Charivari 1978 Eau de Toilette

Serenissima
16.09.2021 - 06:48 Uhr
12
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

wer hat, der hat!

"Charivari": kein Schützenfest, keine Lustbarkeit in den Alpen, bei der nicht eine dieser mit vielen, mehr oder weniger wertvollen Anhängern besetzten Ketten den Träger schmückt. Meist ruht sie auf einem eindrucksvollen "Embonpoint": je praller die Kugel, desto hervorragender der Bauchschmuck!
Hieran erkennt man die Honoratioren, abgesehen vom Gamsbart am Hut, der die gesellschaftliche Stellung in der Region ebenfalls unterstreicht!

Auch "Charivari" Eau de Toilette ist ein Schmuckstück; aber dazu später mehr.
Wie beeindruckt war ich früher Teenager allein schon von dem Markennamen: Charles of the Ritz!
Wow! Das klang nach Luxushotel und das einzige Luxushotel kannte ich aus dem Film "Menschen im Hotel". Der Film von 1959 wurde damals noch regelmäßig (einmal jährlich?) im Fernsehen gesendet.
Und diese Adaption des Romans von Vicky Baum (die in den USA selbst lange in einem Hotel lebte) ist meiner Meinung nach die beste, die es gibt!
Allein schon O.W. Fischer als charmanter Hoteldieb: da klopfte das Jungmädchenherz!
Gibt es diese charismatischen Nichtsnutze eigentlich noch, deren Lebensaufgabe darin zu bestehen schien, Frauen zu unterhalten und zu erfreuen?
Oder wird die heutige Welt überwiegend bevölkert von "dem wahren Discohengst", der sich nicht genug in den Komplimenten sielen kann, die er erhält, weil der Duft, den er trägt, "so mega-geil performed"?
Wäre es so: "Ach, wir armen, armen Mädchen ..."!
Zum Glück durfte ich noch einige dieser "Charmebolzen" kennenlernen: ihre Aufmerksamkeit tat Frauen einfach nur gut; man durfte sie nur nicht zu ernst nehmen!

Nun, Charles of the Ritz hat selbst mit dem Eau de Toilette von "Charivari" ein aufwendiges, seiner Zeit angepasstes und gut tragbares Schmuckstück kreiert.
Jede einzelne Duftnote wurde sorgfältig ausgewählt und gekonnt an die für sie richtige Stelle dieser Komposition gesetzt.
Schon das fruchtig, frische Entrée strahlt durch die alles beherrschende Kraft der Aldehyde.
So wird aus einem eigentlich einfachen Fruchtcocktail ein Duftauftakt, der neugierig auf das Kommende macht.
Nun kann auch "Charivari" seine Chypre-Verwandtschaft nicht verhehlen; wie selbstverständlich wurden Iris, Jasmin und Rose zu einem opulenten Duftstrauß arrangiert, bei dem auch das heitere Maiglöckchen und die jetzt meist vergessene Gartennelke nicht fehlen dürfen.
Als besonderer Höhepunkt zeigt sich eine gut dosierte Portion goldgelben Honigs, der alles mit einer feinen Haut überzieht, ohne klebrig zu sein. Diese feine Honigschicht übernimmt auch sehr schnell die Aromen der umarmten Blüten und Früchte. Das Ergebnis ist fein!
Und natürlich darf auch die klassische Basis nicht fehlen; undenkbar wäre das zur Hochzeit dieses Duftes gewesen. Man blieb der vorgegebenen Richtung treu, wobei ein kleiner Umweg hier und da ohne weiteres für zusätzliche Raffinesse sorgen konnte.
So treffen sich würziges Benzoeharz mit etwas stacheligem Sandel- und seidigen Zedernhölzern auf einem angenehm erdigen Moospolster.
Aber der duftende Abschluss fehlt noch: warme, sinnliche Moschus- und leuchtende Ambranoten bilden ein filigranes Netz, das mit leichter Hand über all die wertvollen Duftbausteine dieses Arrangements geschlungen wurde.

"Charivari" breitet, selbst als Eau de Toilette, seinen Duftschmuck reichhaltig auf meiner Haut aus!
Blumig-grün und doch lebhaft-elegant erscheint für einige Stunden ein echter Duft-Begleiter der späten siebziger Jahre.

Erstaunlich, wie dieser Duft über die Jahre scheinbar unverändert im Kleiderschrank der verstorbenen Nachbarin überlebte. Denn auch "Charivari" gehört zu den Düften, die ich damals vor dem Abfallcontainer bewahrte.
Mich erfreut dieser Duftrest und ich werde mich gern mit ihm schmücken.

Ach, übrigens: um "Charivari" von Charles of the Ritz zu tragen, braucht man nicht unbedingt einen Bauch.
Wenn, dann ist das auch kein Unglück; schließlich heißt es: "Wer hat, der hat!"
7 Antworten