25.01.2015 - 14:35 Uhr
Meggi
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37
Neuanfang
Vorsichtig griff er vom schmalen Hinterhof aus durch das zerbrochene Fenster und löste den Riegel auf der Innenseite der Tür. Sie quietschte nur leise, als er sie langsam öffnete. Die Holzbohlen des Fußbodens knarzten beim Durchqueren des winzigen Kabuffs, das als Lager gedient hatte. Als er den kleinen, vom Mondlicht schwach erleuchteten Barraum erreichte, sah er, dass eine der Kerzen halb heruntergebrannt noch im Halter steckte. Weniger aus Notwendigkeit denn aus Nostalgie entzündete er sie. Nach dem Lichtschalter brauchte er jedenfalls nicht zu greifen. Der Strom war rasch abgestellt worden, als er seine Rechnungen nicht mehr hatte bezahlen können. Nun stand das Lokal seit fast einem Jahr leer. Kein Wunder, wer außer ihm hätte in dieser lärmigen Zeit kollektiven Social-Media-Brechdurchfalls eine Seitenstraßen-Kaschemme ganz im Stil des film noir aus den 40er-Jahren betreiben mögen. Ein Laden für Leute, die gerne allein waren, aber dazu Gesellschaft benötigten.
Er verwarf den Gedanken, nach einer womöglich verbliebenen Flasche zu schauen, sondern setzte sich einfach an den Tisch in der Ecke gleich neben dem Tresen. Dort hatte er damals stundenlang gesessen, wenn - wie so oft - nichts los gewesen war. Er hatte die Warnung stets beherzigt, dass ein Wirt am Ende sei, wenn er selbst sein bester Gast würde. Trotzdem hatte er sich in diesen Stunden immer ein bisschen wie Humphrey Bogart als Rick Blaine gefühlt, wie der in „Casablanca“ einsam dasaß und sich volllaufen ließ. Wenn er diese Szene vor Augen hatte, hatte er jedes Mal gedacht, wie gut „Duro“ ebenso zu Bogey gepasst hätte. Der Duft eines Mannes, der die sanfte Seite seines Wesens entschlossen vor der Welt verbarg. Sie mühsam allenfalls für sich allein zuließ, genau wie sie sich bei Duro erst beim Riechen am eigenen Handgelenk wirklich eröffnete.
Heute hatte er ihn nicht aufgelegt. Ohnehin hatte er ihn in letzter Zeit nur sehr selten benutzt. Denn gleichermaßen selten waren die Stimmungen geworden, zu denen er am besten passte. Er trug inzwischen meistens Bois Noir von Robert Piguet. Ein Geschenk von seiner Schwester, augenzwinkernd überreicht vor einigen Wochen. „Zeit, die Schale zu knacken“, hatte auf einer kleinen Karte gestanden.
Dunkel war der Duft, sicherlich, darin Duro ähnlich. Und auch mit einer weichen Seite. Allerdings verhüllte er sie nicht, sondern war - im Gegenteil - stolz darauf. War der Auftakt bei beiden noch kräftig-tiefschwarz, verlieh das Patchouli dem Holz finster-elegante Tiefe, wurde das Abgründige in Bois Noir doch bereits nach kurzer Zeit gemildert, umspielt, gespiegelt von einer warmen Würze aus Muskat und Sandelholz, die im Verlauf eine beinahe ölige Präsenz entwickelte, welche gleichwohl schmeichelnd und anheimelnd war.
Während er seine linke Hand zum wiederholten Male an die Nase hob, fuhren die Finger der rechten wie früher am Mäander-Muster auf der Seite des Tisches entlang. „Die Schale knacken.“ Das hieß ebenfalls, sein einigermaßen unstetes Leben aufgeben. Nicht das Leben eines Hallodri, gewiss nicht. Gearbeitet hatte er, hart sogar. Aber ziellos. Schließlich hatte er diese Bar eröffnet. Für das schlichte Mobiliar hatten seine Ersparnisse im Großen und Ganzen ausgereicht. Er selbst war vermutlich die wichtigste Zutat gewesen, wie er wortkarg hinter dem schmalen Tresen stand und ausschenkte. Der Vermieter hatte die Möbel behalten und schuldig gebliebene Miete ziemlich anständig dagegen aufgerechnet; vielleicht auch aus Hoffnung, einen Nach-Betreiber zu finden. Aussichtslos, doch wenigstens hatte ihm das einen Berg an Schulden erspart.
Seine Schwester hatte ihn überzeugt, von vorn anzufangen und in seinem Alter tatsächlich noch eine Ausbildung zu beginnen. Sich wie ein Schulabgänger zu bewerben, hatte ihm einiges abverlangt. Er atmete tief ein, erhob sich, löschte die Kerze, nahm erneut den Weg durch das Hinterzimmer und schloss die Tür zum Hof hinter sich. Dann drehte er sich um und ging davon. Er blickte nicht zurück.
Er verwarf den Gedanken, nach einer womöglich verbliebenen Flasche zu schauen, sondern setzte sich einfach an den Tisch in der Ecke gleich neben dem Tresen. Dort hatte er damals stundenlang gesessen, wenn - wie so oft - nichts los gewesen war. Er hatte die Warnung stets beherzigt, dass ein Wirt am Ende sei, wenn er selbst sein bester Gast würde. Trotzdem hatte er sich in diesen Stunden immer ein bisschen wie Humphrey Bogart als Rick Blaine gefühlt, wie der in „Casablanca“ einsam dasaß und sich volllaufen ließ. Wenn er diese Szene vor Augen hatte, hatte er jedes Mal gedacht, wie gut „Duro“ ebenso zu Bogey gepasst hätte. Der Duft eines Mannes, der die sanfte Seite seines Wesens entschlossen vor der Welt verbarg. Sie mühsam allenfalls für sich allein zuließ, genau wie sie sich bei Duro erst beim Riechen am eigenen Handgelenk wirklich eröffnete.
Heute hatte er ihn nicht aufgelegt. Ohnehin hatte er ihn in letzter Zeit nur sehr selten benutzt. Denn gleichermaßen selten waren die Stimmungen geworden, zu denen er am besten passte. Er trug inzwischen meistens Bois Noir von Robert Piguet. Ein Geschenk von seiner Schwester, augenzwinkernd überreicht vor einigen Wochen. „Zeit, die Schale zu knacken“, hatte auf einer kleinen Karte gestanden.
Dunkel war der Duft, sicherlich, darin Duro ähnlich. Und auch mit einer weichen Seite. Allerdings verhüllte er sie nicht, sondern war - im Gegenteil - stolz darauf. War der Auftakt bei beiden noch kräftig-tiefschwarz, verlieh das Patchouli dem Holz finster-elegante Tiefe, wurde das Abgründige in Bois Noir doch bereits nach kurzer Zeit gemildert, umspielt, gespiegelt von einer warmen Würze aus Muskat und Sandelholz, die im Verlauf eine beinahe ölige Präsenz entwickelte, welche gleichwohl schmeichelnd und anheimelnd war.
Während er seine linke Hand zum wiederholten Male an die Nase hob, fuhren die Finger der rechten wie früher am Mäander-Muster auf der Seite des Tisches entlang. „Die Schale knacken.“ Das hieß ebenfalls, sein einigermaßen unstetes Leben aufgeben. Nicht das Leben eines Hallodri, gewiss nicht. Gearbeitet hatte er, hart sogar. Aber ziellos. Schließlich hatte er diese Bar eröffnet. Für das schlichte Mobiliar hatten seine Ersparnisse im Großen und Ganzen ausgereicht. Er selbst war vermutlich die wichtigste Zutat gewesen, wie er wortkarg hinter dem schmalen Tresen stand und ausschenkte. Der Vermieter hatte die Möbel behalten und schuldig gebliebene Miete ziemlich anständig dagegen aufgerechnet; vielleicht auch aus Hoffnung, einen Nach-Betreiber zu finden. Aussichtslos, doch wenigstens hatte ihm das einen Berg an Schulden erspart.
Seine Schwester hatte ihn überzeugt, von vorn anzufangen und in seinem Alter tatsächlich noch eine Ausbildung zu beginnen. Sich wie ein Schulabgänger zu bewerben, hatte ihm einiges abverlangt. Er atmete tief ein, erhob sich, löschte die Kerze, nahm erneut den Weg durch das Hinterzimmer und schloss die Tür zum Hof hinter sich. Dann drehte er sich um und ging davon. Er blickte nicht zurück.
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