Veränderungen
Liebes Tagebuch,
Als ich an einem warmen Sommermorgen im Juli meine Augen öffne, scheinen die ersten Sonnenstrahlen durch die Gardinen. Es war einer dieser warmen Julitage, an denen man noch vor dem Aufstehen spürt, dass dieser Tag etwas Gutes bereithält. Der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee steigt mir in die Nase. Auf dem Tisch im Wohnzimmer ein kleiner Präsentkorb mit einer Notiz: „Herzlichen Glückwunsch zum 30. Geburtstag!“ Dabei steht eine Uhrzeit und ein Treffpunkt: eine spanische Tapas-Bar. Im Präsentkorb: Anti-Falten-Creme und Vitamine. Ich muss breit grinsen und blende für einen kurzen Moment alles aus. Ich spüre Dankbarkeit. Ich trinke genüsslich meinen Cappuccino und blicke in das strahlende Blau des Himmels. In meinen Gedanken die große Zahl: 30. Was damals so weit weg war, ist nun wie im Flug vergangen.

Veränderungen
Manche lieben sie, andere hassen sie. Der Begriff der Veränderung erzeugt in mir ambivalente Gefühle. Auf der einen Seite sind da die gewollten Veränderungen, auf die ich mich vorbereiten und planen kann: Neugierde, Vorfreude, auch Nervosität, „auf zu neuen Ufern“, Selbstbewusstsein. Auf der anderen Seite jedoch die ungewollten Veränderungen: Angst, Chaos, Selbstzweifel, „kann ich das wirklich schaffen?“-Gefühl, Verluste. Es gibt jedoch eine zentrale Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Formen der Veränderung: Am Ende steht Wachstum. Veränderungen machen resilient. Keine Veränderungen zu vollziehen, bedeutet Stillstand. Mich werden vermutlich im neuen Lebensabschnitt viele Veränderungen beschäftigen. Veränderungen, die für mein Leben richtungsweisend sein werden. Ich musste schon oft mit Veränderungen in meinem Leben klarkommen. Diese Veränderungen haben mich geprägt und meine Denkweise geformt. Ich finde es wichtig, Veränderungen gegenüber offen zu sein. Dennoch zähle ich mich zu den Menschen, denen Veränderungen extrem schwerfallen. Ich mag Beständigkeit, und um ehrlich zu sein, macht es mir auch oft Angst, mich mit dem Thema Veränderungen auseinanderzusetzen, da es den Spiegel vorhält und Dinge an die Oberfläche bringt, die manchmal sehr schmerzhaft sind. Aktuell befinde ich mich in einer Lebensphase, die mir viel Zeit und Raum für Reflexion gibt. Eine sehr wertvolle Phase, wie ich finde, denn wie oft bietet der Alltag wirklich die Möglichkeit zum Innehalten und Reflektieren?

Perfektion
Im Rahmen dieser Phase des Innehaltens habe ich mich intensiv mit dem Hang zum Perfektionismus auseinandergesetzt. Neulich bin ich auf ein inspirierendes japanisches Konzept mit dem einprägsamen Begriff „Wabi-Sabi“ aufmerksam geworden. Wabi-Sabi ist eine japanische Ästhetik, die die Schönheit in Unvollkommenheit, Vergänglichkeit und Einfachheit sieht. Sie basiert auf drei zentralen Konzepten:
Vergänglichkeit: Alles ist vergänglich, wächst, altert und vergeht. Wabi-Sabi lädt dazu ein, den natürlichen Zyklus des Lebens zu akzeptieren und darin Schönheit zu erkennen.
Unvollkommenheit: Schönheit liegt nicht in Perfektion, sondern in Authentizität. Dinge, die Makel oder Gebrauchsspuren zeigen, werden geschätzt, da sie Geschichten erzählen.
Einfachheit: Minimalismus und natürliche Materialien stehen im Fokus. Wabi-Sabi feiert schlichte, unprätentiöse Schönheit und den Charme des Unaufdringlichen.
Wabi-Sabi ist dabei nicht nur ein ästhetisches Prinzip, sondern auch eine Lebenseinstellung: Es ermutigt, Gelassenheit zu entwickeln und das Unperfekte im Leben zu schätzen.
Ich neige leider aufgrund meines analytischen Wesens zum Perfektionismus. Ich habe mir fest vorgenommen, meine Lebenseinstellung dahingehend zu verändern. Die Grundprinzipien des Wabi-Sabi geben mir dafür einen Anhaltspunkt: Akzeptanz des Unperfekten.

„Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“
Der ein oder andere mag sich nun fragen, was das ganze philosophische Geschwafel denn nun mit dem Thema Düfte zu tun hat. Zugegeben: Die Brücke, die ich gebaut habe, ist lang. Sehr lang. „Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“ Diese Worte, liebes Tagebuch, könnte ich genauso an mein Hobby richten. Ich merke zunehmend, wie ich das Interesse verliere. Wie das Feuer erlischt. Wie ich – Stichwort Beständigkeit – zu den immergleichen drei oder vier Düften greife. Diese einigen wenigen Düfte sind Begleiter in meinem Alltag geworden. Sie sind sicherlich nicht perfekt, aber sie bereiten mir immer wieder Freude. Ich habe lange mit dem Anspruch gesucht, den „perfekten“ Duft zu finden. Ich wollte meine Sammlung möglichst klein und ausgewählt halten. Auch wenn ich diesem Anspruch weiterhin folge, habe ich für mich erkannt, dass es keinen perfekten Duft gibt. Vielleicht sollte ich wieder lernen, mich an einem Duft zu erfreuen und diesen als das wahrzunehmen, was es im Endeffekt ist: duftendes Wasser. Mehr nicht. Durch einen neuen Duft ändert sich nichts Relevantes in meinem Leben. Es ist ein Luxus-Accessoire, an dem man sich sicherlich erfreuen kann, aber es auch nicht überbewerten sollte. Ich nehme einen Trend wahr, dass viele User auf dieser Plattform immer wieder nach dem neuesten „Meisterwerk“ Ausschau halten. Ich halte das inzwischen für eine völlig falsche Einstellung zur Sache. Es hat sich in meiner persönlichen Erfahrung herausgestellt, dass die „unperfektesten“ Düfte für mich oft die beständigsten sind. Ein Duft sollte für mich authentisch sein und zu mir und meinem Wesen passen. Mit den aktuellen Entwicklungen, die ich innerhalb der Community wahrnehme, kann ich mich nicht mehr vollends identifizieren. Irgendwie geht es nur noch um Konsum. Darum, Dinge zu kaufen, nur damit man sie hat. Dinge zu kaufen, die völlig fremde Menschen mir als „Must Have“ vermarkten. Mir fehlt aktuell die Kreativität. Es sind die immergleichen Marken und Düfte, die diskutiert werden. Mir gibt das Ganze leider aktuell nichts mehr.
Wie auch immer – ich habe das Gefühl, dass es langsam mit uns zu Ende geht. Irgendwie machst du mich nicht mehr glücklich. Es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Du wirst immer ein Teil meines Lebens sein, aber ich benötige erstmal Abstand. Was die Zukunft bringt, weiß ich nicht. Vielleicht entflammt das Feuer nochmal, aber vielleicht war es das auch. Vielleicht benötige ich eine radikale Veränderung?


Viseron
Könnte ich geschrieben haben.
Mir geht es nämlich total ähnlich, nur von Wabi-Sabi (klingt nach Sushi) habe ich noch nichts gehört.
Aber den Rest kann ich 100% nachvollziehen.
Speziell beim letzten Absatz sei aber gesagt: Mach dein Ding. Was andere (speziell hier) wollen und als notwendig erachten, das sollte dich kalt lassen.
Aber ich verstehe genau was du meinst.
Die Liebe kommt wieder, wirst du sehen!
Was die Entwicklung in der Community betrifft, bin ich bei dir. Ich führe hier zwei Beispiele auf: "Must have" und "Weihnachten im Flakon".
Vielen Dank für die Einsicht in deine Erkenntnisse.
Und wenn hin und wieder die Flamme nochmal aufflackert, ist es doch auch schön, oder? Danke für Deine schönen Reflektionen.