Eucris Geo. F. Trumper 1912 Eau de Toilette
29
Top Rezension
As "noir" as it gets
Eine sehr freundliche Zusendung des lieben Users Yatagan verschaffte mir die Möglichkeit, zwei alte Trumper-Klassiker zu testen, was ich ohnehin schon länger vorhatte. Ebenso war es mein Vorhaben, bei diesem Review nicht wieder in mein (sicherlich für die Leser ermüdendes) "Früher war alles besser, außer Asbest und die zahnmedizinischen Möglichkeiten"-Lamento zu verfallen. Ich habe es in meiner Vorstellung durchdekliniert und in so ziemlich jedem meiner Kommentare irgendwo anklingen lassen, warum also erneut erzählen, warum ich mich in Sachen Düften in der Jetztzeit (sprich: die Jahre etwa seit Cool Water, womit nichts gegen Cool Water gesagt ist) nicht heimisch fühle?
Aber, liebe Leute, verzeiht es mir: Gerade jetzt, wo bereits so ziemlich jeder was mit "Nacht", "dunkel", "schwarz", "extrem schwarz" und Co. auf den Markt geworfen hat - und kaum einer dieser Düfte in mir wirklich diese durch die Namensgebung evozierte, wort- und formlose Primärwahrnehmung des Schwarzen, Finsteren, Melancholischen, Tiefen tatsächlich hat erzeugen können, muss ich einfach sagen: Vor gut einhundert Jahren hat's geklappt. Und das in einer Eindeutigkeit, die mich beinahe dazu verleiten könnte, diese Rezension aus Kommentaren und Statements zu diesem Duft zusammenzukleben. Eine solche Collage hätte kaum weniger Neuigkeitswert, als meine Überlegungen: Es scheinen viele Rezensenten ähnlich gefühlt zu haben, wobei der Einschlag bei mir heftiger war. Dabei ist der erste Dufteindruck wirklich verblüffend, für einen relativ unerfahrenen Parfumo zumal, denn die Elemente dieser Duftpyramide findet man nun wirklich nicht an jeder Ecke in Variation. Erster Gedanke: "So riecht also Traurigkeit." Nicht wilde Trauer, nicht die heiße Träne. Habituell gewordene Resignation, tief eingesenkte Melancholie, geduldig gewordener, aber von Zweifeln angegangener Wunsch nach Erlösung. Sofort der Gedanke an eine alte Ausgabe eines Kunstbandes aus den 10er Jahren ("Der stille Garten"), die ich einmal günstig in Düsseldorf erstand: Dunkelviolettes Titelbild mit Jugendstil-Floristik. Dazu Stefan George ("Komm' in den totgesagten Park", ihr wisst schon...) und Trakl. Man könnte auch sagen: So riecht also ein Trakl-Gedicht, aber da würden noch weniger Leute folgen wollen.
Ja, wie riecht es denn nun? In der Tat zunächst nach schwarzer Johannisbeere, aber ohne jede vordergründige Fruchtigkeit oder Säure, die ihr, so scheint es, nur kontingent in ihrer Eigenschaft als tatsächliche Frucht anhaften - vielmehr riechen wir hier die Johannisbeere in ihrer Idee, von der alles Akzidentielle abgezogen wurde. Violette, zähflüssige Tropfen. Ich vermute, dass es das Maiglöckchen ist, das hier unterstützend das Läuterungswerk an der Beere vollzieht, sicher bin ich mir aber nicht. Etwas verspätet, aber mit großem Ernst (erster noch als bei Astor aus dem gleichen Hause) tritt nun der Kümmel hinzu und gibt der Johannisbeere mit seiner sowohl ätherischen, als auch leicht modrigen Würze (fahlen) Glanz und Rahmen (mit Wasserschaden). Wirklich, einen schärferen Gegenpol zu einem "uplifting" Fresh-Feelgood-Duft kann man sich nicht denken. Dagegen ist jeder Gothic-Patchouli-Klischeeduft eine in Kopfstimme geschmetterte Ode an die sorglose Heiterkeit (zumal ich Patchouli ohnehin selten als finster empfinde, aber das gehört nicht hierher).
10 Punkte für den kühnen, klaren Entwurf, mit einfachen, wenigen Strichen. Abzüge allein für die Gebindegröße: Dies ist ein Duft für einsame Stunden mit schwerer Brust, ein Tupfer am Handgelenk, zumal er auch anstrengend werden kann. Wer von Eucris 100ml in einer Lebensspanne aufbraucht... nun ja. Trakl.
Aber, liebe Leute, verzeiht es mir: Gerade jetzt, wo bereits so ziemlich jeder was mit "Nacht", "dunkel", "schwarz", "extrem schwarz" und Co. auf den Markt geworfen hat - und kaum einer dieser Düfte in mir wirklich diese durch die Namensgebung evozierte, wort- und formlose Primärwahrnehmung des Schwarzen, Finsteren, Melancholischen, Tiefen tatsächlich hat erzeugen können, muss ich einfach sagen: Vor gut einhundert Jahren hat's geklappt. Und das in einer Eindeutigkeit, die mich beinahe dazu verleiten könnte, diese Rezension aus Kommentaren und Statements zu diesem Duft zusammenzukleben. Eine solche Collage hätte kaum weniger Neuigkeitswert, als meine Überlegungen: Es scheinen viele Rezensenten ähnlich gefühlt zu haben, wobei der Einschlag bei mir heftiger war. Dabei ist der erste Dufteindruck wirklich verblüffend, für einen relativ unerfahrenen Parfumo zumal, denn die Elemente dieser Duftpyramide findet man nun wirklich nicht an jeder Ecke in Variation. Erster Gedanke: "So riecht also Traurigkeit." Nicht wilde Trauer, nicht die heiße Träne. Habituell gewordene Resignation, tief eingesenkte Melancholie, geduldig gewordener, aber von Zweifeln angegangener Wunsch nach Erlösung. Sofort der Gedanke an eine alte Ausgabe eines Kunstbandes aus den 10er Jahren ("Der stille Garten"), die ich einmal günstig in Düsseldorf erstand: Dunkelviolettes Titelbild mit Jugendstil-Floristik. Dazu Stefan George ("Komm' in den totgesagten Park", ihr wisst schon...) und Trakl. Man könnte auch sagen: So riecht also ein Trakl-Gedicht, aber da würden noch weniger Leute folgen wollen.
Ja, wie riecht es denn nun? In der Tat zunächst nach schwarzer Johannisbeere, aber ohne jede vordergründige Fruchtigkeit oder Säure, die ihr, so scheint es, nur kontingent in ihrer Eigenschaft als tatsächliche Frucht anhaften - vielmehr riechen wir hier die Johannisbeere in ihrer Idee, von der alles Akzidentielle abgezogen wurde. Violette, zähflüssige Tropfen. Ich vermute, dass es das Maiglöckchen ist, das hier unterstützend das Läuterungswerk an der Beere vollzieht, sicher bin ich mir aber nicht. Etwas verspätet, aber mit großem Ernst (erster noch als bei Astor aus dem gleichen Hause) tritt nun der Kümmel hinzu und gibt der Johannisbeere mit seiner sowohl ätherischen, als auch leicht modrigen Würze (fahlen) Glanz und Rahmen (mit Wasserschaden). Wirklich, einen schärferen Gegenpol zu einem "uplifting" Fresh-Feelgood-Duft kann man sich nicht denken. Dagegen ist jeder Gothic-Patchouli-Klischeeduft eine in Kopfstimme geschmetterte Ode an die sorglose Heiterkeit (zumal ich Patchouli ohnehin selten als finster empfinde, aber das gehört nicht hierher).
10 Punkte für den kühnen, klaren Entwurf, mit einfachen, wenigen Strichen. Abzüge allein für die Gebindegröße: Dies ist ein Duft für einsame Stunden mit schwerer Brust, ein Tupfer am Handgelenk, zumal er auch anstrengend werden kann. Wer von Eucris 100ml in einer Lebensspanne aufbraucht... nun ja. Trakl.
8 Antworten


Back to Black Pokal (mit Amy, die mit Trakl schwooft...)
Ich muss zugeben, dass Trakl mir bislang nicht geläufig war. Ich habe jedoch gleich nach dem Lesen dieses Kommentares einige seiner Gedichte studiert und finde,
"Wir sind die Wandrer ohne Ziele,
Die Wolken, die der Wind verweht,
Die Blumen, zitternd in Todeskühle,
Die warten, bis man sie niedermäht."
klingt doch ganz hübsch. Wechselreim eben.