor allzu üppiger Dosierung sei jedoch gewarnt – der Duft ist zu gut und in seinem Charakter zu freundlich und zurück haltend. Er verträgt keinen offensiven Auftritt, und braucht ihn auch nicht.
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