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Portrayal Man 2019

Smoetn
09.03.2022 - 01:01 Uhr
27
Top Rezension
6
Preis
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Die goldenen 20er

Chicago, 1924. Die Stadt, so wie der Großteil der westlichen Welt seht in ihrer vollen Blüte. Es war ein Jahrzehnt voller Glamour, Glanz und Gloria. In Deutschland als die goldenen 20er beschrieben, ist dies Jahrzehnt in Frankreich eher als die „verrückten Jahre“ bekannt.

Der Jazz blühte auf, der Flapper definierte den modernen Look für britische und amerikanische Frauen neu, und Art Deco erreichte seinen Höhepunkt. In Amerika, vor allem Chicago, herrscht die Prohibition, aber das stört keinen so wirklich. Es wurde wenig getan, um das Gesetz durchzusetzen. Die illegale Produktion und Verbreitung von Alkohol breitete sich rasch aus und „tüchtige Geschäftsmänner“ wir Al Capone kontrollierten quasi die Alkoholindustrie.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges war der Geist der Goldenen Zwanziger geprägt von einem allgemeinen Gefühl des Neuen, verbunden mit Modernität und einem Bruch mit der Tradition, durch moderne Technologien wie Automobile, bewegte Bilder und Radio. Vor allem Art Deco war der Design- und Architekturstil, der diese Ära prägte, da er moderne Stile mit feiner Handwerkskunst und edlen Materialien kombinierte. In seiner Blütezeit stand es für Luxus, Glamour, Überschwang und den Glauben an den gesellschaftlichen und technologischen Fortschritt.

Es war aber auch die Zeit der „verlorenen Generation“, eine soziale Gruppe junger Männer, die während des Ersten Weltkriegs im frühen Erwachsenenalter war. „Verloren“ bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den „desorientierten, wandernden, richtungslosen“ Geist vieler Überlebender des Krieges in der frühen Nachkriegszeit, bekannt gemacht vor allem durch Ernest Hemingway, der es in seinem Roman „The Sun Also Rises“ von 1926 verwendete: „Ihr seid alle eine verlorene Generation“.

Auch die Rolle der Frau änderte sich in dieser Zeit. Eine neue Frau wurde geboren – eine „Flapper“, die tanzte, trank, rauchte und wählte. Diese neue Frau hat sich die Haare geschnitten, sich geschminkt und gefeiert. Frauen erhielten in den meisten Ländern das Wahlrecht. Neue Karrieren eröffneten sich für alleinstehende Frauen in Büros und Schulen, mit Gehältern, die ihnen halfen, unabhängiger zu sein.

Coco Chanel war eine der bekanntesten Frauen dieser 1920er Jahre. Sie wurde für ihre Avantgarde-Designs bewundert; Ihre Kleidung war eine Mischung aus tragbar, bequem und elegant. Sie war diejenige, die eine andere Ästhetik in die Mode einführte, insbesondere einen anderen Sinn für das Weibliche, und basierend auf ihrem Design eine neue Ethik; Sie entwarf für eine aktive Frau, die sich in ihrem Kleid wohlfühlen konnte. Chanels Hauptziel war es, die Freiheit zu stärken. Sie war die Pionierin für Hosenträgerinnen und für das kleine Schwarze, die Zeichen eines selbstständigeren Lebensstils waren.

Für die Männer kam in den 1920er Jahren der sogenannte Stresemann-Anzug auf. Er bestand aus einer Jacke, Weste und gestreifter Hose (er bekam seinen Namen übrigens vom deutschen Reichskanzler Gustav Stresemann). Dazu trug man auf dem Kopf entweder einen steifen Hut oder eine sportliche Schirmmütze. Sportliche Männer trugen kurze Knickerbocker und Trenchcoat. Modisch also ein sehr elegantes Zeitalter…

Inmitten dieser Zeit wurde also in den „Speakeasies“ – den Flüsterkneipen in den USA – zu Jazz getanzt, getrunken, geraucht und schlicht das Leben genossen. Der „Charleston“ wurde als Tanz zum Inbegriff dieser neuen Freiheit und Freizügigkeit. Hierbei wurden abwechselnd X- und O-Beine getanzt, damit verbunden die nach außen und innen gedrehten Knie und Füße. Vor allem bei Frauen war dieser Tanz sehr beliebt und galt auch deshalb als provokativ und unsittlich. Es war die Zeit des „Great Gatsby“ und Sorgen gab es entweder nicht oder wurden weggetrunken. Und dann – am 24. Oktober 1929 – kam der schwarze Dienstag…

Dies alles soll Portrayal Man nun also porträtieren und transportieren. Nun bin ich „ein wenig“ zu jung, um diese Zeit miterlebt zu haben, aber in meinen Gedanken habe ich eine recht genaue Vorstellung davon, wie es damals zugegangen ist und male mir im Kopf aus, wie die Männer damals wohl geduftet haben müssen. Aber fangen wir mal mit der Präsentation dieses Amouage Duftes an, diese trifft den Nagel nämlich wirklich auf den Kopf. Der Karton kommt in einer wundervollen Art Deco Aufmachung daher und der Flakon selbst ist mit das Schönste, was es auf dem Markt derzeit gibt. Im typischen Amouage Flakonformat schimmert, scheint und oszilliert die Vorderseite, wie es den Menschen in der 20er Jahren wohl sehr gut gefallen hätte. Das ist ganz großes Kino, welches in den 20er Jahren ebenfalls seinen Anfang nahm.

Der Duft selbst kommt dagegen fast bescheiden daher; nur ganze drei Duftnoten sind angegeben und diese sind nicht gerade aufregend oder gar revolutionär. Dennoch, das Zusammenspiel dieser drei Facetten ist großartig und verkörpert für mich durchaus die damalige Zeit, wie ich sie mir vorstelle. Die Herren dieser Zeit legten Wert auf ihr Äußeres, ihr Auftreten und wirkten durch die neu gewonnene Lebensfreude gar etwas arrogant. Das Veilchenblatt, vielen bestimmt wohlbekannt aus Fahrenheit Eau de Toilette, ist kühl, floral, frisch, seifig und elegant. Auch ist es eine eher seltene Duftnote, die den Träger eine gewisse Aura verleiht. Etwas streng, etwas distanziert, aber gleichzeitig auch verspielt, charmant und extravagant, dabei aber stets männlich, selbstsicher und klassisch.

Das Vetiver und auch der Zedernwacholder runden den Duft wunderbar ab und geben ihm noch einen etwas dunkleren, sehr männlichen und ein wenig dreckigen Charakter. Anfangs dominiert wirklich ganz klar das Veilchen, später kommt aber dann der Vetiver wunderbar durch. Alles in allem ein recht linearer Duftverlauf, aber mit klar abgegrenzten Duftnoten und Phasen.
Portrayal Man ist nahezu ein Immergeher, kommt für mich aber am besten im noch kühlen Frühling zur Geltung. Der Duft hat eine recht gute Haltbarkeit und eine starke Projektion, gerade in der Veilchen-Anfangszeit, welche gut und gerne 2-3 Stunden andauert. Er ist – zumindest anfangs – recht ähnlich zu Fahrenheit Eau de Toilette , besitzt aber nicht diese Benzinnote und ist daher wesentlich leichter zu tragen.

Insgesamt sei festgehalten, dass der Duft jedem zu empfehlen ist, der auf klassische Männerdüfte steht und mit der Veilchennote das gewisse Extra sucht. Meines Erachtens fängt der Duft den Geist der 20er Jahre toll ein und wer sich einmal wie der große Gatsby fühlen möchte, sollte diesen Amouage zumindest einmal ausprobieren.
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