30.06.2021 - 12:45 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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29
Im Colognisten-Café: Wohlbefinden
Bien-Etre Eau de Cologne Naturelle 70* weist als Inhaltsstoffe hier bei Parfumo fast denselben Fünfklang auf wie das klassische 4711, nur dass - die vielleicht häufigsten Notenverschiebung im traditionellen Kölnischwasser-Bereich - Neroli durch das gefälligere, heiterere Petitgrain substituiert wurde. In einer anderen Duftnotenangabe, die ich zu Bien-Etre Naturelle 70 gefunden habe, fehlt Lavendel und es ist noch Moschus angegeben, was plausibel erscheint.
Da jeder weiß, wie 4711 Echt Kölnisch Wasser riecht, soll es hier als Referenz verwendet werden: Bien Etre ist ähnlich, ganz klar- aber doch auch ein gutes Stück eigenständig: Es ist viel weniger schroff und metallisch; milder, sanfter, eindeutig süßer, und nicht nur wegen der gewiss durch Fabrstoffe hervorgerufenen Grünfärbung der Flüssigkeit auch etwas grüner; ich meine einen Hauch Eukalyptus wahrzunehmen, wenn das keine Täuschung ist.
Anders als das traditionelle 4711 und viele andere ähnliche Erzeugnisse dieser Art würde ich dieses Wässerchen nicht empfehlen, um es nach drei Stunden Schlaf mit schlechten Träumen als olfaktorischen doppelten Espresso ins Gesicht zu kippen, und auch nicht als Frische-Shot bei extremer Hitze. Bien-Etre ist nämlich etwas weicher und thermisch wärmer als die meisten "weißen" und "gelben" Colognes.
Damit wäre zum Dufteindruck alles gesagt, aber nicht zum (in Frankreich ikonischen) Produkt. Das von Jean-Claude Ellena herausgegebene Buch "Cologne" (ich habe es im Blog rezensiert) widmet diesem Cologne ein eigenes Kapitel. Es erschien 1962 - die Firma wurde von einem findigen Apotheker aufgebaut - und war aus dem Stand so erfolgreich, dass es mit 2,5 Millionen Flakons jährlich (und zwar Liter- und Halbliterflakons zum Schütten!) zum meistverkauften Duftwasser Frankreichs wurde.
An anderer Stelle habe ich oft geschrieben, dass Colognes früher nicht nur als Duftwasser verwendet wurde, sondern auch als Hygieneprodukt, namentlich, wenn kein fließendes Wasser zur Hand ist. Etwa auf langen Zugreisen im Schlafwagen, für die morgendliche Waschung, oder bei Pausen auf der Autobahn im Sommer, bevor Klimaanlagen im Auto üblich wurden. Oder eben, als es noch kein fließendes Wasser in den Wohnungen gab, um die Kinder mit in Cologne getränkten Tüchern abzureiben. Und das war in Frankreich in den 60-ern noch ganz weitgehend der Fall.
So war und ist, und hier zitiere ich wieder aus dem Buch, Bien-Etre ein Produkt, das eminent mit der Idee französischen Familienlebens verbunden ist; es wird sogar als "Ikone der französischen Popkultur" bezeichnet. Die Frage, ob zur Familientoilette Bien-Etre oder die Konkurrenzmarke Mont St Michel verwendet wurde, entsprach der Frage, ob man mit den Eltern im Peugeot oder in Renault auf Reisen ging.
Ob die Formel verändert wurde, und ob die Firma noch die alte ist oder nur die Marke wiederbelebt wurde, vermag ich nicht zu sagen, jedenfalls ist das Naturelle 70* (das ehemals existierende Schwesterprodukt 85*, mit entsprechend höherem Alkoholanteil, ist verschwunden) noch heute in vielen Internetshops zu bekommen, nebst allerlei wohl neueren Flankern, wenn das Wort bei einem solchen "Nicht-Parfüm" passt.
Wobei... "Nicht-Parfüm"... Man könnte den Eindruck haben, dass solche Wässerchen auch benutzt wurden, um die Kleinen an die Welt der Colognes... oder vielleicht sogar der Parfüms insgesamt heranzuführen!
Im mehrfach zitierten Cologne-Buch ist auch ein historisches Werbeplakat abgebildet, ähnlich dem hier auf Parfumo gezeigten, aber dem Stil nach vielleicht 5 Jahre später geklebt, Ende der 60-er, Anfang der 70-er vielleicht. Darauf zu sehen eine junge französische Mutter, sehr moderat sexy mit um die Brust gebundenen Frotteetuch, schon mit kurzen Haaren im Stil der Zeit, modern wirkend, (aber sicher Georges Pompidou und nicht die unseriösen Sozialisten wählend), wie sie ihrem kleinen blonden Söhnchen, 6 Jahre vielleicht, Bien-Etre aus der Literflasche in die Hände gießt. Der jauchzt, und darunter steht:
Der Frische-Moment der Morgentoilette - Das ist Bien-Etre!
Wir auch, wie die Großen!
Wir mögen den frischen Moment der Morgentoilette! Weil es Bien-Etre ist [oder: Weil es Wohlbefinden ist]! Und dass eine gute Einreibung mit Bien-Entre nach der morgendlichen Wäsche (und auch tagsüber!) ein angenehmes und wunderbares Frischegefühl vermittelt, muss uns Mutti nicht noch einmal sagen.
Und suchen Sie nicht nach dem Grund, warum das Cologne Bien-Etre die ganze Familie anspricht: Es ist das frischeste und natürlichste Cologne überhaupt. Ihr Wohlbefinden ist unbezahlbar. Vor allem, wenn es nur ein paar Centimes pro Tag kostet.
(Erster Besuch im Colognisten-Cafe)
Da jeder weiß, wie 4711 Echt Kölnisch Wasser riecht, soll es hier als Referenz verwendet werden: Bien Etre ist ähnlich, ganz klar- aber doch auch ein gutes Stück eigenständig: Es ist viel weniger schroff und metallisch; milder, sanfter, eindeutig süßer, und nicht nur wegen der gewiss durch Fabrstoffe hervorgerufenen Grünfärbung der Flüssigkeit auch etwas grüner; ich meine einen Hauch Eukalyptus wahrzunehmen, wenn das keine Täuschung ist.
Anders als das traditionelle 4711 und viele andere ähnliche Erzeugnisse dieser Art würde ich dieses Wässerchen nicht empfehlen, um es nach drei Stunden Schlaf mit schlechten Träumen als olfaktorischen doppelten Espresso ins Gesicht zu kippen, und auch nicht als Frische-Shot bei extremer Hitze. Bien-Etre ist nämlich etwas weicher und thermisch wärmer als die meisten "weißen" und "gelben" Colognes.
Damit wäre zum Dufteindruck alles gesagt, aber nicht zum (in Frankreich ikonischen) Produkt. Das von Jean-Claude Ellena herausgegebene Buch "Cologne" (ich habe es im Blog rezensiert) widmet diesem Cologne ein eigenes Kapitel. Es erschien 1962 - die Firma wurde von einem findigen Apotheker aufgebaut - und war aus dem Stand so erfolgreich, dass es mit 2,5 Millionen Flakons jährlich (und zwar Liter- und Halbliterflakons zum Schütten!) zum meistverkauften Duftwasser Frankreichs wurde.
An anderer Stelle habe ich oft geschrieben, dass Colognes früher nicht nur als Duftwasser verwendet wurde, sondern auch als Hygieneprodukt, namentlich, wenn kein fließendes Wasser zur Hand ist. Etwa auf langen Zugreisen im Schlafwagen, für die morgendliche Waschung, oder bei Pausen auf der Autobahn im Sommer, bevor Klimaanlagen im Auto üblich wurden. Oder eben, als es noch kein fließendes Wasser in den Wohnungen gab, um die Kinder mit in Cologne getränkten Tüchern abzureiben. Und das war in Frankreich in den 60-ern noch ganz weitgehend der Fall.
So war und ist, und hier zitiere ich wieder aus dem Buch, Bien-Etre ein Produkt, das eminent mit der Idee französischen Familienlebens verbunden ist; es wird sogar als "Ikone der französischen Popkultur" bezeichnet. Die Frage, ob zur Familientoilette Bien-Etre oder die Konkurrenzmarke Mont St Michel verwendet wurde, entsprach der Frage, ob man mit den Eltern im Peugeot oder in Renault auf Reisen ging.
Ob die Formel verändert wurde, und ob die Firma noch die alte ist oder nur die Marke wiederbelebt wurde, vermag ich nicht zu sagen, jedenfalls ist das Naturelle 70* (das ehemals existierende Schwesterprodukt 85*, mit entsprechend höherem Alkoholanteil, ist verschwunden) noch heute in vielen Internetshops zu bekommen, nebst allerlei wohl neueren Flankern, wenn das Wort bei einem solchen "Nicht-Parfüm" passt.
Wobei... "Nicht-Parfüm"... Man könnte den Eindruck haben, dass solche Wässerchen auch benutzt wurden, um die Kleinen an die Welt der Colognes... oder vielleicht sogar der Parfüms insgesamt heranzuführen!
Im mehrfach zitierten Cologne-Buch ist auch ein historisches Werbeplakat abgebildet, ähnlich dem hier auf Parfumo gezeigten, aber dem Stil nach vielleicht 5 Jahre später geklebt, Ende der 60-er, Anfang der 70-er vielleicht. Darauf zu sehen eine junge französische Mutter, sehr moderat sexy mit um die Brust gebundenen Frotteetuch, schon mit kurzen Haaren im Stil der Zeit, modern wirkend, (aber sicher Georges Pompidou und nicht die unseriösen Sozialisten wählend), wie sie ihrem kleinen blonden Söhnchen, 6 Jahre vielleicht, Bien-Etre aus der Literflasche in die Hände gießt. Der jauchzt, und darunter steht:
Der Frische-Moment der Morgentoilette - Das ist Bien-Etre!
Wir auch, wie die Großen!
Wir mögen den frischen Moment der Morgentoilette! Weil es Bien-Etre ist [oder: Weil es Wohlbefinden ist]! Und dass eine gute Einreibung mit Bien-Entre nach der morgendlichen Wäsche (und auch tagsüber!) ein angenehmes und wunderbares Frischegefühl vermittelt, muss uns Mutti nicht noch einmal sagen.
Und suchen Sie nicht nach dem Grund, warum das Cologne Bien-Etre die ganze Familie anspricht: Es ist das frischeste und natürlichste Cologne überhaupt. Ihr Wohlbefinden ist unbezahlbar. Vor allem, wenn es nur ein paar Centimes pro Tag kostet.
(Erster Besuch im Colognisten-Cafe)
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