Wombatkönig

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Wombatkönig vor 3 Jahren 9 3
Grandfather’s Delight
Eines vorweg: Wer hier eine detaillierte Duftanalyse sucht, sollte besser gleich zum nächsten Kommentar springen. Ich kann nur eine Erzählung, was ich mit TSAR verbinde, bieten:

Alles fing damit an, dass ich die Aufgabe übernommen habe zum Geburtstag meines Großvaters ein Parfum zu besorgen. Also ging ich – damals unwissend, dass es auch etwas jenseits des Designersegments gibt – in eine lokale Parfümerie, die dafür bekannt ist immer günstige Sonderangebote zu haben. Dort angekommen schilderte ich mein Begehr, woraufhin mir der freundliche Verkäufer zielsicher mitteilte „genau das richtige“ für mich zu haben. Also kaufte ich den Duft blind, denn der Laden ist zwar günstig hat aber dafür auch keine Testmöglichkeiten.
Daheim ärgerte ich mich dann zum ersten Mal: Im Internet gab es den Duft zum gleichen Preis, das erhoffte Schnäppchen habe ich also schon mal nicht gemacht.

Als der Ehrentag gekommen war, wurde der Duft – natürlich schön verpackt – feierlich überreicht und sogleich wieder ausgepackt und aufgesprüht.
Hierbei folgten für mich Enttäuschung zwei und drei, denn zum einen gefiel meinem jugendlichen „Ich“ der langweilige grüne Flakon nicht und auch den Duft hatte ich mir anders erwartet. Ja, ich habe in dem Moment sofort verstanden warum der Verkäufer bei den Worten „für meinen Opa“ sofort zu dem Duft gegriffen hatte. Natürlich nicht wissend, dass mein Opa (so wie auch ich) eher süßliche Düfte (Le Male war sein Liebling) mochte, SO ETWAS wollte ich eigentlich. Aber das konnte der arme Verkäufer natürlich nicht wissen.....Naja eigentlich hätte er schon mal fragen können, was für eine Duftrichtung ich suche und nicht nach meinem ersten Halbsatz und dem Wort „Opa“ arrogant triumphierend zu einem in seinen Augen wohl „Alte-Leute-Duft“ greifen müssen.

Aber das ist rückblickend natürlich auch egal, denn wem muss der Duft gefallen? Richtig nicht mir, sondern dem Beschenkten!
Wenn der geneigte Leser es nun bis hier hin durchgehalten hat und nun eine Antwort erwartet, muss ich ein Stück weit enttäuschen: Natürlich sagte mein Großvater, dass ihm der Duft sehr gut gefällt. Aber wer sagt schon zu einem Geschenk, dass es ihm nicht gefällt? Mein Opa hätte niemals zu etwas von mir – seinem einzigen Enkel – ausgesuchten gesagt dass er es nicht mag. Und ich bin auch absolut davon überzeugt, dass alleine die Tatsache, dass ich etwas für ihn ausgesucht habe dazu geführt hat, dass er es auch tatsächlich mochte und es nicht nur sagte.
Ein weiterer Faktor, wegen dem ich nicht sagen kann ob er den Duft objektiv mochte war, dass mein Opa zu dem Zeitpunkt fast gar nichts mehr gerochen oder geschmeckt hat. Das hat ihn aber nicht gehindert dafür die zehnfache Menge aufzutragen. (Oma, ich fühle gerade mit dir!)
In jedem Fall hat mein Opa in seinem letzten Lebensmonat es geschafft gut 1/3 der 100ml zu verbrauchen, wobei es ihm auch nicht jeden Tag nach Parfum gestanden haben wird.

Der Flakon ging in der Folgezeit zusammen mit seiner restlichen „Sammlung“ (die nicht gerade groß war, da bei seinem Konsum kein Flakon lange durchhielt) wieder an mich zurück.

Also habe ich eines Tages den Duft – trotz meiner Vorbehalte – aufgetragen, nach dem Motto „dann verbrauche ich ihn halt“. Ich bin an dem Tag mit einem Freund gemeinsam im Auto gefahren. „Nach was riechst du denn da?“, frage er mich bald. Insgeheim freute ich mich etwas, da ich offensichtlich gut „riechbar“ war uns sonst fast nie Resonanz für meine damals noch recht anfänglichen Parfum-Bemühungen erntetet. Die Hoffnung glimmte in mir auf, dass TSAR zumindest in meinem Umfeld gut ankam, wenn ich ihn schon selbst nicht so toll fand. Also schilderte ich im Schnelldurchlauf Marke, Name und Herkunft. „Haha so riecht er auch, irgendwie altbacken.... Grandfather’s Delight wäre ein besserer Name....haha“. Ja haha. Schade. Zu früh gefreut.
Ich habe TSAR bestimmt noch ein halbes Jahr in meiner Sammlung behalten und noch ein paar Mal probiert. Aber der Funke ist nie übergesprungen und warum soll ich dann einen Duft tragen, der weder mir noch sonst wem in meinem Umfeld gefällt?

Der Duft ging weiter an meinen Vater, der bei Düften etwas genügsamer ist. Er hat TSAR ein paar Mal getragen, jedes mal gut riechbar (H/S sind also schon mal voll In Ordnung!) und jedes mal von mir komplimentiert mit „Oh du trägst wieder Grandfather’s Delight“. Ein Fan ist mein Vater jedenfalls auch nicht geworden und auch der Füllstand ist dem Ziel „endlich aufgebraucht“ kein bisschen näher gekommen.

Da zwischenzeitlich offenbar die Produktion eingestellt wurde haben wir uns kürzlich entschieden TSAR weiterziehen zu lassen, an jemanden der den Duft hoffentlich wirklich mag.

Mein Fazit zu TSAR dürfte daher wenig überraschend sein:
Mag ich ihn? Ehrlich gesagt nicht. Ist er deswegen schlecht? Sicherlich auch nicht!
Der Duft selbst ist genau wie es oben steht würzig-grün und frisch.
Mit bösen Worten für mich eben etwas altbacken. - Oder positiv ausgedrückt: Vintage!

Etwas stilvolles hat TSAR in jedem Fall, meine Assoziation jedenfalls ist ein gut gekleideter Gentleman aus einer vergangen Zeit.

Ich hoffe ich habe mit meinen Ausführungen niemanden den Duft vermiest oder in eine "Alter-Mann-Duft"-Ecke geschoben. Es gibt bestimmt Träger aller Altersklassen und das ist auch gut so! Macht weiter so!
3 Antworten
Wombatkönig vor 3 Jahren 19 8
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Die Duftwelt ist keine Scheibe
Mein erster Kommentar und das ausgerechnet zu Creed’s Silver Mountain Water, der eigentlich so gar nicht in mein Schema passt. Denn – so viel schon mal vorweg - es war keine Liebe auf den ersten Riecher. Trotzdem ist SMW genau der richtige Duft für meinen ersten Kommentar. Denn er symbolisiert den Beginn meiner Reise auf der ich die Welt der Düfte neu entdecke....

Ich war nie ein Freund von frischen Düften. Beliebig, gleich, unspektakulär waren für mich bis vor einiger Zeit alle Düfte, die in die frische Richtung gehen.
Süße Düfte, ja das ist was mir schon immer gefallen hat. So war lange Zeit Givenchy’s Pi mein Liebling (ich kann mir vorstellen wie der Durchschnittsparfumo gerade seine Nase rümpft) und auch jetzt noch sind meine Lieblinge hauptsächlich der süßlichen Richtung zuzuordnen.
Im Herbst und Winter sind solche Vorlieben ja kein Problem. Kniffliger wird es da schon im Sommer. Aber auch hier habe ich zielsicher zu Düften mit Restsüße wie zu "Acqua di Parma - Fico di Amalfi", Teilen der Luna Rossa-Reihe oder - zu meiner Schade – auch eher billigen frisch-süßen/fruchtigen Vertretern gegriffen. Hauptsache ein Hauch Süße war eben in der Suppe drin.
Man könnte also sagen ich war ein olfaktorischer Flat-Earther...

Mit dieser Einstellung traf ich mich also im Spätsommer 2020 (ja, da war das gerade erlaubt) mit meinen Duft-Buddys zu einer Verkostungsrunde. Es stand „Creed“ auf dem Programm. Zwar kannte ich das Haus auch davor schon für mehr als Aventus (welchen in nebenbei gesagt – wen wundert’s – zwar ganz gut aber auch nicht wirklich spektakulär finde). Ich muss zugeben vor jeder Probe dachte ich mir insgeheim: „hoffentlich kommt jetzt einer für mich! Bitte, bitte endlich ein Süßer!“, nur um ein ums andere mal enttäuscht zu werden. Wir hatten ca. 20 Herren-Creeds als Proben da. Irgendwo war auch SMW dabei, im Gedächtnis ist es mir aber nur wegen der lobenden Worte meiner Freude geblieben. Der Duft schien mir damals so banal und austauschbar wie all die anderen Proben an dem Abend.
Zum Belächeln meiner Mittester gefiel mir natürlich Virgin Island Vater (Yeah, süße Kokosnuss!) am besten. Zumindest konnten wir uns doch einigen, dass meine Zweitwahl, Original Santal, ein ziemlich guter Duft ist.
Insgesamt war es ein sehr interessanter aber auch herausfordernder Abend, denn es verlangte mir einiges ab meine damalige Ignoranz zu verbergen.

Eher zufällig und noch die Lobgesänge meiner Mittester im Hinterkopf habe ich dann kurze Zeit später (ob des günstigen Preises) eine Abfüllung SMW erstanden.
Angekommen. Aufgesprüht. Enttäuscht gewesen. Ja, er riecht genau wie ich mich erinnere: Frisch beliebig. Brauche ich nicht. Das Geld hätte ich mir mal besser gespart.

Der Herbst war da, der Winter vor der Türe. Also hat meine liebste Parfum-Saison begonnen: Süßes ist offiziell täglich tragbar!
Komischerweise entscheide ich mich an den wenigen Tagen, an denen ich zur Zeit doch ins Büro muss, für die nicht ganz so süßen und eher frischen Saubermänner unter meinen Flakons. Die Angst, mit einem süßen Duft einen schlechten Eindruck zu hinterlassen ist einfach doch zu groß. So griff ich jedenfalls eines Tages zu SMW. Und was soll ich sagen: Ich habe mich tatsächlich wohlgefühlt und den Duft um mich genossen.

Und so ertappte ich mich in der Folgezeit wiederholt (gerade nach Tagen an denen ich einen Süßling testete, der mir nicht wirklich gefallen hat) auch zu Hause beim Wunsch frisch zu duften verbunden mit dem Griff zu meiner SMW-Abfüllung. Bei den ersten beiden Malen habe ich mir noch nicht viel dabei Gedacht, beim Dritten mal begann ich in meinem Umfeld von dem Duft positiv zu sprechen. Und SMW hat auch meinen Mitmenschen gut gefallen. Mittlerweile habe ich schlicht eingesehen dass SMW ein verdammt guter Duft ist und mir wirklich gut gefällt. Ich verstehe nun was meinen damaligen Mittestern so gut gefallen hat:

SMW ist wie ein Gebirgsbach: Klar, natürlich und im Gleichgewicht.
Keine maskulinen Duschgelnoten. Kein "hier komme ich". Dezent und trotzdem präsent.

SMW strahlt auf mich eine fast schon magische Eleganz aus. Ein Understatement ohne an eigenem Anspruch einzubüßen. Nicht laut, aber die Qualität spricht einfach für sich.

Es fällt mir etwas schwer meine Eindrucke vom Geruch selbst in Wort zu fassen: Auf jeden Fall zitrisch, unsüß aber warm, vielleicht minimal bitter ohne unangenehm zu sein. Tragbar zu jeder Tages- und Jahreszeit.
Ich fühle mich wohl mit ihm. Sauber, rein und auch selbstbewusst.

Ich sehe nun eine völlig neue, viel größere Welt der Düfte vor mir. Zwar gefallen mir noch immer tendenziell süße Düfte am Besten. Aber ich habe nun verstanden, dass:

1. Ein Duft nicht süß sein muss, um mir zu gefallen.
2. was noch wichtiger ist: Ein Duft mir nicht zwangsläufig (sofort) gefallen muss um ein guter Duft zu sein.

Mit diesen Erkenntnissen freue ich mich auf eine aufregende Reise in einer kugelrunden Duftwelt!
8 Antworten
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