Youth-Dew Eau de Parfum

Velvetmoon
12.03.2024 - 10:48 Uhr
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Top Rezension
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Flakon
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Duft

Nachhause kommen - Neu vs. Vintage

Da ich Youth Dew aktuell wieder häufiger trage, will ich ein paar Worte zu diesem meines Erachtens nach tollem Meisterwerk teilen und ihn bei der Gelegenheit gleich mal mit der alten Formulierung vergleichen.

Youth Dew war eines der ersten Parfüms von Estee Lauder, das eigentlich erstmal gar kein Parfüm war - jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne. Das 1953 auf dem Markt gebrachte Youth Dew war ein hochkonzentriertes Bade-Öl und ein Versuch, die amerikanische Frau in einer höchst konservativen Gesellschaft unabhängiger zu machen. Zu dieser Zeit war es normal, dass die meisten Frauen kein eigenes Konto und kaum Geld besaßen und ihre Ehemänner und Partner ihnen gelegentlich Luxus-Kosmetik wie Parfüm schenkten, unabhängig davon, was denn eigentlich der Geschmack der Frauen tatsächlich war. Diese Produkte fristeten ihr Dasein meist angestaubt auf irgendeiner Kommode, um im Höchstfall ein mal im Jahr benutzt zu werden.

Estee Lauder hatte eine Vision, in der jede Frau wirtschaftlich selbst entscheiden sollte, also lanzierte sie Youth Dew, getarnt als erschwingliches Bade-Öl, dass sich fast jede Frau kaufen konnte. Diese Idee war solch ein Erfolg, dass das Bade-Öl fast täglich zweckentfremdet als Duft getupft im Gebrauch war und Parfümierung nicht mehr lediglich auf einzelne Gelegenheiten limitiert wurde. Kurze Zeit später wurde auf gleicher Basis das vollendete Parfüm veröffentlich - Die Geburt eines legendären Duftes mit einer Duftkomposition, die viele weitere Jahrzehnte zahllose Parfümeure inspirieren sollte und Vorreiter war für Klassiker wie Opium (1977) Parfum, Coco Eau de Parfum, oder Obsession Eau de Parfum.

Den Duft selbst zu beschreiben ist, wie bei den meisten Düften des vergangenen Jahrhunderts, relativ schwer - Die Pyramide ist eine Sammlung der edelsten, gehaltvollsten Duftnoten und nichts sticht besonders stark hervor. Stattdessen wird ein großes ganzen Duftgemälde gemalt, bernsteinfarbend und leuchtend, eingefasst in einem antiken und doch schlichten Rahmen. Die alte Formulierung besitzt eine intensive, warme Würze, die durch die verschiedenen Harze geschmeidig und tiefgründig gestaltet wird und durch das restliche olfaktorische Sammelsurium perfekt abgerundet wird. Darunter ist eine, wie ich sie immer liebevoll nenne, animalische "Katzenflausch"-Note - Etwas, das mich immer an den Geruch von gepflegtem Katzenfell erinnert. Die Art, wie sich die vintage Version auf der Haut entfaltet, ist für sich schon ein absolutes Erlebnis, das mich immer wieder verblüfft.

Die aktuelle Formulierung dagegen kommt etwas seifiger, vergleichsweise leichter daher mit vielen Gewürzen und Blumen, aber auch minimalistischeren Eindrücken. Die balsamischen Noten sind definitiv zurück genommen, ich rieche so gut wie keine Animalik mehr. Es ist geselliger, an die Zeit angepasster, und doch ist die DNA noch deutlich zu riechen, was ja im Vergleich zu anderen Reformulierungen ein Wunder ist. Es ist immer noch ein grandioser Duft, doch nicht mehr so gehaltvoll. So ist wohl der Lauf der Dinge.

Was ich an Youth Dew so besonders finde ist, dass er im Vergleich zu ähnlichen Vintage Gewürz-Bomben nicht direkt DIVA schreit, sondern eine zurückgenommene, raffinierte Eleganz ausstrahlt. Ich fühle mich damit nie overdressed, aber definitiv immer besonders well-dressed! Egal wie oft und lange ich andere Duftrichtungen erkunde, so fühlt sich das Auftragen von Youth Dew immer ein bisschen an wie "nachhause kommen".
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