L'Art & La Matière

Angélique Noire 2005

Seerose
06.04.2024 - 18:57 Uhr
5
Preis
8
Flakon
5
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft

Herbe Unschuld - melancholische Sinnlichkeit

Als ich die erste O-Probe mit einer Bestellung von Guerlain erhielt, hatte ich Angelique Noire noch nie wahrgenommen und somit keine Vorstellung von diesem Duft. Ich bin grundsätzlich skeptisch, wenn ein Duft im Namen etwas Engelhaftes andeutet. Engel sind für mich keine niedlichen Amulette. Engel sind für mich die Projektion von furchterregenden mächtigen himmlischen Boten, mit denen wir Menschen keinen Kontakt haben dürfen, denn es heißt, dass sie gefährlich ja sogar tödlich für uns sein sollen.
Also habe ich Angelique Noire blind getestet und notiert dass es für mich ein rätselhafter kräutergrüner leicht bitterer Duft ist, mit einer eigenartigen Schärfe, die ich für Citral, (auch als Neral oder Litsea Cubeba bezeichnet) hielt. Vielleicht auch noch eine Spur Galbabum hatte ich dazu geschrieben. Darunter hatte ich eine nicht süße oder gar gourmandige Vanille wahrgenommen, sondern eine lieblich-cremige und vermutet, dass es Sandel sein könnte. Ein interessanter Duft, den ich mochte, der mich aber zunächst nicht anrührte. Die Vanille-Sandelnote beurteilte ich als sehr genialen Antagonisten zu der sonst nur harsch-grünen krautigen Hauptingredienz.
Nach einer Weile und nochmaligem Tragen merkte ich, dass Angelique Noire eine weiche Dufthülle um mich erzeugte mit einer leisen prickelnden Schärfe, wie für meine Haut gemacht.
Dann hatte ich die Probe geleert. Daher ich machte mir weiter keine Gedanken darum. Weil Angelique Noir ist für mich ein teurer Duft ist und kaum für mich in Frage käme, allenfalls eine Abfüllung aus dem Souk.
Dann erhielt ich noch einmal von Guerlain eine O-Probe, die ich zum weiteren Testen benutzte und auch das erste Mal hier aufrief.
Mich verblüfften die hier gelisteten Ingredienzen, ich konnte nichts damit anfangen im Vergleich mit dem, was ich von Angelique Noire wahrnahm.
Ich informierte mich und begriff, dass es sich bei diesem Duft nicht um Engel sondern um die Heil- und Giftpflanze Angelika handelte. Die ich noch nie in einem Parfüm wahrgenommen hatte, auch wenn sie gelistet war.
Ich las die Rezensionen und auch damit konnte ich meistens nichts anfangen, denn Angelique Noire ist für mich weder ein Vanilleduft noch ist es ein gourmandiger Duft. Es bleibt auch nach langer Zeit bei mir der grünprickelnde leicht scharf-bittere Duft mit sanftmütig cremiget Vanille-Sandelmischung ephemer durchzogen.
An meinen Shirt am Handgelenk war Angelique Noire noch nach 2 Tagen und erneutem Tragen noch wahrnehmbar. Ich konnte keinem anderen Duft dazu layern. Aber ich war nun ganz und gar von Angelique Noire verführt und meinte seufzend zu meinem Mann: "Schade, dass ich keinen Gönner habe, der mir diesen Duft verehrt?" und bekam ihn von meinem Mann als Ostergeschenk,
Nun stand Angelique Noire vor mir und ich wollte jetzt genau wissen, was die Inspiration von Daniela Andrier gewesen ist, wie die Ingredienzen bei Guerlain dargestellt werden.
Ich fand keine Ingredienzenliste oder Pyramide, nur die Ingredienzen die auf jeder Packung für Parfüms und Kosmetika gelistet sein müssen. Ja, ich fand auch Citral, und die üblichen mir bekannten Stoffe, die auch für andere Parfüms und Kosmetika gelistet werden. Ich las auch die anderen chemischen Ingredienzen, die mir wenig sagen und die ebenfalls in natürlichen Duftstoffen enthalten sein können.
Mir fiel jedoch auf, dass auffallend wenige Ingredienzen auf der Packung gelistet sind, Sonst stehen auch bei Guerlain immer umfangreiche Listen und lange Begriffe, mir meist nichts sagender synthetischer Stoffe.
Dann aber fand ich einen Videoclip in der Website von Guerlain zu Angelique Noire mit Delphine Jelk und Thierry Wasser. Und in dem wurde erklärt, dass für Angelique Noire sowohl die über der Erde wachsenden Pflanzenteile (Stängel, Blätter, Blüten) als auch die Wurzeln der Angelikapflanze für das Parfüm verarbeitet werden. Das es sich um einen sehr herben grünen krautig-bitteren Duft handele, den man mit der Weichheit und Sanftheit der Vanille gezähmt hätte. Dass es sehr schwierig sei aus der Pflanze Angelika ein Parfüm zu machen, weil diese Pflanze zwei völlig unterschiedliche Essenzen freigäbe.
Sonst wurden keine anderen Duftstoffe bzw. Ingredienzen genannt und sie stehen auch nirgendwo in der Website von Guerlain.
Dann erklärte Thierry Wasser was die Inspiration für diesen zwiespältigen Duft gewesen sei, die Assoziationen, die er bei ihnen/ihm erzeugt.
Aber ich maße mir nicht an, das hier zu wiederholen. Es sind die Inspirationen und Assoziationen von Daniela Dandrier , zuerst erklärt von Delphine Jelk und von Thierry Wasser;
Sehr poetisch und voller Hingabe und Zärtlichkeit ausgedrückt. So dass es mich sehr berührt hat. Ich habe es mir dreimal angehört.
Ich habe stattdessen im Wikipedia die Pflanze Angelika genau angeschaut, alles darüber gelesen und ich weiß, dass ich zumindest als Kind diese Pflanze oft gesehen habe. Es ist ein großes Doldengewächs wie der giftige Schierling und vor allem wie der Riesenbärenklau, der sehr gefährlich für unsere menschliche Haut ist. In meiner Heimat gibt es viele Gewässer, Bäche, Gräben, Kanäle, sumpfige nasse Gegenden, dort wächst sie. Zumindest wuchs sie dort.
Auch die Angelika hat in leichter Form die photochemische die Haut verätzende Reaktion, wie sie der sehr gefährlich Riesenbärenklau hat. Zudem wird beschrieben, dass Angelika eine Heilpflanze ist, die früher für sehr viele Leiden, Schmerzen, Krankheiten verwendet wurde und dass sie auch leicht giftig ist.
Und dass ihr Auszug oder Destillat in Kräutermagenbittern wie Boonekamp oder dem berühmten französischen Chartreuse verwendet wird.
Zusammengefaßt: Es ist ein ambivalenter einmaliger und rarer Duft. Für mich ist es eine sinnliche, zärtliche, kostbare Dufthülle. Deren dunkelgrüne aromatische Bitternis mit der sanft-zärtlichen Vanille die Melancholie und Poesie solcher Gefühle und Momente ausdrückt.
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