Die Dame war nett, sie war kompetent und bewies Mut und Geschmack bei ihren Empfehlungen.
Doch der Reihe nach: es passiert selten, dass ich mich noch beraten lasse. Nicht, weil ich etwa beratungsresistent wäre, sondern weil ich glaube über ein wenig Ahnung zu verfügen und zudem – in aller Regel – ziemlich genau weiß was ich will.
Diesmal war der Vorsatz aber: ich geh mir mal die neuen Piguets anschauen („Oud“ habe ich schon, aber die anderen waren mir noch unbekannt).
Gesagt, getan, hatte ich alle möglichen frisch bedufteten Tüchlein vor mir und befand mich in einem kurzweiligen und anregenden Gespräch mit besagter Dame vis à vis des Glastisches.
„Bois Noir“ hatte es ihr besonders angetan, was aber auch daran gelegen haben mag, dass ich als erstes nach ihm fragte. „Casbah“ kommentierte sie mit den Worten, da ginge es direkt in die Kirche (mit Verweis auf „Messe de Minuit“, den ich ja vielleicht kennen würde) und „Notes“ beschrieb sie als wunderbaren, floralen Duft.
Was mich dann aber doch wunderte, im Grunde aber eher erfreute, war, dass sie augenblicklich nach „Futur“ griff, ein Tüchlein beduftete, kurz selbst daran schnupperte, und es mir mit einem Strahlen hinhielt – ich tat, als sei mir der Duft unbekannt, da ich einfach hören wollte wie sie ihn anpries – begleitet von Vokabeln wie „ah, sehr schön!“, „Vetiver!“, „Eichenmoos!“. Kaum hatte ich ihren Enthusiasmus bestätigt, drehte sie sich um und hatte schon fast „Fracas“ in der Hand, als ich sie dann doch bremsen musste: den kenne ich schon, sagte ich: ein großartiger Duft, aber leider nichts für mich – als Mann. Den würde sie aber häufig an Männer verkaufen, bemerkte sie, da wären manche ganz wild drauf (ein weiteres Indiz dafür, dass die Zeit für einen maskulinen Tuberosen-Duft überreif ist!). Auch „Bandit“ handelten wir kurz ab, aber dass ich diesen schon längst besaß, tat sie beinahe als Selbstverständlichkeit ab.
Kein Wort von „Cravache“ – ich vermute, dass auch sie ihn zum Gähnen langweilig findet, hätte sie mir sonst „Futur“ und „Fracas“ empfohlen? Wohl kaum.
Zurück zur „Nouvelle Collection“ entschied ich mich nach einigem auf-den-Arm-Gesprühe, schließlich für „Casbah“, da er mir nicht nur gut gefiel, sondern zudem spannender erschien, kontrastreicher und tiefgründiger als das eindimensionalere, flachere „Bois Noir“ - so meine Worte, die sie aber scheinbar nur ungern auf sich beruhen ließ, den schwupps hatte ich ein Pröbchen des Duftes neben meinem „Casbah“ liegen, begleitet von der Bemerkung: ich könne ihn ja noch einmal in Ruhe probieren.
Aber sehr gerne doch!
„Casbah“ habe ich mittlerweile zweimal getragen: einmal zur Arbeit und gestern Abend in der Oper. Meine Kolleginnen zeigten sich begeistert und schnupperten an mir herum, während ein Kunde fragte, ob bei uns ein Joint geraucht würde.
In der Oper wiederum war meine ebenfalls Parfum-verrückte Theaterpartnerin derart angetan, dass sie umgehend eine Abfüllung anmahnte.
Nun also: der Duft kommt an, sehr gut sogar, aber die Assoziationen gehen doch auch in eine prekäre Richtung, denn ich möchte schlichtweg nicht riechen als hätte ich gerade einen Joint geraucht. Meine Freundin bestätigte mir abends in der Oper, dass man durchaus diesen Verdacht hegen könnte, da der Duft überaus würzig und rauchig riechen würde, aber das wäre ihr sowas von schnurz-piep-egal, da er einfach großartig sei.
Na gut: er riecht großartig – finde ich auch! Und ja, es geht direkt in die Kirche (auch mein Freund sagte morgens, ich würde nach Sakristei riechen und meinte dies durchaus positiv). Aber „Casbah“ ist nicht nur Weihrauch, auch wenn unzweifelhaft jede Menge darin vorhanden ist und dieser über weiten Strecken auch tatsächlich dominiert. Unter diesen Weihrauch-Schwaden aber blühen so allerhand herbe und würzige Akkorde auf, die raus aus der Kirche, mitten hinein in einen orientalischen Gewürzbasar führen. Trocken-aromatische Angelika kommt hier ebenso zum Vorschein (bekannt aus „French Lover“ oder „Angelique sous la Pluie“), wie auch getrocknete Tabakblätter, die mit etwas Iris akzentuiert einen wunderbaren Akkord ergeben. Leichte Trockenfrucht-Nuancen durchziehen wie feine Schleier das herbe Geschehen, ohne dem Duft eine schwere Grundsüße à la „Arabie“ von Serge Lutens zu verleihen. Überhaupt ist der Duft ziemlich weit von der überbordenden Üppigkeit so mancher orientalischer Düfte entfernt: kein süß-harziger Amber in Sicht, aber auch keine obligatorische Vanille und ebenso wenig schwere Honig-Noten.
Aber der Duft soll ja auch das olfaktorische Abbild einer Kasbah sein, die mitunter – zumindest nach außen hin – ziemlich schnörkellos und Trutzburg-artig daherkommt, und nicht das eines prächtigen Sultanspalastes.
Und obwohl ich noch nie in Marokko war (eine Bekannte von mir betreibt eine kleine Mini-Kasbah in einer Oase als Auberge – ich kenne sie allerdings nur von Fotos), erscheint mir Aurélien Guichards „Casbah“als duftendes Abbild dieser landestypischen Wehr-Bauten - manchmal nennen sich auch ganze Altstadt-Viertel so - durchaus plausibel.
Interessanterweise erinnert mich „Casbah“ hin und wieder auch an Chanels „Sycomore“ – auch ein Duft, der die Assoziation „Joint“ durchaus aufkommen lässt, zumindest bei mir. „Sycomore“ aber ist grüner, Vetiver-lastiger. „Casbah“ hingegen viel würziger und vor allem (Weih-)rauchiger.
Haltbarkeit und Sillage sind übrigens enorm: selbst Stunden später, wenn ich häufig schon vergessen habe welchen Duft ich eigentlich trage, werde ich auf ihn angesprochen. Vorsicht also beim Dosieren! Doch nicht nur, weil der Duft potent und ziemlich raumgreifend, sondern auch weil er ein wenig speziell und ungewöhnlich ist (was im Übrigen noch vielmehr für Piguets „Oud“ gilt). Für ungeübte Nasen – und unsere Mitmenschen haben in der Regel recht untrainierte, häufig auch unflexible Riechorgane – könnte er möglicherweise einen Affront darstellen, dem man zumeist entgehen kann, wenn man der Maxime „weniger ist mehr“ folgt.
Ein anregendes Gespräch mit einer engagierten, über olfakrorische Geschlechtergrenzen mutig hinweg schreitenden Mitarbeiterin einer stadtbekannten Parfümerie und anschließend einen überaus guten Duft in der Tasche, nebst einer Probe als kleinen Wink ihres Beharrungsvermögens – so soll es sein!
So macht der Kauf eines Duftes Spaß.