Ciel d'Opale 2012

Parma
14.10.2022 - 13:27 Uhr
12
Top Rezension
6
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Lindenblüte

Ciel d‘Opale ist ein wunderschönes Lindenblütenparfum. Ein Duft in hellem Okker. Eine leicht bittere Fruchtigkeit (Quitte), ein wächsern-blumiges Herz und eine honighafte Amberwärme (in einer Mischung ihrer mineralischen und weichen Facetten) rufen bei mir den Eindruck einer Lindenblüte hervor. Eine fast glatte Oberfläche, unter der ein warmer Kern strahlt.

Bevor ich noch etwas genauer auf die Duftentwicklung eingehe, ein kurzer Einschub zur Marke:

Ann Gérard ist eine ehemalige Pariser Schmuckdesignerin, die ausschließlich mit Edelsteinen arbeitete, und in den Jahren 2012 – 2014 vier Düfte veröffentlichte, für die sie den befreundeten Betrand Duchaufour gewinnen konnte. Ihr Ziel war es, die Eleganz ihres Arbeitsmaterials in Duftsprache zu übersetzen. Alle vier haben im Titel deshalb einen Bezug zu bestimmten Edelsteinen bzw. ihrem Herstellungsprozess. Ich kenne drei ihrer Kreationen und kann bestätigen, dass es außergewöhnlich elegante und sehr gut komponierte Düfte sind. Das Herauslesen von Verbindungen zu speziellen Edelsteinen bzw. ihrem Herstellungsprozess ist aber sicherlich der Phantasie überlassen. Bei diesem kann ich es jedoch als einzigem teilweise nachvollziehen. Das liegt zum einen daran, dass er unheimlich stilvoll wirkt und zum anderen an seiner transparenten Erscheinung wie seinem gleichzeitig dichten Innenleben.

Das erste Gefühl nach dem Aufsprühen ist das, ein sehr nobles, klassisches Parfum vor sich zu haben (klassisch im Sinne traditioneller französischer Duftkomposition, nicht im Sinne von altmodisch). Zu Beginn erscheint ein sehr runder honigwächserner Ton, der das Hauptthema des Dufts ist. Darin flicht sich schnell eine würzig-blumige Note ein, die mich am ehesten an einen leicht süßen, aromatischen Jasmin erinnert. Im Zusammenspiel mit der bitterfruchtigen Kopfnote wirkt das lindenblütenähnlich. Das Bittere bildet dabei einen schönen Kontrast zur zurückhaltenden Süße und verleiht dem aparten, aber sehr zugewandten Duft eine innere Spannung sowie moderate Frische. Das ist auch der Grund, weshalb diese Lindenblüte nicht erdrückend wirkt. Sie ist, wie z.B. Lehmanns Interpretation, angenehm durchlüftet. In der Herznote verstärkt sich der wächserne Ton zwar noch etwas, ist aber weitab von möglicher weißblüherischer Dominanz. Die leicht zunehmende Süße des Jasmin hilft dabei sicher, jedoch ohne daraus einen süßen Duft zu machen. Alles ist zurückhaltend und achtsam abgestimmt. Mit dem Einsetzen eines mineralisch-warmen Ambertons (wie eine Mischung aus Amber und Ambra), der ganz zarte grüne Sprenkel mitführt (eines angeschnittenen jungen Zweiges ähnlich), ist er dann ein wunderbar durchscheinender Duft, auf wundersame Weise dicht und gleichzeitig leicht.

Ann Gérard beschreibt ihn so: „Im Schatten einer Linde liegend, blickt sie zum Himmel {Ciel d‘Opale = Opalhimmel, d.A.}. Warme Luft, helles Licht. Ciel d'Opale bildet eine Verbindung zwischen der Erde und dem Himmel. Ein mattes honigsüßes Bouquet ... Ein Hauch von Grün, Zitrus und Holz. Die strahlende Fülle eines Cabochons {eine Glattschliff-Art, d.A.}."

Ich finde, besser und schöner kann man ihn nicht treffen.

Zu guter Letzt hätte ich gerne dafür geworben, ihn zumindest mal zu testen, v.a. wenn man Lindenblütenliebhaber*in ist, aber leider musste ich bei Erwerb der Probe feststellen, dass er seit Jahren eingestellt ist, auch weil es die Marke nicht mehr gibt. So geht ein richtig gut komponierter Duft verloren, komplex, sauber und ungemein elegant. Das einzige, was mir persönlich fehlt, ist ein Tick mehr Eigenständigkeit, irgendetwas Besonderes, denn so er ist ein klassischer, zeitloser Lindenblütenduft. Vielleicht ein bisschen zu sehr gefangen in seiner Eleganz und den Duft-Konventionen. Aber wunderschön. Die Bewertung wäre zudem noch höher ausgefallen, wenn ich den speziellen Geruch der Lindenblüten etwas mehr schätzen würde.
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