10.08.2024 - 09:06 Uhr

ElAttarine
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ElAttarine
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35
Zauberweihrauch, Wüstenwesen, Feuergeborene
„Sonnenbeschienene Wadiwände schoben sich hervor- und zurücktretend immer tiefer in unbekannte Fernen. Durchblicke wurden frei auf bizarre Wölbungen, Risse und Höhlungen im Abhang, nicht anders als die feenhaften Formen der alten Städte und Burgen auf dessen Vorsprüngen. Allerlei merkwürdige Dinge waren uns in letzter Zeit zu Ohren gekommen. Die Stadt der Magierinnen sollte dort anzutreffen sein, alle in Schwarz und Silber und ebenso schön wie gefährlich. Auch vor dem Tal ohne Wiederkehr hatte man uns gewarnt. Es sei deswegen so verlassen, weil alle, die sich dort hinein begäben, in einer anderen, längst vergangenen Zeit wieder heraus kämen, verloren für immer. Und überhaupt sei es nicht ratsam, zu weit nach Osten zu ziehen, ins Leere Viertel, denn dort gäbe es noch Dschinns und Feuergeborene.“
So beschreibt Jens Petersen, ein Großonkel von mir, die Region der Weihrauchkarawanen im heutigen Oman und Jemen. Als er 1965 als junger Mann diese Reise durch ein bis dahin verbotenes Land antrat, war ihm das Wagnis seines Vorhabens bewusst. Vorher hatte er als Grafiker in Algerien gearbeitet und Arabisch gelernt, bevor er in die Wüste aufbrach, wo er halbkriminellen, gefährlichen und vollends unerklärlichen Dingen begegnete. Er kehrte zurück, aber als ein anderer, schloss weitere lange Reisen nach Mexiko und Guatemala an und wurde Künstler.
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Wenn ich mich in diesen Duft hineinbegebe und mich ihm überlasse, lande auch ich in einer anderen, längst vergangenen Zeit…
Der antike Weihrauchhafen Samharam liegt im heutigen Oman neben der Lagune Khor Rhori in der Region Dhofar. Leider war ich noch nie dort. In der Antike befand sich hier noch eine flache, offene Meeresbucht. Sie bot guten Schutz vor Piratenangriffen. Erbaut wurde der Hafen Samharam im 2. Jahrhundert n. Chr., als die Region noch zum jemenitischen Königreich Hadramaut gehörte. Schon im späten 4. Jahrhundert v. Chr. hatte der Herrscher von Shabwa hier die größte Kolonialsiedlung der Hadrami in Dhofar angelegt. Es war eine wehrhafte Festung, die dann später den eigenen Hafen bekam. Hintergrund der Kolonialisierung war der florierende Weihrauchhandel, den die Herrscher Hadramauts unter ihre Kontrolle zu bringen versuchten.
Von Samharam aus wurden Weihrauch und Myrrhe nach Jemen und anschließend weiter über das Rote Meer nach Norden verschifft. Volkstümlich wird die heute noch zu besichtigende Ausgrabungsstätte auch als Palast der Königin von Saba (Sheba) bezeichnet, die aber sehr viel früher lebte.
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Zauberweihrauch… jahrtausendealt… archaisch… ich atme ein... wo und wann bin ich? Ein Duft, der in die Tiefen der Seele reicht, myrrhebitter und doch benzoeweich. Es ist, als sitze ich vor uralten Zeiten an einem Feuer, und bei mir, im flackernden Licht der Flammen, kann ich ihre Präsenz spüren: Wüstenwesen, Geister, Djinns, Feuergeborene…
Samharam, der Duft, ist im Grunde ganz einfach aufgebaut. Es sind auch nur drei Noten angegeben: Weihrauch, Myrrhe, Benzoe. Er beginnt fast harsch mit sehr typisch somalischem harzigem Weihrauch von sehr authentischer und guter Qualität, leicht scharf-medizinisch - ich assoziiere hier sofort arabische Rauchwarenläden, vor deren Tür immer etwas vor sich hin räuchert und kokelt, und in denen es beim Betreten genau so – leicht medizinisch-harzig und für mich sehr geheimnisvoll – riecht. Dazu kommt deutliche bittere Myrrhe. Benzoe lässt sich etwas Zeit, fügt aber dann eine leicht süße und hier erstaunlich trockene „wüstige“ Note hinzu.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie diese Duftmischung die Karawanen begleitete, die vom Jemen und aus Somalia zu den Weihrauchhäfen und durch die Wüsten zogen. Und am Abend brennen die Feuer und werfen flackernde Lichter auf die Gesichter der Kamelführer… Und wer sich aus dem Kreis der Feuer hinausbewegt, wer weiß, welche Wesen er da wartend antrifft…
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Jens Petersen: Das Halbmondamulett. 200 Tage in den Gegenden rechts des Verweilens. 2014. (Neuauflage 2019 mit dem Untertitel: 200 Tage im alten Jemen)
Ein Teil der Informationen zum antiken Samharam findet sich unter
https://www.oman.de/landeskunde/archaeologie-ausgrabungen-oman/samharam-weihrauchhafen-unesco/
Der Sound dazu:
Sahalé: https://www.youtube.com/watch?v=X4gR8lRQGQs
So beschreibt Jens Petersen, ein Großonkel von mir, die Region der Weihrauchkarawanen im heutigen Oman und Jemen. Als er 1965 als junger Mann diese Reise durch ein bis dahin verbotenes Land antrat, war ihm das Wagnis seines Vorhabens bewusst. Vorher hatte er als Grafiker in Algerien gearbeitet und Arabisch gelernt, bevor er in die Wüste aufbrach, wo er halbkriminellen, gefährlichen und vollends unerklärlichen Dingen begegnete. Er kehrte zurück, aber als ein anderer, schloss weitere lange Reisen nach Mexiko und Guatemala an und wurde Künstler.
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Wenn ich mich in diesen Duft hineinbegebe und mich ihm überlasse, lande auch ich in einer anderen, längst vergangenen Zeit…
Der antike Weihrauchhafen Samharam liegt im heutigen Oman neben der Lagune Khor Rhori in der Region Dhofar. Leider war ich noch nie dort. In der Antike befand sich hier noch eine flache, offene Meeresbucht. Sie bot guten Schutz vor Piratenangriffen. Erbaut wurde der Hafen Samharam im 2. Jahrhundert n. Chr., als die Region noch zum jemenitischen Königreich Hadramaut gehörte. Schon im späten 4. Jahrhundert v. Chr. hatte der Herrscher von Shabwa hier die größte Kolonialsiedlung der Hadrami in Dhofar angelegt. Es war eine wehrhafte Festung, die dann später den eigenen Hafen bekam. Hintergrund der Kolonialisierung war der florierende Weihrauchhandel, den die Herrscher Hadramauts unter ihre Kontrolle zu bringen versuchten.
Von Samharam aus wurden Weihrauch und Myrrhe nach Jemen und anschließend weiter über das Rote Meer nach Norden verschifft. Volkstümlich wird die heute noch zu besichtigende Ausgrabungsstätte auch als Palast der Königin von Saba (Sheba) bezeichnet, die aber sehr viel früher lebte.
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Zauberweihrauch… jahrtausendealt… archaisch… ich atme ein... wo und wann bin ich? Ein Duft, der in die Tiefen der Seele reicht, myrrhebitter und doch benzoeweich. Es ist, als sitze ich vor uralten Zeiten an einem Feuer, und bei mir, im flackernden Licht der Flammen, kann ich ihre Präsenz spüren: Wüstenwesen, Geister, Djinns, Feuergeborene…
Samharam, der Duft, ist im Grunde ganz einfach aufgebaut. Es sind auch nur drei Noten angegeben: Weihrauch, Myrrhe, Benzoe. Er beginnt fast harsch mit sehr typisch somalischem harzigem Weihrauch von sehr authentischer und guter Qualität, leicht scharf-medizinisch - ich assoziiere hier sofort arabische Rauchwarenläden, vor deren Tür immer etwas vor sich hin räuchert und kokelt, und in denen es beim Betreten genau so – leicht medizinisch-harzig und für mich sehr geheimnisvoll – riecht. Dazu kommt deutliche bittere Myrrhe. Benzoe lässt sich etwas Zeit, fügt aber dann eine leicht süße und hier erstaunlich trockene „wüstige“ Note hinzu.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie diese Duftmischung die Karawanen begleitete, die vom Jemen und aus Somalia zu den Weihrauchhäfen und durch die Wüsten zogen. Und am Abend brennen die Feuer und werfen flackernde Lichter auf die Gesichter der Kamelführer… Und wer sich aus dem Kreis der Feuer hinausbewegt, wer weiß, welche Wesen er da wartend antrifft…
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Jens Petersen: Das Halbmondamulett. 200 Tage in den Gegenden rechts des Verweilens. 2014. (Neuauflage 2019 mit dem Untertitel: 200 Tage im alten Jemen)
Ein Teil der Informationen zum antiken Samharam findet sich unter
https://www.oman.de/landeskunde/archaeologie-ausgrabungen-oman/samharam-weihrauchhafen-unesco/
Der Sound dazu:
Sahalé: https://www.youtube.com/watch?v=X4gR8lRQGQs
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