11.08.2012 - 13:06 Uhr
Apicius
1106 Rezensionen
Apicius
Hilfreiche Rezension
4
Schlichtheit und Opulenz
Riechen und Schmecken sind eng verwandt – auch physiologisch. Die Küchen der unterschiedlichen Nationen zeichnen sich oft durch einen jeweils eigenen Stil aus, und auch bei den schönen Düften lässt sich Landestypisches ausmachen.
Die englische Küche gilt ja gemeinhin als ungewürzt und langweilig – in ihrer besten Form stellt sie den natürlichen Geschmack der Speisen unverfälscht in den Vordergrund. Tatsächlich lieben unsere Freunde von der Insel die starken Sinneseindrücke und die Exotik, welche der Commonwealth zu bieten hat - wenngleich es den nachgekochten Curries oft an Feinheit mangelt. Vor dem Hintergrund bescheiden gewürzter Pork Pies, Bangers & Mash oder Fish'n Chips treten knallig-bunte Torten auf, und wenn doch mal gewürzt wird, dann recht brutal: meines Wissens verwendeten vor allem die Briten in der Tradition der Römer die Weinraute, um vor Erfindung des Kühlschranks in Fleischgerichten Unerwünschtes zu überdecken. Wer sie besitzt, kann ja mal bei Apicius nachschlagen (dem echten) und ein Moretum herstellen.
Ein Freund von der Insel gab mir vor vielen Jahren ein Zweiglein frische Weinraute aus seinem Garten zu kosten – der Geschmack ist durchdringend, penetrant, sehr exzentrisch und wird sogar als moschusähnlich beschrieben. Ich konnte beim Genuss allerdings nur einen Gedanken fassen: oh, diese Engländer!
Die Grundhaltung, eigentlich nicht, aber wenn, dann kräftig und spektakulär zu würzen, übersetzt sich in die Welt der schönen Düfte in die Abwesenheit einer gewissen Raffinesse – zugunsten eines oft exzentrischen Ausdrucks. So darf man bei einem „English Bouquet“ keine Gänseblümchen, Ginster oder Löwenzahn erwarten – die Opulenz liebevoll gepflegter prächtiger Rosen und vielleicht auch Nelken steht im Mittelpunkt, der Rest lässt sich nicht eindeutig ausmachen. Den Hintergrund bildet eine warme, kuschelig-orientalische Basis, in der ich mir eventuell etwas Myrrhe vorstellen könnte. English Bouquet ist damit so typisch englisch wie ein Madras Curry, das man von Dover bis Yorkshire in jedem Dorf bekommt.
English Bouquet ist wohl längst eingestellt – macht nichts! Die englische Parfümeurin Shirley Brody hat das Thema sehr stimmig weiter entwickelt: mit No.88 von Czech & Speake oder mit XPEC Original, ihrer eigenen Marke. Diese Düfte haben – ganz unenglisch – jenes Maß an Raffinesse, die English Bouquet nicht bieten kann. Nein, nicht alles war früher besser. So lässt sich diese sehr spezielle Duftrichtung heute in schöneren und besseren Parfums erfahren. Gut, dass die Engländer seit der allgemeinen Einführung des Kühlschranks die Weinraute in ihre Gärten verbannt haben.
Danke an ElRiecho für die Probe!
Die englische Küche gilt ja gemeinhin als ungewürzt und langweilig – in ihrer besten Form stellt sie den natürlichen Geschmack der Speisen unverfälscht in den Vordergrund. Tatsächlich lieben unsere Freunde von der Insel die starken Sinneseindrücke und die Exotik, welche der Commonwealth zu bieten hat - wenngleich es den nachgekochten Curries oft an Feinheit mangelt. Vor dem Hintergrund bescheiden gewürzter Pork Pies, Bangers & Mash oder Fish'n Chips treten knallig-bunte Torten auf, und wenn doch mal gewürzt wird, dann recht brutal: meines Wissens verwendeten vor allem die Briten in der Tradition der Römer die Weinraute, um vor Erfindung des Kühlschranks in Fleischgerichten Unerwünschtes zu überdecken. Wer sie besitzt, kann ja mal bei Apicius nachschlagen (dem echten) und ein Moretum herstellen.
Ein Freund von der Insel gab mir vor vielen Jahren ein Zweiglein frische Weinraute aus seinem Garten zu kosten – der Geschmack ist durchdringend, penetrant, sehr exzentrisch und wird sogar als moschusähnlich beschrieben. Ich konnte beim Genuss allerdings nur einen Gedanken fassen: oh, diese Engländer!
Die Grundhaltung, eigentlich nicht, aber wenn, dann kräftig und spektakulär zu würzen, übersetzt sich in die Welt der schönen Düfte in die Abwesenheit einer gewissen Raffinesse – zugunsten eines oft exzentrischen Ausdrucks. So darf man bei einem „English Bouquet“ keine Gänseblümchen, Ginster oder Löwenzahn erwarten – die Opulenz liebevoll gepflegter prächtiger Rosen und vielleicht auch Nelken steht im Mittelpunkt, der Rest lässt sich nicht eindeutig ausmachen. Den Hintergrund bildet eine warme, kuschelig-orientalische Basis, in der ich mir eventuell etwas Myrrhe vorstellen könnte. English Bouquet ist damit so typisch englisch wie ein Madras Curry, das man von Dover bis Yorkshire in jedem Dorf bekommt.
English Bouquet ist wohl längst eingestellt – macht nichts! Die englische Parfümeurin Shirley Brody hat das Thema sehr stimmig weiter entwickelt: mit No.88 von Czech & Speake oder mit XPEC Original, ihrer eigenen Marke. Diese Düfte haben – ganz unenglisch – jenes Maß an Raffinesse, die English Bouquet nicht bieten kann. Nein, nicht alles war früher besser. So lässt sich diese sehr spezielle Duftrichtung heute in schöneren und besseren Parfums erfahren. Gut, dass die Engländer seit der allgemeinen Einführung des Kühlschranks die Weinraute in ihre Gärten verbannt haben.
Danke an ElRiecho für die Probe!