
Parma
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Eine Skizze des Nichts
Moderne Frische. Metallisch-grünzitrisch-süßlichwürzig. Wie durch einen Diffusor gejagt. Trocken. Körnig. Sphärisch. Eine herbfruchtige Ginger-Note. Zimtnuancen. Vetiverspitzen. Und vor allem Sclarene, ein vollsynthetischer Baustein mit in der Heißmangel gestärktem weißen Hemd-Effekt. Metallmoschus. Etwas steif. Hermès-Eleganz tangiert aus. Wie es Nagel macht? Das bleibt ihr Geheimnis. Aber das hat was. Eine Skizze des Nichts. Wie Dunst über einer Küstenlandschaft. Wie ein einsamer Bauhaus-Bungalow an der amerikanischen Westküste. Karg, leer, nachwirkend. Ein Zwitter zwischen brunftigem Aromachemical-Parfum und klassisch französischer Noblesse. Ein artifizielles Artefakt mit versteckter Natur. Ambivalent. An der Grenze zum Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Gering dosiert ein unaufgeregt-eleganter Wohlgeruch mit Allrounder-Qualitäten, der durchaus im Gedächtnis bleibt. Man kann Schlechteres über einem Duft sagen.
31 Antworten
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Eine künstlich-fruchtige Frische. Synthetik bis zum Abwinken. Ohne Spur von Natürlichkeit. Alles verschwimmt fast unkenntlich im olfaktorischen Nirwana.
Melozone, Cashmeran und eine diffus-pudrige Muskatwürzigkeit bestimmen etwa gleichberechtigt diesen linearen, durchdringend kühlen Aromachemie-Freshie.
Melozone, ein Riechstoff des amerikanischen Duftherstellungs-Giganten IFF wird als ozonisch, aldehydartig und nach Melone riechend beschrieben. Was passt. Er verströmt eine wässrige, mentholig-metallische, mäßig angesüßte, durchdringende, „gummibärchenhafte“ Duschgelfruchtigkeit, der ein zitrischer Grundton (Yuzu-ähnlich) inne wohnt.
Cashmeran, ebenfalls ein von IFF entwickelter synthetischer Duftstoff, wird oft als holzig-moschig (auch wenn er kein primärer Moschusduftstoff ist) charakterisiert, aber auch als würzig, fruchtig, balsamisch, chypre- und vanilleartig mit seidigweicher Textur. Er bildet hier die Basis und ich empfinde ihn als leicht schwülstig sowie undeutlich künstlich ambrigholzig-weichmoschig-süßlich. Mit dezenter Vanilleanmutung/Tonkasüße. Wie als wenn die genannten Aspekte zu einer angedickten, minimal unsauberen Masse verrührt wurden, die allen individuellen Ausdruck verschluckt. Hineinverschliert ist eine deutliche Muskatwürze, die durch die Einbindung pudrig-diffus erscheint und eine maskuline Konnotation erkennen lässt.
Die beiden letztgenannten Bestandteile verleihen dem Duft eine weiche Haptik und runden ihn. Die leicht dominierende „aquatische“ Fruchtnote trägt neben einer zurückgenommenen Fruchtigkeit eine unterkühlte Note mit sich, die mich an die „Eisbonbon“-Mentholigkeit des ‚Almost Transparent Blue‘ von A Lab on Fire erinnert. Mit ebenfalls metallischer Nuance. Überhaupt weisen beide Düfte viele Ähnlichkeiten auf. Sie konzentrieren sich auf eine prägnant zitrisch-wässrige, fast spiegelglatte, leicht süßliche Fruchtigkeit und versuchen diese so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dies gelingt dem Almost Transparent Blue aus meiner Sicht überzeugender, da er keine so stark interferierenden Basisnoten wie der 180 Blue aufweist und auf eine ambrige Weichzeichnung komplett verzichtet. Er erscheint im Vergleich noch kühler, sauberer und dadurch distanzierter. Ihm fehlt zudem die Duschgelcharakteristik des Porsche-Dufts, die jenem eine eindeutige Designer-Formensprache verleiht. Beiden stark gemein ist ihre – trotz aller vollsynthetischen Bestandteile – relative Unaufdringlichkeit.
Wenn man sich die Arbeiten des verantwortlichen Parfumeurs Nicolas Beaulieu anschaut, so fallen vor allem seine Arbeiten für Paco Rabanne (u.a. Invictus) auf. Das erklärt, weshalb Assoziationen zu diesem Duftprofil (fruchtig-süßlich-aquatische Duschgelfrische) und zu der verwischten, schwülstig-ambrigen Würzigkeit eines 1 Million aufkommen.
Alles in allem ist dies ein sehr simpel gehaltener, reiner Funktionsduft, der die kühle und moderne Ästhetik des Porsche-Unternehmens bedient. Ohne Nuancen, ohne Seele. Er riecht frischsauber nach einem Geruchsbild, welches vertraut und massenkompatibel ist: Duschgel. Für eine solche Marke mit ihrer Marktposition sicherlich nicht verwerflich. Aber auch ohne jede Ambition.
Für Liebhaber*innen komplexer, künstlerischer Düfte ist diese Art sicherlich so etwas wie ein Antiparfum. Wenn man mit diesem Duftcharakter und einer unverhohlenen Designersynthetik allerdings kann, findet man aus meiner Sicht einen noch annehmbaren Vertreter, der seine Artifizialität - verglichen mit dem Status quo - fast erholsam zurückhaltend präsentiert.
Melozone, Cashmeran und eine diffus-pudrige Muskatwürzigkeit bestimmen etwa gleichberechtigt diesen linearen, durchdringend kühlen Aromachemie-Freshie.
Melozone, ein Riechstoff des amerikanischen Duftherstellungs-Giganten IFF wird als ozonisch, aldehydartig und nach Melone riechend beschrieben. Was passt. Er verströmt eine wässrige, mentholig-metallische, mäßig angesüßte, durchdringende, „gummibärchenhafte“ Duschgelfruchtigkeit, der ein zitrischer Grundton (Yuzu-ähnlich) inne wohnt.
Cashmeran, ebenfalls ein von IFF entwickelter synthetischer Duftstoff, wird oft als holzig-moschig (auch wenn er kein primärer Moschusduftstoff ist) charakterisiert, aber auch als würzig, fruchtig, balsamisch, chypre- und vanilleartig mit seidigweicher Textur. Er bildet hier die Basis und ich empfinde ihn als leicht schwülstig sowie undeutlich künstlich ambrigholzig-weichmoschig-süßlich. Mit dezenter Vanilleanmutung/Tonkasüße. Wie als wenn die genannten Aspekte zu einer angedickten, minimal unsauberen Masse verrührt wurden, die allen individuellen Ausdruck verschluckt. Hineinverschliert ist eine deutliche Muskatwürze, die durch die Einbindung pudrig-diffus erscheint und eine maskuline Konnotation erkennen lässt.
Die beiden letztgenannten Bestandteile verleihen dem Duft eine weiche Haptik und runden ihn. Die leicht dominierende „aquatische“ Fruchtnote trägt neben einer zurückgenommenen Fruchtigkeit eine unterkühlte Note mit sich, die mich an die „Eisbonbon“-Mentholigkeit des ‚Almost Transparent Blue‘ von A Lab on Fire erinnert. Mit ebenfalls metallischer Nuance. Überhaupt weisen beide Düfte viele Ähnlichkeiten auf. Sie konzentrieren sich auf eine prägnant zitrisch-wässrige, fast spiegelglatte, leicht süßliche Fruchtigkeit und versuchen diese so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dies gelingt dem Almost Transparent Blue aus meiner Sicht überzeugender, da er keine so stark interferierenden Basisnoten wie der 180 Blue aufweist und auf eine ambrige Weichzeichnung komplett verzichtet. Er erscheint im Vergleich noch kühler, sauberer und dadurch distanzierter. Ihm fehlt zudem die Duschgelcharakteristik des Porsche-Dufts, die jenem eine eindeutige Designer-Formensprache verleiht. Beiden stark gemein ist ihre – trotz aller vollsynthetischen Bestandteile – relative Unaufdringlichkeit.
Wenn man sich die Arbeiten des verantwortlichen Parfumeurs Nicolas Beaulieu anschaut, so fallen vor allem seine Arbeiten für Paco Rabanne (u.a. Invictus) auf. Das erklärt, weshalb Assoziationen zu diesem Duftprofil (fruchtig-süßlich-aquatische Duschgelfrische) und zu der verwischten, schwülstig-ambrigen Würzigkeit eines 1 Million aufkommen.
Alles in allem ist dies ein sehr simpel gehaltener, reiner Funktionsduft, der die kühle und moderne Ästhetik des Porsche-Unternehmens bedient. Ohne Nuancen, ohne Seele. Er riecht frischsauber nach einem Geruchsbild, welches vertraut und massenkompatibel ist: Duschgel. Für eine solche Marke mit ihrer Marktposition sicherlich nicht verwerflich. Aber auch ohne jede Ambition.
Für Liebhaber*innen komplexer, künstlerischer Düfte ist diese Art sicherlich so etwas wie ein Antiparfum. Wenn man mit diesem Duftcharakter und einer unverhohlenen Designersynthetik allerdings kann, findet man aus meiner Sicht einen noch annehmbaren Vertreter, der seine Artifizialität - verglichen mit dem Status quo - fast erholsam zurückhaltend präsentiert.
20 Antworten
Ein Cologne
‚Eau Fraîche‘ ist ein wunderbares, leicht modernisiertes, klassisches Cologne. Unaufdringlich, sanft aromatisch, sonnenverwöhnt und sehr natürlich wirkend. Weniger komplex als ein Kölnisch Wasser, dafür - bei aller Leichtigkeit - etwas dichter und satter wirkend. Wie eine mediterrane Ausgabe. Saftig in den dominierenden Zitrusnoten, trockenpudrig in seiner dezenten zimtigen Würze, zartblumig-elegant im Rosengeranienton und naturnah in seiner sachten, blatthaft-moosigen Basis.
Der Grund, warum ich anderthalb Jahre nach meinem Statement eine Rezension schreibe, liegt in dem Umstand, dass es zwei Versionen dieses Duftes gibt, die sich merkbar unterscheiden. Mein Statement bezieht sich dabei auf die zweite Fassung, ‚L’Eau de Cologne‘ genannt, welches ich bei Duft & Kultur in Wien kennen lernte. Nun hatte ich das Glück durch einen Parfumo-Tausch - mein herzlicher Dank geht dafür an Hammelburg28 - an die Ursprungsfassung, das ‚Eau Fraîche’, zu gelangen. Und das finde ich ein gutes Stück gelungener.
Die Kombination des dominanten Zitrusakkords aus leichter Herbheit und moderater Süße wird zuerst von einer leisen, ebenfalls beide Merkmale vereinende, leicht pudrigen Zimtnote aufgegriffen, die ein gepflegtes, charmantes, süßlich-holziges Aroma verleiht. Diese ist für mich aus den Beinoten die markanteste, bleibt aber wunderbar zurückgenommen. Noch dezenter verhält es sich mit einem - in meiner Nase - rosengeranienähnlichen Ton, der eine kaum merkbare Floralität hineinträgt und den eleganten Eindruck verstärkt. Beide Noten, Zimt und Rosengeranie, sind in vielen klassischen Herrendüften zu finden und auch dieser zeigt zarte Anleihen davon. Durch die minimale Dosierung wirkt er aber nicht wie ein selbstbewusster Herrenduft, sondern wie ein sensible, verträumte Abwandlung dessen. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb er mir so gefällt. Weitere Tiefe erfährt er schließlich noch durch eine vetiververwandte, blatthafte Nuance mit zart moosigem Einschlag.
Im Zusammenspiel wirkt der Duft auf mich wie eine Mischung aus reifen, saftig-süßlichen Zitrusnoten, auf der eine leicht pudrige Schicht aus zerstoßenen, gezimteten Blättern liegt, die mit einen Hauch von Floralität versetzt sind. Die Sonne Süditaliens hat dabei fast alle Feuchtigkeit und klaren Abgrenzungen zwischen den Inhaltsstoffen entfernt, so dass seine Konsistenz dunstig-trocken erscheint.
Da in der offiziellen Duftnotenangabe nur Agrumen aufgeführt werden, sind die genannten Beinoten meine persönliche Vermutung. Eventuell werden die aromatischen Aspekte des Dufts allein durch das Profil der Amalfi-Zitrone erreicht, welches sehr komplex sein soll (saftig, süßlich, mild sauer, aromatisch), ich aber leider nicht kenne. Diese "Vielschichtigkeit" ist dann auch der Hauptunterschied zur Nachfolgeversion. Denn jene zeigt ihre grüne Einfärbung nur zu Beginn - dort eher galbanumähnlich und in der Dosierung deutlich intensiver als beim Vorgänger -, zieht sich dann jedoch sehr schnell auf eine eintönig zitronige, weniger saftige und deutlich weniger aromatisch wirkende Basis zurück. Die zimtige Würze und leichte Floralität fehlen gänzlich. Hätte sich zumindest die Galbanumfärbung gehalten, wäre meine Bewertung höher ausgefallen. Dies schafft nun die Ursprungsversion, die ich mit einer 9.0 bewerten würde. Da auf dieser Seite allerdings die aktuelle Version prägnant vermerkt ist, lasse ich meine damalige Bewertung stehen.
Der Grund, warum ich anderthalb Jahre nach meinem Statement eine Rezension schreibe, liegt in dem Umstand, dass es zwei Versionen dieses Duftes gibt, die sich merkbar unterscheiden. Mein Statement bezieht sich dabei auf die zweite Fassung, ‚L’Eau de Cologne‘ genannt, welches ich bei Duft & Kultur in Wien kennen lernte. Nun hatte ich das Glück durch einen Parfumo-Tausch - mein herzlicher Dank geht dafür an Hammelburg28 - an die Ursprungsfassung, das ‚Eau Fraîche’, zu gelangen. Und das finde ich ein gutes Stück gelungener.
Duftbeschreibung:
‚Eau Fraîche‘ konzentriert sich ganz in der Tradition klassischer Cologne auf eine Ansammlung von Zitrusnoten. Hier sticht für mich besonders eine Verbena- bzw. Eisenkraut-ähnliche heraus, die an den Geschmack gelber Nimm2-Bonbons erinnert. Saftig fruchtsüß-zitronig und zart melissenhaft-bitter. Dieser Zitruston steht über den gesamten Verlauf im Mittelpunkt. Dass er sich nicht in dieser - wenn auch sehr angenehmen - Eintönigkeit verliert, wie es für mich z.B. bei L’Occitane en Provences ‚Verveine’-Duft passiert, liegt an der sensiblen Unterstützung hervorragend abgestimmter Beinoten. Die Kombination des dominanten Zitrusakkords aus leichter Herbheit und moderater Süße wird zuerst von einer leisen, ebenfalls beide Merkmale vereinende, leicht pudrigen Zimtnote aufgegriffen, die ein gepflegtes, charmantes, süßlich-holziges Aroma verleiht. Diese ist für mich aus den Beinoten die markanteste, bleibt aber wunderbar zurückgenommen. Noch dezenter verhält es sich mit einem - in meiner Nase - rosengeranienähnlichen Ton, der eine kaum merkbare Floralität hineinträgt und den eleganten Eindruck verstärkt. Beide Noten, Zimt und Rosengeranie, sind in vielen klassischen Herrendüften zu finden und auch dieser zeigt zarte Anleihen davon. Durch die minimale Dosierung wirkt er aber nicht wie ein selbstbewusster Herrenduft, sondern wie ein sensible, verträumte Abwandlung dessen. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb er mir so gefällt. Weitere Tiefe erfährt er schließlich noch durch eine vetiververwandte, blatthafte Nuance mit zart moosigem Einschlag.
Im Zusammenspiel wirkt der Duft auf mich wie eine Mischung aus reifen, saftig-süßlichen Zitrusnoten, auf der eine leicht pudrige Schicht aus zerstoßenen, gezimteten Blättern liegt, die mit einen Hauch von Floralität versetzt sind. Die Sonne Süditaliens hat dabei fast alle Feuchtigkeit und klaren Abgrenzungen zwischen den Inhaltsstoffen entfernt, so dass seine Konsistenz dunstig-trocken erscheint.
Da in der offiziellen Duftnotenangabe nur Agrumen aufgeführt werden, sind die genannten Beinoten meine persönliche Vermutung. Eventuell werden die aromatischen Aspekte des Dufts allein durch das Profil der Amalfi-Zitrone erreicht, welches sehr komplex sein soll (saftig, süßlich, mild sauer, aromatisch), ich aber leider nicht kenne. Diese "Vielschichtigkeit" ist dann auch der Hauptunterschied zur Nachfolgeversion. Denn jene zeigt ihre grüne Einfärbung nur zu Beginn - dort eher galbanumähnlich und in der Dosierung deutlich intensiver als beim Vorgänger -, zieht sich dann jedoch sehr schnell auf eine eintönig zitronige, weniger saftige und deutlich weniger aromatisch wirkende Basis zurück. Die zimtige Würze und leichte Floralität fehlen gänzlich. Hätte sich zumindest die Galbanumfärbung gehalten, wäre meine Bewertung höher ausgefallen. Dies schafft nun die Ursprungsversion, die ich mit einer 9.0 bewerten würde. Da auf dieser Seite allerdings die aktuelle Version prägnant vermerkt ist, lasse ich meine damalige Bewertung stehen.
Haltbarkeit und Silage:
Seiner cologneartigen Charakteristik entsprechend ist es ein körpernaher Duft, der sich bei großzügiger Verwendung durchaus einen Tag lang hält. Damit ist er deutlich ausdauernder als die ‚L’Eau de Cologne‘-Version, deren Bewertung ich aus dem oben genannten Grund hier ebenfalls belasse (für die Ursprungsversion teile ich die Einschätzung von Rivegauche {7,5}, die sich - seinen Flakonfotos nach zu urteilen - auf jene bezieht). Infos zur Marke:
Christian Tortu ist einer der bekanntesten französischen Floristen und im Duftsektor v.a. für seine Duftkerzen und Raumdüfte bekannt. Im Bereich der Parfums hat er meines Wissens nach drei Düfte herausgebracht: das hier besprochene ‚Eau Fraîche‘ bzw. ‚L’Eau de Cologne‘ sowie die hier noch nicht katalogisierten ‚Riviera‘ aus dem Jahr 2019 (ebenfalls bis vor kurzem bei „Duft & Kultur“ in Wien geführt) und einem ‚Eau de Toilette‘, welches ein komplett floraler Duft sein soll, den ich aber bisher noch nie in Natura gesehen habe (nur auf Fragrantica in Bild und Text sowie auf perfumica.com in Textform). Tortus Stil betont besonders das Frische und Urwüchsige der Natur. Hauptcharaktere sind dabei Blumen, Zitrusfrüchte, Pflanzen und Wälder, weshalb die meisten seiner Düfte zitrisch, grün, holzig und floral ausgerichtet sind. Es gibt übrigens eine interessante Verbindung zu James Heeley, der für Tortu - noch in seiner Zeit als Designer - Vasen entworfen hat. Tortu soll dann in der Zusammenarbeit Auslöser für Heeleys Faszination für Düfte gewesen sein.Fazit:
Wer Cologne mag, wird an diesem Duft wahrscheinlich seine Freude haben. Es ist eine schlanke, zeitlose, mediterrane Interpretation, natürlich, sensibel und unprätentiös - fast unparfumig. Ein wunderbar bescheidener Qualitätsduft. Leider teilt er das Schicksal eingestellter Düfte und ist zudem kaum noch auffindbar.
18 Antworten
L’Heure Chimique in 23 Molekülen
Auf den Duft aufmerksam wurde ich durch einen Podcast, bei dem erwähnt wurde, dass ‚L’Heure Perdue‘ ohne einen einzigen natürlichen Inhaltsstoff auskommt. Das fand ich vor dem Hintergrund der eher konservativen Ausrichtung der Traditionsmarke Cartier sowie der Könnerschaft seiner Parfümeurin konzeptionell sehr spannend. Konsequenterweise wollte Mathilde Laurent ihn daher auch ‚L’Heure Chimique‘ nennen, was im Unternehmen aber auf wenig Gegenliebe stieß (andere Vorschläge waren ‚L’Heure Moléculaire’ und ‚L’Heure Abstraite‘). Wie bei ‚Synthetic Jungle‘ bzw. ‚Synthetic Nature’ von Frédéric Malle gesehen, muss das der Beliebtheit eines Duftes jedoch nicht abträglich sein.
Die Konsistenz des Eau de Parfums ist dabei ausgesprochen durchlässig, größtenteils luftig sowie leicht pudrig-körnig (die Formel listet Irisersatzstoffe, Heliotropin und verschiedene Moschusderivate auf). All das erzeugt bei mir einen überwiegend molekülartig-artifiziellen Geruchscharakter, bei dem in der Abstrahlung auf meiner Haut v.a. der typische, leicht stechende, kühlseifig-metallische, dezent säuerliche Aldehyd-Geruch der klassischen Aldehydgruppe C7-12 dominiert. Dass mich dieser Ton beim Tragen kaum stört, liegt an der Laurent-typisch filigranen und zurückhaltenden Abstimmung (diese wirkt allerdings nur in der Eigenwahrnehmung so, faktisch projiziert er - wie häufig von Moleküldüften gewohnt - enorm! - bei ebenso guter Haltbarkeit). Allerdings erreicht der Duft aus meiner Sicht trotzdem nicht die zweite Intention Laurents, nämlich der des Aufbrechens der weithin vorherrschenden Überzeugung einer qualitativen und geruchlichen Unterlegenheit synthetischer Duftstoffe gegenüber natürlichen. Sie wollte nämlich zeigen, dass ein durch und durch synthetisches Parfum genauso gut riechen kann wie ein mit natürlichen Inhaltsstoffen versetztes (die hier verwendeten sind der Natur identisch nachgebildete, von ihr inspirierte und von ihr völlig unabhängige). Zudem sollte es sinnlich und menschlich wirken. Ihre Bemühungen sind spürbar (nach eigenen Angaben hat sie über dreihundert Versuche bis zur endgültigen Formel benötigt), aber für mich riecht ‚L’Heure Perdue’ letztlich zu artifiziell, zu technisch und damit zu wenig lebendig und menschenzugewandt. Eingesetzt wurden für dieses erste komplett synthetische Parfum der Marke übrigens genau 23 Moleküle, die bei Interesse auf der Seite von Les Nez nachzulesen sind (auparfum.bynez.com/au-coeur-de-l-heure-perdue-de-la-coumarine-aux-methylionones,4078).
Der Einsatz dieser Anzahl wirft auch ein Schlaglicht auch die oft sehr irreführende Handhabung offizieller Notenangaben. Die Marke listet nämlich ausschließlich Vanillin auf. Eine Dominanz dieses Moleküls, welches durch die singuläre Notenangabe suggeriert wird und laut Laurent im Mittelpunkt der Komposition steht, ist für mich allerdings nicht nachvollziehbar. Es ist allenfalls unterschwellig existent. Zumindest auf meiner Haut entwickelt der Duft kaum Süße. Auch auf Textil und Papier bleibt nur eine Ahnung davon zurück. Selbst laktotische Eindrücke, wie von Laurent wohl beabsichtigt, vermisse ich. Auf dieser Plattform wird der Duft jedoch als hauptsächlich süß charakterisiert. Ob diese Einordnung durch die offizielle Notenangabe beeinflusst ist oder mit einer Reformulierung zusammenhängt, wie es in verschiedenen Foren diskutiert wird, kann ich nur vermuten. Dort wird bei aktuellen Batches z.T. von einem erheblich luftigeren, leicht muffigen und dtl. weniger süßen Geruchsbild als bei früheren Versionen gesprochen. Das korreliert mit meinen Eindrücken und würde auch den Einsatz von Aldehyden plausibler erscheinen lassen, die in der Ursprungsformel nicht enthalten sind.
Evtl. erklärt das auch, weshalb der Duft verschieden eingeordnet wird. In einigen Quellen wird er als Gourmand geführt, in anderen als Amberduft. Für mich persönlich ist er ein Aldehydduft mit leicht brotig-würziger Ausrichtung. Insofern könnte ich mich am ehesten mit der Kategorie des Gourmands arrangieren, aber nur unter dem Zusatz „abstrakt“. Dieses Merkmal würde wiederum gut zur unkonventionellen Duftsprache der L’Heures-Reihe und der eher intellektuell-kreativen Herangehensweise Laurents passen, die gewohnten Dufteindrücken gern neue Facetten abgewinnt.
Interessant fand ich bei der Recherche zu diesem Duft zudem, dass die Parfümeurin - neben der erwähnten Ehrenrettung synthetischer Duftstoffe - einen Duft kreieren wollte, der an jene des 19.Jh. erinnern soll. Dafür nutzte sie ausschließlich Inhaltsstoffe, die im 19. und 20. Jh. entwickelt wurden. Er erfüllt dieses Ziel in gewisser Weise, denn durch die Mischung aus Kernseifenassoziation und künstlicher Aura wirkt er auf mich sowohl nuanciert retroesk als auch zart avantgardistisch.
Duftcharakterisierung:
Mit Malle bin ich auch bei der aus meiner Sicht entscheidenden Verbindung zu diesem Duft, denn für mich riecht ‚L’Heure Perdue‘ nach einem aller Süße beraubten ‚Dries van Noten par Frédéric Malle‘. Jener ist u.a. inspiriert vom Geruch flämischer Süßspeisen wie Waffeln und Spekulatius. Hefig, buttrig und ordentlich gesüßt. Der unsüße, hefeähnliche Teileindruck wird dabei durch das Molekül ‚Sulfurol‘ hervorgerufen, welches dort meinem Empfinden nach prominent eingesetzt ist (die Internetseite des französischen Magazins Le Nez führt es allerdings als sehr gering dosiert an, wobei ihm eine „extreme“ Stärke attestiert wird, was meinen Eindruck nachvollziehbar erscheinen lässt). Beschrieben wird es meist als Mischung aus fleischig (im Sinne von „hautähnlich“), brotig, geröstet, metallisch, zart ölig-ranzig und nussig (thegoodsenctscompany). Mich erinnert es an den Geruch von hart gebackenem Salzteig, mit dem ich als Kind Figuren hergestellt habe. Im Prinzip einem Hefeteig mit viel Salz, der keinerlei Flüssigkeit mehr besitzt. Ein sehr eigener, aparter Ton, der unparfümig, ja fast körpereigen wirkt. Letzteren Effekt räumt Laurent in einem Interview denn auch als ihre Hauptintention für diesen Duft ein und bestätigt den überdosierten Einsatz von ‚Sacrasol‘ (eine andere Bezeichnung für ‚Sulfurol‘ (auparfum.bynez). Dieses Molekül beherrscht für mich diesen Duft. Ihm fast gleichwertig zur Seite gestellt sind aus meiner Sicht Aldehyde, die einen zusätzlich sauberen, seifig-metallischen Eindruck beisteuern, der im Verlauf auf meiner Haut sogar überwiegt. Dabei ist die Tonalität nicht so ausgeprägt wie in klassischen Aldehyddüften, sondern etwas niedriger frequent, allerdings ähnlich stechend. Die Geruchsprofile der beiden Moleküle überschneiden sich dabei in ihren leicht säuerlichen („ranzig“ wäre übertrieben), metallischen und artifiziellen Aspekten. In Kombination erweckt das auf meiner Haut den Eindruck eines Kernseifengeruchs: grobkörnig-metallisch-seifig mit einer zarten Würze (salzig-hefig). Hinzu kommen für mich Facetten diffusen Moschus’, welcher eine Nuance Weichheit und Wärme verleiht, zarter Holzigkeit (ISO-E-Super-ähnlich), minimaler Trockenwürzigkeit (wie grüner Kardamom) und ganz unterschwelliger Floralität (rückgemeldet wurde mir Rose, von deren Profil einzelne Moleküle auch in der Formel enthalten sind, s.u.). Die Konsistenz des Eau de Parfums ist dabei ausgesprochen durchlässig, größtenteils luftig sowie leicht pudrig-körnig (die Formel listet Irisersatzstoffe, Heliotropin und verschiedene Moschusderivate auf). All das erzeugt bei mir einen überwiegend molekülartig-artifiziellen Geruchscharakter, bei dem in der Abstrahlung auf meiner Haut v.a. der typische, leicht stechende, kühlseifig-metallische, dezent säuerliche Aldehyd-Geruch der klassischen Aldehydgruppe C7-12 dominiert. Dass mich dieser Ton beim Tragen kaum stört, liegt an der Laurent-typisch filigranen und zurückhaltenden Abstimmung (diese wirkt allerdings nur in der Eigenwahrnehmung so, faktisch projiziert er - wie häufig von Moleküldüften gewohnt - enorm! - bei ebenso guter Haltbarkeit). Allerdings erreicht der Duft aus meiner Sicht trotzdem nicht die zweite Intention Laurents, nämlich der des Aufbrechens der weithin vorherrschenden Überzeugung einer qualitativen und geruchlichen Unterlegenheit synthetischer Duftstoffe gegenüber natürlichen. Sie wollte nämlich zeigen, dass ein durch und durch synthetisches Parfum genauso gut riechen kann wie ein mit natürlichen Inhaltsstoffen versetztes (die hier verwendeten sind der Natur identisch nachgebildete, von ihr inspirierte und von ihr völlig unabhängige). Zudem sollte es sinnlich und menschlich wirken. Ihre Bemühungen sind spürbar (nach eigenen Angaben hat sie über dreihundert Versuche bis zur endgültigen Formel benötigt), aber für mich riecht ‚L’Heure Perdue’ letztlich zu artifiziell, zu technisch und damit zu wenig lebendig und menschenzugewandt. Eingesetzt wurden für dieses erste komplett synthetische Parfum der Marke übrigens genau 23 Moleküle, die bei Interesse auf der Seite von Les Nez nachzulesen sind (auparfum.bynez.com/au-coeur-de-l-heure-perdue-de-la-coumarine-aux-methylionones,4078).
Der Einsatz dieser Anzahl wirft auch ein Schlaglicht auch die oft sehr irreführende Handhabung offizieller Notenangaben. Die Marke listet nämlich ausschließlich Vanillin auf. Eine Dominanz dieses Moleküls, welches durch die singuläre Notenangabe suggeriert wird und laut Laurent im Mittelpunkt der Komposition steht, ist für mich allerdings nicht nachvollziehbar. Es ist allenfalls unterschwellig existent. Zumindest auf meiner Haut entwickelt der Duft kaum Süße. Auch auf Textil und Papier bleibt nur eine Ahnung davon zurück. Selbst laktotische Eindrücke, wie von Laurent wohl beabsichtigt, vermisse ich. Auf dieser Plattform wird der Duft jedoch als hauptsächlich süß charakterisiert. Ob diese Einordnung durch die offizielle Notenangabe beeinflusst ist oder mit einer Reformulierung zusammenhängt, wie es in verschiedenen Foren diskutiert wird, kann ich nur vermuten. Dort wird bei aktuellen Batches z.T. von einem erheblich luftigeren, leicht muffigen und dtl. weniger süßen Geruchsbild als bei früheren Versionen gesprochen. Das korreliert mit meinen Eindrücken und würde auch den Einsatz von Aldehyden plausibler erscheinen lassen, die in der Ursprungsformel nicht enthalten sind.
Evtl. erklärt das auch, weshalb der Duft verschieden eingeordnet wird. In einigen Quellen wird er als Gourmand geführt, in anderen als Amberduft. Für mich persönlich ist er ein Aldehydduft mit leicht brotig-würziger Ausrichtung. Insofern könnte ich mich am ehesten mit der Kategorie des Gourmands arrangieren, aber nur unter dem Zusatz „abstrakt“. Dieses Merkmal würde wiederum gut zur unkonventionellen Duftsprache der L’Heures-Reihe und der eher intellektuell-kreativen Herangehensweise Laurents passen, die gewohnten Dufteindrücken gern neue Facetten abgewinnt.
Interessant fand ich bei der Recherche zu diesem Duft zudem, dass die Parfümeurin - neben der erwähnten Ehrenrettung synthetischer Duftstoffe - einen Duft kreieren wollte, der an jene des 19.Jh. erinnern soll. Dafür nutzte sie ausschließlich Inhaltsstoffe, die im 19. und 20. Jh. entwickelt wurden. Er erfüllt dieses Ziel in gewisser Weise, denn durch die Mischung aus Kernseifenassoziation und künstlicher Aura wirkt er auf mich sowohl nuanciert retroesk als auch zart avantgardistisch.
Fazit:
‚L’Heure Perdue’ ist ein sehr eigenständiger, aparter Duft mit innovativem Konzept, bei dem ich mir zur Abdämpfung des etwas zu künstlichen Eindrucks lediglich die Beigabe von ein paar natürlichen Duftstoffen gewünscht hätte. Aber damit wäre die spannende Grundidee auf den Kopf gestellt. Insofern bleibt bei mir ein leicht zwiespältiges Gefühl zurück.
16 Antworten
In the mood for 22 bergamots
Immer wenn ich Bergamotte-zentrierte Düfte sehe, muss ich sie testen. Zitrusdominante Düfte sind meine absolute Komfortzone. So fiel mir unlängst dieser Duft der bayrischen Automarke BMW auf, die ich bisher noch nicht mit Parfums in Verbindung gebracht hatte. Kein Wunder, denn sie lancierte erst im Frühjahr diesen Jahres ihre ersten beiden. Damit folgt sie anderen Automarken, die in den letzten Jahren vermehrt das lukrative Geschäft der Fine Parfumery entdeckt haben. Qualitativ erhält man dabei sehr unterschiedliche Ergebnisse. Überzeugen konnten mich bisher nur einige der Ferrari-Düfte. Überraschender- und erfreulicherweise gilt dies auch für 'Bergamood' (leider nicht für 'Amberness', den zweiten Duft der Marke).
Duftcharakter:
Wie andere Automarken auch, geht BMW kein Risiko ein und ließ von Frank Voelkl und Alexandra Monet einen cleanen und sehr umgänglichen Zitrusduft entwerfen. Er konzentriert sich stark auf die überwiegend natürlich wirkende Bergamottenote und unterfüttert sie - meinem Eindruck nach - mit einer umsichtig dosierten Ambrox-Moschus-Kombination. Mich erinnert das im Geruchsbild sehr stark an Le Labos 'Bergamote 22' und zwar so sehr, dass ich sie als Duftzwillinge bezeichnen würde. Beide sind Bergamottedüfte auf einer etwas künstlich anmutenden, holzig-cremigen Moschus-Basis. Im Vergleich erscheint der Amerikaner ein wenig dichter, im Moschuston "animalischer" (wenn auch sehr zurückhaltend darin) und insgesamt wertiger, aber der Deutsche fällt nicht deutlich ab. Er zeigt sich etwas ausgedünnter bzw. durchlässiger und leichter, sowie in der Moschusnote weniger „unrein“ und „animalisch“ - diese Eigenschaft ist hier wirklich nur marginal merkbar -, was mir beides persönlich sogar besser gefällt. Dabei ist die Bergamottenote nicht ganz so schön saftig getroffen, was evtl. durch den minimalen Einsatz von Ethylmaltol kaschiert werden soll, der der Note eine leicht prickelnde Fruchtsüße verleiht. Der Holzton wirkt beim BMW-Duft etwas spanplattenhaft, da zeigt sich der Le Labo qualitativ ambitionierter. Der Moschus ist etwas weniger angedickt und das Ambrox weniger duschgelhaft gehalten. Auch die leichte Krautigkeit des Vorbilds ist gedimmt worden, wodurch er sich - unterstützt durch den cleaneren Moschus - etwas sauberer anfühlt. Mich stört trotzdem - wie beim Le Labo-Duft - die cremige Unterfütterung etwas zu sehr, so dass er für mich nicht als Kaufkandidat in Frage kommt. Bei einem zurückhaltenderen Einsatz der Basis wäre er es gewesen.Haltbarkeit und Sillage:
Beides befindet sich im überschaubaren Bereich. Der Le Labo-Duft hält länger und projiziert deutlich wahrnehmbarer, was aus meiner Sicht ein Hinweis auf dessen höhere Qualität der sehr ähnlichen Inhaltsstoffe ist.Fazit:
Wer 'Bergamote 22' schätzt, aber die Preispolitik der Marke - wie ich - nicht unterstützen möchte, kann sich guten Gewissens dem BMW-Duft zuwenden. Das fast duftgleiche Eau de Parfum gibt es etwa zum Viertelpreis. Wem die Außenwirkung jedoch sehr wichtig ist (im Sinne von „wahrgenommen werden“), sollte zum Le Labo-Duft greifen. Davon abgesehen eine - vor allem zu diesem Preis - sehr gelungene Bergamotte-Alternative auf dem Markt.
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