15.12.2024 - 01:14 Uhr

Parma
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Parma
Top Rezension
19
Captive
Ich bin gefangen von diesem Duft. Vereinnahmt und beglückt. Eine Zufallsbekanntschaft aus Manchester, die bleibt.
So wie ich von diesem Duft „gekidnappt“ wurde, hat der Begriff „captive“ noch eine andere, parfümspezifische Bedeutung. Zum ersten Mal begegnete er mir in einem Interview der Parfümeurin Marypierre Julien zu diesem Duft. Dort betont sie die Verwendung sogenannter „captives“ in großer Zahl. Gemeint sind damit von einem Dufthersteller patentierte Riechstoffe - natürliche wie auch teil- und vollsynthetische -, die von diesem entwickelt und exklusiv verwendet werden. Das schützt sie vor Fremdgebrauch und sichert den Düften, in denen sie verwendet werden, eine gewisse geruchliche Eigenständigkeit. Zu erkennen sind sie in den Duftpyramiden am ®-Zeichen. In der Regel können sich allerdings nur die großen Duftherstellerfirmen die teuren Patente (mit der davor liegenden Entwicklung des Riechstoffs) leisten. Teilweise werden diese nach einiger Zeit verkauft und die Bestandteile für den ganzen Markt verfügbar. Einer der aktuell bekanntesten "captives" ist sicherlich der Givaudan-Riechstoff ‚Akigalawood‘. Jener ist auch ein gutes Beispiel für die in der Regel duftprägenden Eigenschaften dieser Bestandteile. Zum Glück - zumindest aus meiner Sicht - ist das bei ‚Figue Blanche‘ nicht der Fall. Dafür sind sie zurückhaltend genug dosiert. Aufgelistet werden deshalb (konsequenterweise?) auch keine in der Duftpyramide. Der Inhaltsstoff daraus, von dem man annehmen könnte, dass er ein „captive“ sei, nämlich ‚Ambrettolide‘, ist übrigens keiner, denn ihn gibt es schon seit den 50er Jahren des letzten Jahrtausends, und er steht seitdem zur freien Verfügung.
Verbunden zu sein scheint das Ganze durch den Riechstoff ‚Ambrettolide‘, der - zu meinem Erstaunen - keine synthetische Nachbildung der Ambrettenote ist (er macht nur etwa 10% des Ambretteölprofils aus, Quelle Wikipedia), sondern nur seine moschige Teilausprägung. Es fehlt die typische Pudercharakteristik. Statt dessen ist ihm ein süßlich-beerigfruchtiger Unterton zu eigen (Quelle: thegoodscentcompany). Diese Fruchtfacette unterstützt vor allem die mandarinig-feigigen Eigenschaften. Der Moschusanteil ist dabei nicht als „typischer“ Moschus erkennbar, der dem Duft eine cremige, dichtere Grundierung verschafft, sondern als ein durchlässiger, seidiger, der nach Tagen auf dem Teststreifen einen hochwertig riechenden, zart süßlichen „Seidenmoschus“ hinterlässt. Dieser ist so allerdings beim Tragen für mich nicht merkbar. Deutlich mehr im Fokus stehen die scharfe Bergamottezitrik, der geruchlose Pfeffer und die vermutete Ambranote, die als Gegenpol einen fizzigen, fast rasierwasserartig-duschgeligen Ton entwickeln, der durch die Fruchtigkeit aber genügend gedämpft wird. Dadurch erreicht der Duft ein schönes Gleichgewicht zwischen fruchtsüßer Weichheit und leicht scharfer Frische. Gemeinsam ist beiden Polen eine starke Sauberkeit.
Mich erinnert er auch immer etwas an Creeds ‚Virgin Island Water’, wenngleich sich dort die Kokosnote deutlich prägnanter und die Süße intensiver zeigt. ‚Figue Blanche‘ atmet etwas frischer, spritziger und leichter. Klischeehaft könnte man von italienischer Lebensfreude im Flakon sprechen, vom „süßen Nichtstun und guten Leben“, wie es die Parfümeurin im Interview als ihre Inspiration für diesen Duft erwähnt. Abstimmung und Verblendung der Noten unterstützen diesen Eindruck, denn sie sind aus meiner Sicht außergewöhnlich gut gelungen und tragen, wie die hohe Qualität der Inhaltsstoffe, entscheidend zum Reiz des Duftes bei. Vor allem die Fruchtnote ist durchgängig à point saftig, aber nie zu süß oder drängend werdend. Er strahlt dadurch eine enorme Selbstverständlichkeit aus, wirkt feinnervig, casual-elegant und erhält von mir nur aus dem Grund keine 9er- oder 10er-Wertung, weil er wenig Raum für Phantasie lässt. Dazu ist er zu sehr funktionelles Parfum. Ich bewundere aber seine perfekte Konstruktion und das unheimlich angenehme Tragegefühl. Das sehr gefällige, unkomplizierte Profil lässt ihn dabei deutlich dem Mainstream zuneigen, hebt sich aber durch das genannte Niveau davon ab. Gefühlt ist es ein Duft, der auch in den 00er-Jahren dieses Jahrtausends von einem Designerhaus in seiner exklusiven Reihe - wie z.B. der Les Eaux-Reihe der Armani Privés - hätte veröffentlicht werden können. Die synthetische Anlage ist deutlich spürbar, aber weit entfernt von durchschlagenden Aromachemical-Verbrechen der 10er- und 20er-Jahre.
So wie ich von diesem Duft „gekidnappt“ wurde, hat der Begriff „captive“ noch eine andere, parfümspezifische Bedeutung. Zum ersten Mal begegnete er mir in einem Interview der Parfümeurin Marypierre Julien zu diesem Duft. Dort betont sie die Verwendung sogenannter „captives“ in großer Zahl. Gemeint sind damit von einem Dufthersteller patentierte Riechstoffe - natürliche wie auch teil- und vollsynthetische -, die von diesem entwickelt und exklusiv verwendet werden. Das schützt sie vor Fremdgebrauch und sichert den Düften, in denen sie verwendet werden, eine gewisse geruchliche Eigenständigkeit. Zu erkennen sind sie in den Duftpyramiden am ®-Zeichen. In der Regel können sich allerdings nur die großen Duftherstellerfirmen die teuren Patente (mit der davor liegenden Entwicklung des Riechstoffs) leisten. Teilweise werden diese nach einiger Zeit verkauft und die Bestandteile für den ganzen Markt verfügbar. Einer der aktuell bekanntesten "captives" ist sicherlich der Givaudan-Riechstoff ‚Akigalawood‘. Jener ist auch ein gutes Beispiel für die in der Regel duftprägenden Eigenschaften dieser Bestandteile. Zum Glück - zumindest aus meiner Sicht - ist das bei ‚Figue Blanche‘ nicht der Fall. Dafür sind sie zurückhaltend genug dosiert. Aufgelistet werden deshalb (konsequenterweise?) auch keine in der Duftpyramide. Der Inhaltsstoff daraus, von dem man annehmen könnte, dass er ein „captive“ sei, nämlich ‚Ambrettolide‘, ist übrigens keiner, denn ihn gibt es schon seit den 50er Jahren des letzten Jahrtausends, und er steht seitdem zur freien Verfügung.
Geruchsprofil:
‚Figue blanche‘ ist ein unheimlich gefälliger, frischer, lebendiger, zitrischer Feigen-Duft. Wunderbar saftig mandarinig, gleichzeitig scharf zitrisch und fruchtig-feigig mit einem prickelnden Unterton, der ein bisschen an Kohlensäure in Erfrischungsgetränken erinnert. Dieser wird eventuell durch einen geruchslosen Pfeffer und nicht genannte „captives“ hervorgerufen. Hinzu kommt eine leicht mineralische Nuance, die zarte Duschgel- und Rasierwassercharakteristiken aufweist. In sehr wertiger, eleganter Ausführung. Dieser Effekt ist vermutlich auf einen synthetischen Ambra-Stoff (‚Ambrofix‘ von Givaudan) zurück zu führen, der sich angenehm zurückhaltend zeigt. Der Feigenton wird zur Mitte des Duftes hin etwas präsenter und bildet meinem Empfinden nach das Herz des Duftes, ohne ihn allerdings zu beherrschen. Es ist eine reife, fruchtsüße Feige - aber nicht aromachemisch beschwert wie einige der neueren Nischen-Feigen -, deren grüne und holzigen Nuancen nur ansatzweise vernehmbar sind. Ebenso wie ein zart cremiger Kokoston, der dem Duft eine leichte Exotik verleiht. Er ist verwandt mit geglätteten, designerorientierten Feigenbildern eines ‚Aqua Sextius’, weniger mit solch authentischen eines ‚Philosykos’ oder ‚Premier Figuier’. Verbunden zu sein scheint das Ganze durch den Riechstoff ‚Ambrettolide‘, der - zu meinem Erstaunen - keine synthetische Nachbildung der Ambrettenote ist (er macht nur etwa 10% des Ambretteölprofils aus, Quelle Wikipedia), sondern nur seine moschige Teilausprägung. Es fehlt die typische Pudercharakteristik. Statt dessen ist ihm ein süßlich-beerigfruchtiger Unterton zu eigen (Quelle: thegoodscentcompany). Diese Fruchtfacette unterstützt vor allem die mandarinig-feigigen Eigenschaften. Der Moschusanteil ist dabei nicht als „typischer“ Moschus erkennbar, der dem Duft eine cremige, dichtere Grundierung verschafft, sondern als ein durchlässiger, seidiger, der nach Tagen auf dem Teststreifen einen hochwertig riechenden, zart süßlichen „Seidenmoschus“ hinterlässt. Dieser ist so allerdings beim Tragen für mich nicht merkbar. Deutlich mehr im Fokus stehen die scharfe Bergamottezitrik, der geruchlose Pfeffer und die vermutete Ambranote, die als Gegenpol einen fizzigen, fast rasierwasserartig-duschgeligen Ton entwickeln, der durch die Fruchtigkeit aber genügend gedämpft wird. Dadurch erreicht der Duft ein schönes Gleichgewicht zwischen fruchtsüßer Weichheit und leicht scharfer Frische. Gemeinsam ist beiden Polen eine starke Sauberkeit.
Mich erinnert er auch immer etwas an Creeds ‚Virgin Island Water’, wenngleich sich dort die Kokosnote deutlich prägnanter und die Süße intensiver zeigt. ‚Figue Blanche‘ atmet etwas frischer, spritziger und leichter. Klischeehaft könnte man von italienischer Lebensfreude im Flakon sprechen, vom „süßen Nichtstun und guten Leben“, wie es die Parfümeurin im Interview als ihre Inspiration für diesen Duft erwähnt. Abstimmung und Verblendung der Noten unterstützen diesen Eindruck, denn sie sind aus meiner Sicht außergewöhnlich gut gelungen und tragen, wie die hohe Qualität der Inhaltsstoffe, entscheidend zum Reiz des Duftes bei. Vor allem die Fruchtnote ist durchgängig à point saftig, aber nie zu süß oder drängend werdend. Er strahlt dadurch eine enorme Selbstverständlichkeit aus, wirkt feinnervig, casual-elegant und erhält von mir nur aus dem Grund keine 9er- oder 10er-Wertung, weil er wenig Raum für Phantasie lässt. Dazu ist er zu sehr funktionelles Parfum. Ich bewundere aber seine perfekte Konstruktion und das unheimlich angenehme Tragegefühl. Das sehr gefällige, unkomplizierte Profil lässt ihn dabei deutlich dem Mainstream zuneigen, hebt sich aber durch das genannte Niveau davon ab. Gefühlt ist es ein Duft, der auch in den 00er-Jahren dieses Jahrtausends von einem Designerhaus in seiner exklusiven Reihe - wie z.B. der Les Eaux-Reihe der Armani Privés - hätte veröffentlicht werden können. Die synthetische Anlage ist deutlich spürbar, aber weit entfernt von durchschlagenden Aromachemical-Verbrechen der 10er- und 20er-Jahre.
Haltbarkeit und Sillage:
Beides liegt meinem Empfinden nach im durchschnittlichen Bereich. Der Duft hält einen Tag und ich kann ihn - bis auf die letzten Stunden - ohne Mühe angenehm präsent wahrnehmen. In Räumen, wo ich mich aufgehalten habe, hinterlässt er eine sehr zarte, einnehmend frische und leicht fruchtige Aura.Preis:
Erhältlich ist der Duft ausschließlich im 100ml-Format. Aufgerufen werden dafür 345€. Für mein Dafürhalten ist das jenseits von Gut und Böse. Damit liegt er knapp unter dem Preis der Cartier Les Heures-Reihe und etwa 40€ über den Chanel Exclusifs, die künstlerisch in einer anderen Liga spielen und aus meiner Sicht ebenfalls schon überteuert sind. Von den Inhaltsstoffen und vom Duftprofil her ist er ein sehr guter Designerduft und durchaus einer exklusiven Reihe würdig, aber die Hälfte des Preises hielte ich - nach aktuellen Standards - für angemessen. Zum Glück wurde er vor Kurzem noch auf ein paar Plattformen in dem Rahmen angeboten.Fazit:
Wer qualitativ hochwertige, moderne, designerorientierte, zitrisch-fruchtige Düfte mit einem leicht exotischen Einschlag (hier: Feige) und die cologneartige Duftsprache der Armani Privés Les Eaux-Reihe mag, sollte den Duft aus meiner Sicht unbedingt testen. Er ist außergewöhnlich stimmig komponiert und unheimlich gefällig, ohne sich anzubiedern. Ein wunderbarer Sommerduft. Den Originalpreis würde ich dafür - bei aller Liebe - allerdings nicht bezahlen.
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