Royal Mayfair
Windsor
2009

Federduft
17.11.2020 - 10:06 Uhr
15
Top Rezension
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

*****A walk in the park* - Royal Mayfair von Creed

„Doesn't one always think of the past, in a garden?“
Eleanor in Kew Gardens von Virginia Woolf
Merkwürdig melancholisch macht er mich.
Merkwürdig, weil weder in den Noten noch in der Komposition dieses Duftes ein melancholischer Unterton mitschwingt. Jamaikanische Limette, Schottische Hochlandkiefer, englische Rose. Kanadische Zeder, Australischer Eukalyptus und Orange(n) von den Bahamas.
Gut, vielleicht doch Melancholie, die Melancholie einer vergangenen Epoche und eines damit verblassten Imperiums...
Fast isoliert nehme ich die Duftnoten zu Beginn wahr. Beinahe überreife Limette, das milde Fruchtharz von Wacholderbeeren. Die Dualität kampherspitzer Schärfe und kräutersüßen Balsams frischen Kiefernsafts. Kühle Rose, taukandiert. Tuberose1) im Tarnmodus, die mich mit ihrer Mimese von Geissblatt und welken Maiglöckchen blendet und vom Rosenherz fort lockt.
Warmes, dezentes Zedernholz und ein mit mir Schabernack treibender Eukalyptus, mal floral-forsch mit Tuberose flirtend, mal chlorgebleichte2) Zähne bleckend. Dazwischen überraschend, intim Moschus.
Nein, das ist nicht das Duftbild der von mir in meiner üblichen Naivität hingeworfenen Skizze von Royal Mayfair.
Kein Wald, kein Kiefernhain. Keine wild-romantische Landschaft, keine ungezähmte Natur. Und doch läßt es mich tieferneut inhalieren, als trete ich aus einer smogverseuchten Metropole ein in einen alten Park.
Dieser Atemzug bringt meinen Blickwinkel ins Lot.
Erweitert ihn, von dem der im Gewimmel Pheromonfährten folgenden Ameise, zur Zentralperspektive des Flaneurs in diesem ehrwürdigen Garten.
Es ist die Saite der Royal Botanical Gardens in Kew die der Duft in meinerErinnerung anschlägt. Hier, in dieser ‘Oase
in der Wüste Groß-Londons aus Ziegel und Mörtel’ 3) , in diesem, zwar von Menschenhand geschaffenem, Stück Natur kann man mit allen Sinnen aufatmen. Uralte Libanon 4)-Zedern stehen hier, vertraute und unbekannte Bäume in großer Vielfalt. Es gibt Vertreter der Kiefer von allen Kontinenten. In einem der wunderschönen,tempelartigen Gewächshäuser aus weiß lackierten Eisen und funkelnden Glas gedeiht ein beeindruckender Eukalyptusbaum und hat man Glück blüht im Areal der Trockentropen Agave polianthes neben Humboldt-Lilien.
Zahllose Gewächse und pittoreske Arrangements gilt es zu bewundern und vielleicht blüht im Rosengarten sogar noch jene, die dem Duke of Widsor 5) gewidmet wurde und als Referenz für die englische Rose in Royal Mayfair angeboten wird.
Genug der Bummelei im herbstlichen Garten meiner Erinnerung und zurück zur Präsenz des Duftes.
Es braucht weitere eingehende Betrachtung bis es mir letztendlich der Perspektivwechel gelingt und ich die Fragmente in ein elegantes Gemälde einfügen kann.
Wacholder, Kiefer und Limette verwachsen zum überraschend angenehmen Tonic Water mit trockenem, kräuterbetontem Gin. Moosig-medizinisch und zu meiner Freude nur die ätherischen Kopfnoten des Getränkes spiegelnd. 6)
Die Zeder trägt auf schlankem aber solidem Stamm eine aromatische Krone nach liebevoll gepflegten, sparsam doch erlesen besetzen Humidor.
Doch was mir zu Herzen geht ist dasselbige, floral pulsierende von Royal Mayfair. Hier umfängt mich das einzigartige, intime Parfum eines Kusses auf die nach einer Spur Rosenseife duftende, von Wind und Wetter kühle Wange eines innig vertauten Menschen.
Dazu mäendert gleich einem glucksenden, glitzernden Wasserlauf der Eukalyptus durch das gesamte Bild und verbindet die verschiedenen Ebenen, setzt hier mit der Tuberose einen metallischen, an Reste von Smog erinnernden Akzent (schließlich befinden wir uns immer noch in der Stadt), trägt mit der Kiefer zu einer transparenten Weitläufigkeit bei und benetzt die Erde an den Wurzeln der Zeder.
Die Kopfnoten sind ein spritziges, wenn auch ganz wie das sie inspirierende Getränk, ehrer kurzlebiges Vergnügen, auch wenn Elemente im ganzen Duft erneut aufblitzen und zum klaren, kühlen Eindruck beitragen. Das Herz, ist zu meiner Freude, auch unabhängig ob auf Haut, Feder oder Textil ausdauernd wahrnehmbar, die Basis, obwoh sehr hautnah bleibt beeindruckend lange als ein Hauch „Zedernholzkleiderschrank“ auf Stoff .
Royal Mayfair ist kein Duft für einen Waldschrat (generisches Maskulinum) doch ebensowenig ist er exklusiv der Gentry (generisches Femininum) zu zusprechen .
Elegant, kommt aber bestens ohne urbanen Chic aus. Subtil, doch von greifbarer Gegenwart. Keinesfalls sexy, nur unmittelbar sinnlich. Zu tragen wie es Euch gefällt.
Allerdings ist es ein Duft, den ich lieber an einer mir innig vertauten Person genießen möchte als ihn selbst zu tragen.

***** Kein für Kauf- oder Testenscheidung relevante Informationen enthaltender Kommentar, nur mein Eindruck plus *Ohrwurm für Norleans
1) Dies kann auch der zeitgleichen, bisher eher fruchtlosen Beschäftigung mit einem anderen, sehr tuberosenbetonten Duft liegen
2) nochmals überprüft: ich finde auch hier diese chlorartige Note wie in einem sich in meinem Fundus befindlichen Eucalcyptus globulus-Öl
3)A. R. Hope Moncrieff, Kew Gardens
4) mit Sicherheit finden sich bei genauer Suche auch ein paar kanadische Exemplare...
5) ironischer Weise handelt es sich hier um eine Teehybride die in Deutschland gezüchtet wurde
6) Alkohlikanoten zählen zu meinen Angstgegnern.
6 Antworten