Obwohl ich schon lange aus dem typischen Alter der Blaupause eines Eros-Trägers heraus bin, mag ich die unverwechselbare Eros-DNA einfach sehr gerne. Ob dies von einer nostalgischen Verbundenheit, einer vermeintlichen Verschrobenheit, die ich als linientreuer Parfumträger zum Ende seiner 30er schon längst hätte ablegen müssen, um mich nach verbreiteter Meinung berechtigterweise als erwachsen und gereift bezeichnen zu dürfen, oder von mir aus auch aus reiner Geschmacklosigkeit herrührt ist mir genau so egal, wie das fragwürdige und immer wieder vernommene Klischee der ethnischen Herkunft des angeblichen Großteils seiner Träger.
Dass Versace hier einen Duft auf den (zunächst arabischen) Markt wirft, der letzteres, wahrscheinlich unliebsames Klischee gemäß dem Leitsatz „Angriff ist die beste Verteidigung“ aufgreift, hat mich zunächst stutzig werden lassen, dennoch war ich aber interessiert, was man daraus gemacht hat. Mangels Zugang zum arabischen Markt musste ich mich jedoch zunächst in Geduld üben, da ich das traditionelle Geschäft einiger blutsaugender Reseller-Geier nicht unterstützen wollte. Nun ist er auch in Europa erhältlich und durch die Kombination eines konkurrenzlos günstigen flaconi’schen Angebotes und einem dazu passenden Coupon ist der 100ml Flakon für eine lächerliche Ablösesumme von knapp über 70€ und damit ohne weitere Verschwendung von Gedanken an Fürs und Widers bei mir eingezogen.
Vor dem Erstkontakt mit dem Eros Najim habe ich mich über die beiliegende Probe des
Guilty Absolu de Parfum pour Homme hergemeacht - ein großer Fehler, wie sich in der Rückbetrachtung herausgestellt hat, denn dieser hat die Anmutung eines brennenden Autoreifens, den man zuvor in
Le Mâle Eau de Toilette als Brandbeschleuniger getränkt hatte. Ohne es zu bemerken hat er mir damit temporär wahrscheinlich sämtliche Riechrezeptoren für feinere Düfte betäubt. In Unkenntnis von diesem Handicap fiel mein erstes Urteil über den Eros durchwachsen aus: Ich erkannte zunächst nur eine deutliche Mandarine, ähnlich der des
Eros Flame und im Hintergrund eine sehr markante würzig-grüne Note, die Quelle für die erwartete Orientalik war, gleichzeitig aber auch in eine deutlich maskuline Richtung wies. Ich fühlte ich mich an
Sauvage Elixir oder "Asad / أسد | Lattafa / لطافة" erinnert - für die ich aber keine Vorliebe hege - bloß mit einem kräftigen Spritzer dieser intensiven Mandarine. Warme Anklänge der Eros-Basis, die man bei seinen Brüdern bereits in der Kopfnote erahnt, waren nicht zu erkennen - ein herber Rückschlag für mich und meine Vorfreude auf ebendiese. Weder auf Papier, noch auf Haut oder Textil, nicht nach weiteren Stunden und trotz Gucci-Dekontamination war in meinem Zustand Eros zu vernehmen. Ich war enttäuscht.
Natürlich wollte ich es tags drauf nicht wahr haben und versuchte es erneut. Über Nacht hatte sich meine Nase entweder von ihrem Gucci-Kater erholt oder war zumindest nicht mehr so beleidigt wie am Vortag und hatte darüber ihren Streik eingestellt. Und da war er dann - anders, ganz anders sogar, aber unverkennbar ein Bruder von Eros. Fruchtig-warm und geschmeidig-süß, aber nicht pappsüß wie das
Eros Eau de Toilette , sondern fein durchzogen von einem dosierteren grünen Einschlag als beim Erstkontakt. Ein erwachsener Bruder oder vielleicht sogar das um 13 Jahre gereifte Eros EdT, das den legeren Apfel-Minz-Hoodie abgestreift und gegen ein seriöseres Casual-Sakko aus Kardamom kombiniert mit einem seidig-leichten Oud-Einstecktuch eingetauscht hat. Vom gereiften Start aus entwickelt er sich - durchaus komplex und abwechslungsreich innerhalb seiner Kopf- und Herznoten - über einen Eros-typischen Zeitraum von 6-8 Stunden mit einer Eros-typischen Silage in eine wiederum Eros-typische, wärmer und süßer werdende Richtung, diesmal allerdings auf einem auf Karamell und dezentem Oud basierendem Pfad.
Das Echo zum Eros Najim ist sehr geteilt. Die einen erheben ihn zum besten Eros überhaupt, die anderen ächten ihn als unnötig. Aber kann man das objektiv so sagen? Nein, denn das Definieren derlei Superlative ist bei Parfums ja nunmal von weiteren Faktoren abhängig. Meiner Meinung nach ist Eros Najim keineswegs unnötig, schlägt er doch eine völlig andere Richtung ein, als seine Brüder. Es ist vielleicht unnötig, alle zu besitzen, aber jemand, der sich einen Eros kaufen möchte, kann nun aus einer weiteren, klar abgegrenzten Stilrichtung wählen, die ihm bisher nicht zur Verfügung stand. Der allgemein „beste“ Eros ist aus meiner Sicht sowieso nicht pauschal zu küren, höchstens der alltagssicherste - und das wäre aus meiner Sicht der
Eros Energy, da mir am wenigsten aufdringlich ist und mit seiner diffusen Transparenz auch keine Räume auffüllt. Trotzdem würde ich bei entsprechender Dosierung Eros Najim für Herbst, Winter und während der entsprechenden Übergangszeiten durchaus Alltagstauglichkeit (nicht Bürotauglichkeit!) zusprechen. Zum Ausgehen eignet er sich natürlich auch, seine spezielle Andersartigkeit und sein überraschender und komplexer Verlauf in den Kopf- und Herznoten wird dabei aber wahrscheinlich größtenteils in der Masse untergehen - nicht zuletzt in der Masse seiner Brüder.
Doch was sollte eigentlich das Spektakel rund um die exklusive Einführung im arabischen Markt? Er ist zwar orientalisch geprägt, aber ehrlich gesagt werden sich arabische Nasen über den Duft wahrscheinlich totlachen, denn er ist keineswegs so massiv, wie es arabische Düfte üblicherweise sind. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass all das ein Marketing-Move gewesen ist, einen für den europäischen Raum konzipierten Duft interessanter zu machen und vorab durch künstliche Verknappung seine Exklusivität zu steigern - gefolgt von einem Preisaufschlag auf dem hiesigen Markt, der im Vergleich zu den anderen Eros-Düften so markant ausfällt, wie der Duft hätte ausfallen müssen, um dem ganzen orientalischen Tamtam, der offenbar um ihn herum konstruiert wurde, gerecht zu werden. Das hat für mich einen bitteren Beigeschmack - auch weil diese vermeintliche Strategie mein persönliches Interesse geweckt hatte.
Insgesamt ist Eros Najim ein Duft mit Höhen und Tiefen, wobei seine Tiefen eher in der fragwürdigen Vermarktung zu finden sind. Er versucht schon etwas Neues, wagt sich dabei aber nicht zu sehr aus seiner eigenen Komfortzone. Für sein Geld bekommt man durchaus etwas an Haltbarkeit und Silage geboten, aber wer eine schwere Oud-Würzbombe erwartet würde enttäuscht werden. Ich hatte trotz vorheriger Recherche etwas anderes erwartet, bin am Ende aber dennoch nicht enttäuscht worden. Zu Superlativen lasse ich mich trotzdem nicht verleiten und ob ich knapp 80€ für den 50ml-Flakon ausgeben würde, muss ich zum aktuellen Zeitpunkt auch noch offen lassen. Ich werde ihn auch nicht jeden Tag mit vollster Begeisterung tragen, aber vermutlich immer wieder mal mit ehrlicher Freude über die Abwechslung, die er einem bietet. Fakt ist, dass der, der Image und Klischee das Reihe anhaftet, wegignorieren kann und dem zum Trotze gerne trägt, in Eros Najim eine willkommene Abwechslung finden wird. Allen, die bisher noch nicht ihren persönlichen Eros gefunden haben, haben jetzt einen Kandidaten mehr zur Auswahl und eine neue Chance, fündig zu werden. Den klischeehörigen Rudeltieren hingegen wird er wahrscheinlich einfach egal sein, selbst dann, wenn sie ihn insgeheim doch mögen und ihnen bloß eine innere Stimme ein Verbot ausspricht.